Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung - Kassenärztliche Vereinigung - Absicherung - Praxisbudget - Honorarverteilungsmaßstab - Zulässigkeit - Fallzahlzuwachsbegrenzung
Leitsatz (amtlich)
Zur Absicherung der zum 1.7.1997 durch den EBM-Ä eingeführten Praxisbudgets sind Regelungen im HVM über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses und über Honorarkürzungen bei Überschreiten der Zuwachsgrenzen zulässig.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; SGB V § 85 Abs. 4 S. 4 Fassung: 1992-12-21; GG Art. 12 Abs. 1; SGB V § 85 Abs. 4 S. 6 Fassung: 1999-12-22, S. 5 Fassung: 1998-12-19, S. 3, § 87 Abs. 1; EBM-Ä Kap. A Abschn. I Teil B Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. März 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten sind Honorarkürzungen wegen Überschreitung von Fallzahlzuwachsgrenzen.
Der Kläger ist als Urologe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kürzte seine Honorarabrechnungen für die Quartale III/1997 bis I/1998 und III/1998 bis I/1999 um insgesamt ca 855.000 Punkte. Seine Fallzahlen überschritten in diesen Quartalen die durchschnittlichen Fallzahlen seiner Fachgruppe um mehr als 10 %. Die Kürzungen erfolgten in Anwendung von § 7 Abs 1 des in diesen Quartalen geltenden Honorarverteilungsmaßstabs (HVM). Für einen Arzt mit mehr als 110 % der durchschnittlichen Fallzahlen seiner Fachgruppe durfte danach der Fallzahlzuwachs im Vergleich zum Vorjahresquartal maximal 5 % betragen. Bei Überschreitung der Zuwachsgrenze wurde die Honorarforderung um eine bestimmte Punktzahl gekürzt, die sich aus dem Produkt des von dem einzelnen Arzt durchschnittlich abgerechneten Fallwertes und der Anzahl seiner über der Zuwachsgrenze liegenden Behandlungsfälle ergab. Die Widersprüche des Klägers gegen die entsprechenden Honorarbescheide wies die Beklagte zurück. Die in § 7 Abs 1 HVM vorgeschriebene Fallzahlzuwachsbegrenzung sei als neue Maßnahme zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Praxis anzusehen und diene durch die mit ihr verbundene Stabilisierung des Punktwertes dazu, den Vertragsärzten angesichts der begrenzten Höhe der Gesamtvergütung eine gewisse Planungs- und Kalkulationssicherheit zu geben.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Nachvergütung verurteilt. Die HVM-Regelungen könnten zwar möglicherweise im Hinblick auf eine Stärkung der Verteilungsgerechtigkeit gerechtfertigt sein und auch der Anpassung der Honorierung an das neue Vergütungssystem der Praxisbudgets dienen. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich aber, dass vertragsärztliches Honorar nicht allein wegen der Überschreitung bestimmter Fallzahlgrenzen gekürzt werden dürfe. § 7 Abs 1 HVM sei nicht geeignet, die übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu verhindern, sondern führe lediglich zu einer Nivellierung der Fallzahlen (Urteil vom 15. März 2000).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Für die Regelung des § 7 Abs 1 HVM fehle eine gesetzliche Grundlage. § 85 Abs 4 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) komme insoweit nicht in Betracht, weil das BSG zu dieser Vorschrift bereits entschieden habe, eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit könne nur an der Summe der abgerechneten Punkte und allenfalls zusätzlich an der Fallzahl festgemacht werden. § 7 Abs 1 HVM stelle dagegen nur auf die Fallzahl ab und berücksichtige weder das Volumen der insgesamt erbrachten Leistungen noch die Fallwerte. Da § 7 Abs 1 HVM ausdrücklich auf die „übermäßige Ausdehnung” Bezug nehme, könne offen bleiben, ob diese Regelung als flankierende Maßnahme für die zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zulässig sein könne (Urteil vom 6. September 2000).
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, zu Unrecht habe das LSG die Vereinbarkeit von § 7 Abs 1 HVM mit § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V verneint. Der HVM stelle nicht auf die Fallzahl der einzelnen Praxis, sondern nur auf deren („übermäßigen”) Zuwachs ab. Die zulässige Fallzahl werde praxisindividuell in Anlehnung an die Werte aus den Vorjahresquartalen festgelegt. Auf Fallzahlzuwachsbegrenzungen als flankierende Maßnahmen zu den Praxisbudgets habe keine KÄV verzichten können. Entsprechende Regelungen seien nicht nur zur Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Behandlung, sondern auch im Interesse einer angemessenen und solidarischen Aufteilung des Honorars innerhalb der Vertragsärzteschaft unumgänglich.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2000 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. März 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Er „produziere” keine zusätzlichen Behandlungsfälle, weil er es nicht in der Hand habe, die Zahl der Patienten, die seine Praxis aufsuchten, zu begrenzen. Er könne die Behandlung von Versicherten, die ausdrücklich von ihm behandelt werden wollten, nicht ablehnen, ohne gegen vertragsärztliche und allgemein-ärztliche Pflichten zu verstoßen. Zuwachsbegrenzungsregelungen, die allein auf die Fallzahl abstellten, berücksichtigten nicht, dass nicht in jedem Behandlungsfall Leistungen im größeren Umfang anfielen. Eine ausreichende Mengensteuerung erfolge schon dadurch, dass ab einer bestimmten Punktzahlgrenze der Punktwert abgestaffelt werde. Für weitere Eingriffe bestehe kein Anlass. Die Einkünfte eines Arztes, der eine umfangreiche Praxis führe und erfolgreich sei, dürften nicht zu Gunsten kleinerer Praxen gekürzt werden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG ihre Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.
Die angefochtenen Honorarbescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie beruhen auf der Vorschrift des § 7 Abs 1 HVM (idF vom 30. November 1996, geändert am 19. März 1997 und 21. Mai 1997 mit Wirkung vom 1. Juli 1997 [Rheinisches Ärzteblatt Heft 7/1997 S 49 ff], am 29. November 1997 mit Wirkung vom 1. Juli 1997 und vom 1. Januar 1998 [Rheinisches Ärzteblatt Heft 1/1998 S 69 ff; Heft 3/1998 S 60 ff], am 14. März 1998 mit Wirkung vom 1. Juli 1997 und vom 1. April 1998 [Rheinisches Ärzteblatt Heft 4/1998 S 52 ff] und am 28. November 1998 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 [Rheinisches Ärzteblatt Heft 1/1999 S 63]). Danach unterliegen Praxen mit mehr als 100 % der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal einer Fallzahlzuwachsbegrenzung. Praxen mit einer Fallzahl von 110 % und mehr in Relation zum Fachgruppendurchschnitt pro Inhaber dürfen zulässigerweise ihre Fallzahl um bis zu 5 % im Vergleich zum Vorjahresquartal erhöhen; bei einer Überschreitung dieser Zuwachsgrenze erfolgen Honorarkürzungen. Diese Regelung hat die Beklagte in den streitbefangenen Quartalen korrekt angewandt. Das stellt auch der Kläger nicht in Frage. Entgegen seiner Auffassung und der der vorinstanzlichen Gerichte steht § 7 Abs 1 HVM auch mit höherrangigem Recht in Einklang.
Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass gesetzliche Grundlage der Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht die in § 85 Abs 4 SGB V normierte Verpflichtung der KÄV ist, durch Regelungen der Honorarverteilung eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes zu verhindern (§ 85 Abs 4 Satz 4 SGB V in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1998; Satz 5 aaO vom 1. Januar bis 31. Dezember 1999; seit 1. Januar 2000 Satz 6 aaO; bis Ende 1988 § 368f Abs 1 Satz 5 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Der Tatbestand der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist erfüllt, wenn angesichts des Umfangs der von einem Vertragsarzt abgerechneten Leistungen davon auszugehen ist, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein können, mithin Qualitätsmängel zu befürchten sind (vgl BVerfGE 33, 171, 186 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 16 R f; BSGE 22, 218, 221 = SozR Nr 4 zu § 368f S Aa 4; BSG SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5; SozR 3-2500 § 85 Nr 8 S 47; vgl auch BSGE 81, 213, 224 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 159 f). HVM-Bestimmungen zur Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe hat der Senat regelmäßig gebilligt, wenn die Feststellung der übermäßigen Ausdehnung der Praxis anhand der Gesamtzahl der abgerechneten Punkte oder anhand der Kombination von Gesamtpunkt- und Gesamtfallzahl getroffen wurde. Speziell die früher in § 7 Abs 1 alter Fassung (aF) und seit dem 1. Juli 1997 in § 7 Abs 2 des HVM der hier beklagten KÄV enthaltene Bestimmung, die allein auf die Überschreitung von Punktzahlgrenzwerten abstellt, hat der Senat mehrfach ausdrücklich für rechtmäßig erklärt (zuletzt Urteil vom 12. Oktober 1994, – BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 8 – sowie Urteil vom 3. Juni 1987 = SozR 2200 § 368f Nr 15 und allgemein SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5). Die Regelung über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses im neu gefassten § 7 Abs 1 HVM ist jedoch weder bestimmt noch geeignet, eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit in dem Sinne, wie die Vorschrift des § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V (bzw ihre Vorgängerregelung in § 368f Abs 1 Satz 5 RVO) seit Jahrzehnten verstanden werden, zu verhüten. Sie knüpft allein an das Wachstum der Fallzahl einer Praxis an, das für sich genommen kein zuverlässiges Indiz für eine zu umfangreiche und deshalb qualitativ mutmaßlich unzulängliche Tätigkeit des Arztes darstellt. § 7 Abs 1 HVM reagiert damit nicht auf die Überschreitung einer bestimmten absoluten Fallzahlgrenze, sondern sanktioniert durch Honorarkürzungen allein einen (übermäßigen) Zuwachs bei der Fallzahl, ohne den Gesamtumfang der ärztlichen Tätigkeit mit zu berücksichtigen. Eine solche Regelung lässt sich auf die Befugnis zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht stützen; denn es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass ein Arzt allein wegen des Zuwachses an Behandlungsfällen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne qualitativ schlechter behandelt als ein Arzt, dessen Praxis schon immer von überdurchschnittlich vielen Patienten aufgesucht worden ist.
Die vordergründig an den Wortlaut des § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V anknüpfende Auffassung der Beklagten, eine „übermäßige Ausdehnung” könne durch einen übermäßigen Zuwachs an Behandlungsfällen verwirklicht werden, wird Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht gerecht. Ein Indiz dafür findet sich auch in dem Umstand, dass die Beklagte im Zuge der Einführung des § 7 Abs 1 HVM idF vom 30. November 1996 auf Regelungen zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung im traditionellen und zutreffenden Verständnis dieser Vorschrift nicht verzichtet und die vormals in § 7 Abs 1 enthaltene Regelung nunmehr in § 7 Abs 2 HVM weitgehend unverändert übernommen hat. Diese Bestimmung wird zutreffend neben der Fallzahlzuwachsbegrenzung weiter angewandt. Der Kläger ist davon in einigen der streitbefangenen Quartale auch erfasst worden.
§ 7 Abs 1 HVM findet seine Rechtsgrundlage allein in § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477, geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I S 2626) iVm Ziff 5 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (DÄ 1997, A-403; iF: Praxisbudgetvereinbarung). Nach § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V haben die KÄVen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des im Benehmen mit den Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstabes an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM hat eine KÄV einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Satzung ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 34 S 269; aaO Nr 16 S 105). Die von der KÄV beschlossene Satzung muss mit der Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars beachten (vgl BVerfGE 33, 171, 184 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 15 R; BSGE 81, 213, 217 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152). § 7 Abs 1 HVM kann mit diesem Gebot in Konflikt geraten, weil die Honorarkürzung bei Überschreitung der praxisindividuellen Fallzahlgrenze zur Folge hat, dass sich das Honorar vermindert, obwohl auch die Leistungen in den Behandlungsfällen, die über die zugelassene Fallzahlsteigerung hinaus gehen, der Leistungsbeschreibung im EBM-Ä entsprechend erbracht worden sind. Das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars ist jedoch nicht mehr als ein Grundsatz, der eingeschränkt werden darf, wenn die KÄV damit andere billigenswerte Zwecke verfolgt (BSGE 83, 1, 2 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 183; BSGE 81, 213, 218 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 153; Nr 31 S 236 f). Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können sich aus der Verpflichtung der KÄV zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in ihrem Bereich, aus Regelungen des EBM-Ä zur Honorarverteilung oder aus den zur Umsetzung des EBM-Ä getroffenen Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge (BMVe), hier der Praxisbudgetvereinbarung, ergeben.
Nach Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung haben die KÄVen die Möglichkeiten der Vertragsärzte, ihre Fallzahlen zu steigern, durch Mittel der Honorarverteilung zu begrenzen. Die Vorschrift bindet die KÄVen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Partner der BMVe auf der Grundlage der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 Satz 1 SGB V berechtigt, die Voraussetzungen für die Erbringung bestimmter Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung festzulegen und damit die Regelungen des EBM-Ä hinsichtlich der Abrechenbarkeit zu ergänzen (zuletzt BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 19; Senatsurteil vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 11/99 R –). Die Kompetenz der Partner der BMVe erfasst auch die Vereinbarung von Vorschriften zur Umsetzung und Anwendung des EBM-Ä, durch die den KÄVen ein Instrument an die Hand gegeben wird, anhand dessen diese eigenverantwortlich Ausnahmen von bestimmten Regelungen im EBM-Ä zulassen können (BSGE 87, 112, 114 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 134 zur Befreiung von Teilbudgets). Zu den Regelungen zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung iS der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 Satz 1 SGB V zählen auch Vorgaben an die KÄVen zur Umsetzung und Absicherung neu in den EBM-Ä aufgenommener Bewertungsformen wie der zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets. Bei den Vereinbarungen der Partner der BMVe zur Ergänzung und Umsetzung des EBM-Ä handelt es sich um Verträge mit normativer Wirkung, die auch am Vertragsschluss nicht beteiligte Dritte binden. Als unmittelbar geltendes untergesetzliches Recht bedürfen sie für ihre Rechtsverbindlichkeit keiner Umsetzung mehr im EBM-Ä. Die einzelne KÄV ist im Rahmen der Honorarverteilung an derartige bundesmantelvertragliche Vorgaben gebunden.
Die in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung geregelte Begrenzung des Fallzahlzuwachses ist rechtmäßig. Sie ist eine notwendige Funktionsbedingung für die durch den EBM-Ä zum 1. Juli 1997 für die meisten Arztgruppen, auch die der Urologen, eingeführten Praxisbudgets. Die Vorschriften über die Praxisbudgets (A I. Allgemeine Bestimmungen Teil B EBM-Ä) haben die Struktur der vertragsärztlichen Vergütung geändert. Die zu erbringenden Leistungen sind bei der Mehrzahl der Arztgruppen drei verschiedenen Bereichen zugeordnet worden, bezeichnet als grüner, gelber und roter Bereich. Der grüne Bereich beschreibt das eigentliche Praxisbudget. Hier wird jedem im Quartal behandelten Patienten, abhängig von dessen Versichertenstatus (Mitglied, Familienangehöriger oder Rentner), eine anhand eines Leistungsbedarfs im Jahr 1994 ermittelte Punktzahl zugeordnet. Das Produkt dieser Punktzahl mit der Zahl der behandelten Patienten bildet das Praxisbudget, das für jeden Arzt je nach Zahl und Status der Versicherten und nach Arztgruppe variiert. Leistungen aus dem grünen Bereich kann der einzelne Vertragsarzt nur bis zur Höhe dieses Budgets abrechnen; darüber hinaus erbrachte Leistungen werden nicht honoriert. Der gelbe Bereich umfasst die Zusatzbudgets. Hier werden weitere Punktzahlen pro Behandlungsfall für Leistungen eingeräumt, die entweder eine besondere Qualifikation des behandelnden Arztes oder einen besonderen Versorgungsbedarf voraussetzen und nur von einigen Ärzten aus jeder Arztgruppe schwerpunktmäßig erbracht werden. Die weder im grünen noch im gelben Bereich erfassten Leistungen gehören dem roten Bereich an, der nicht durch Punktzahlvolumina budgetiert ist. Jeder Arztgruppe ist für die einzelnen Leistungsbereiche ein bestimmter Anteil an der Gesamtvergütung zugewiesen. Leistungsmengensteigerungen bei einer Praxis im grünen und gelben Bereich führen solange zu einem höheren Honorar, als das Punktzahlbudget der Praxis noch nicht erschöpft ist, sodass insoweit Leistungen auch bei Mengenausweitungen mit stabilen Punktwerten honoriert werden können. Im roten Bereich besteht zwar die Möglichkeit, unbegrenzt Punktzahlen abzurechnen. Dafür müssen aber angesichts des begrenzten Honorartopfs deutlich floatende Punktwerte in Kauf genommen werden (vgl „Die Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 – Gründe und Inhalte”, DÄ 1997 C 647 ff; Ballast, ErsK 1996, 440 ff; Schauenburg, BKK 1997, 193 ff; Metzinger/Woggon, KrV 1997, 12 ff). Der Senat hat bereits entschieden, dass die durch den EBM-Ä zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets mit höherrangigem Recht in Einklang stehen (BSGE 86, 16, 21 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 120; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 30; aaO Nr 31). Sie sind geeignet, das Erreichen der vom EBM-Ä angestrebten Ziele der (relativen) Punktwertstabilität und mittelbar der Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit (zu diesem Ziel s BSGE 81, 213, 220 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 155) zu sichern. Das bedarf hier keiner erneuten Begründung, zumal die Verfahrensbeteiligten die Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets nicht in Frage stellen.
Zur Umsetzung der Neugestaltung des EBM-Ä haben die Partner der BMVe in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung bestimmt, dass die KÄVen verpflichtet sind, die Fallzahlentwicklung zu überprüfen und medizinisch nicht begründeten Fallzahlsteigerungen entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck ist auch ein Vergleich der Zahl der vom einzelnen Arzt abgerechneten Fälle vor und nach der Einführung der Budgets durchzuführen. Steigt im Bezirk einer KÄV die Fallzahl gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 %, hat die KÄV Maßnahmen zu ergreifen, die dazu dienen, eine Punktwertminderung, die von einer mehr als 5 %igen Fallzahlsteigerung hervorgerufen wird, zu verhindern.
Eine hierfür vorrangig in Betracht kommende Regelung ist die Begrenzung eines zulässigen Fallzahlzuwachses. Sie stellt sich als notwendige flankierende Maßnahme zur Absicherung der Wirkung der Praxisbudgets dar. Die Zahl der im Quartal abgerechneten Behandlungsfälle ist nämlich der variable Faktor bei der Bildung des Praxisbudgets. Könnte die Fallzahl beliebig gesteigert werden, bestünde trotz der Limitierung der pro Behandlungsfall rechnerisch abrechenbaren Punkte die Möglichkeit, deren Menge unbegrenzt zu vermehren. Angesichts der beschränkten Höhe der zur Verteilung anstehenden Gesamtvergütung könnte das einen Punktwertverfall bewirken, der durch die mit dem EBM-Ä 1997 eingeführten Praxisbudgets gerade verhindert werden sollte.
Die demgegenüber vom Kläger vertretene Ansicht, Regelungen über Fallzahlzuwachsbegrenzungen im HVM seien generell verfehlt, weil der Arzt auf die Anzahl seiner Patienten keinen Einfluss habe, trifft nicht zu. Bereits der oben näher behandelten Verpflichtung der KÄV, im HVM Regelungen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorzusehen (§ 85 Abs 4 Satz 6 SGB V), ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Arzt den Umfang seiner Tätigkeit in gewissem Umfang steuern kann und dass lenkende bzw präventiv wirkende Vorschriften im HVM geeignet sind, nachhaltig Anreize für eine Begrenzung der Tätigkeit zu geben, die sich sowohl auf den Umfang der Leistungen (Fallwert) als auch auf die Zahl der Behandlungsfälle auswirken können (zur präventiven Zielsetzung der Limitierung der übermäßigen Ausdehnung vgl BSG SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5).
Allerdings ist die Zahl der Behandlungsfälle einer Praxis nicht in gleicher Weise der Steuerung durch den Vertragsarzt zugänglich wie der Umfang der pro Fall erbrachten Leistungen, der sich im Fallwert niederschlägt. Bei idealtypischer Betrachtungsweise bestimmen allein die Patienten die Fallzahl einer Praxis, weil sie sich im Rahmen der ihnen zustehenden freien Arztwahl (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V) für die Behandlung durch einen bestimmten Arzt entscheiden und die von ihnen gewählte Praxis so oft aufsuchen, wie sie es aus ihrer Sicht für notwendig halten. In diesem Sinne spiegelt die Fallzahl einer Praxis auch die Attraktivität der Behandlung eines Arztes aus der Perspektive der Patienten wider. Die Gewinnung neuer Patienten erweist sich damit als legitimes Mittel des Arztes, seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (vgl bereits BSGE 83, 52, 56 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205 zum zahnärztlichen Bereich). Auf der anderen Seite hat der einzelne Arzt zahlreiche Möglichkeiten, die Zahl der Behandlungsfälle in seiner Praxis weitgehend unabhängig von medizinischen Behandlungsnotwendigkeiten zu beeinflussen. Ein „Fall” im Sinne der Vorschriften über das Praxisbudget (A I. Allgemeine Bestimmungen Teil B, Nr 1.4 EBM-Ä) ist gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 25 Abs 1 Satz 1 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) die von einem Arzt in einem Quartal gegenüber einem Versicherten vorgenommene ärztliche Behandlung. Ob ein Patient, der vier Mal im Jahr die Praxis eines Arztes zur Behandlung aufsucht, als ein „Fall” zählt oder ob seine Behandlung zu vier Behandlungsfällen führt, hängt allein davon ab, ob die vier Arzt-Patienten-Kontakte im selben Quartal oder in allen vier Quartalen eines Jahres stattfinden. Außerhalb von Akutbehandlungen kann der Arzt die Fallzahl seiner Praxis damit durch regelmäßige Wiedereinbestellungen von Patienten zu bestimmten Zeitpunkten deutlich beeinflussen (vgl bereits BSGE 83, 52, 56 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205). Auch durch Absprachen zwischen Ärzten über die Überweisung von Patienten zur Mitbehandlung (§ 24 BMV-Ä) können gerade im fachärztlichen Bereich Fallzahlen vermehrt werden, ohne dass sich der Behandlungsaufwand gegenüber dem einzelnen Patienten ändert (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 165).
Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat gezeigt, dass die im Rahmen der kassen- bzw vertragsärztlichen Behandlung abgerechneten Fallzahlen keine vorgegebenen festen Größen sind, die aus der Natur der Sache unverändert bleiben, solange die Zahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen konstant bleibt, und bei denen Verschiebungen der Patientenströme nur zwischen den einzelnen Arztgruppen auftreten können. Vielmehr hat sich in den vergangenen Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen ergeben. In den alten Bundesländern (ab 1995 unter Einschluss von Berlin [Ost]) stieg die Fallzahl bei allen Kranken- und Ersatzkassen von 252 Millionen im Jahre 1980 auf knapp 438 Millionen im Jahre 1998, also um etwa 75 % (Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland 2000, hrsg von der KÄBV, B 5). Diesem Anstieg entspricht eine Zunahme der Zahl der abrechnenden Ärzte von 55.127 Ende 1980 auf 92.816 Ende 1998 (Grunddaten, aaO, B 5), während die Zahl der Mitglieder der Krankenkassen im gleichen Zeitraum in den alten Bundesländern prozentual wesentlich geringer, nämlich von ca 35 Millionen auf etwas über 40 Millionen, wuchs (Grunddaten, aaO, G 13). Seit 1996 schließlich entwickelte sich die Fallzahl stärker als die Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. So erhöhte sich 1996 in Relation zum Vorjahr die Anzahl der Ärzte um 1,8 %, die Zahl der Fälle aber um 4,4 %, sodass die Fallzahl je Arzt um 2,5 % anstieg. Auch 1997 und 1998 lag die Steigerungsrate bei den Behandlungsfällen höher als die prozentuale Zunahme der Zahl der Vertragsärzte, während sich im Mitgliederbestand der Kassen kaum Veränderungen ergaben. Im Jahre 1996 nahm die Zahl der Fälle in Relation zum Vorjahr mit 4,4 % fast zehn Mal so stark zu wie die Zahl der Mitglieder der Kranken- und Ersatzkassen mit 0,5 % (Grunddaten aaO, B 5, G 13). Der fast durchgängige Anstieg der Behandlungsfälle belegt einerseits die Notwendigkeit, in einem Honorarsystem, in dem der einzelne Behandlungsfall für das Gesamthonorar des Arztes einen hohen Stellenwert hat, die Anreize für eine Vermehrung der Behandlungsfälle möglichst zu verringern. Andererseits zeigt diese Entwicklung, dass die Zahl der Behandlungsfälle generell und bezogen auf den einzelnen Arzt keine vorgegebene Größe, sondern – in bestimmtem Umfang – der Beeinflussung durch den einzelnen Arzt zugänglich ist. Insbesondere bei einem überproportionalen Anstieg der Behandlungsfallzahlen darf deshalb auf das Verhalten des einzelnen Arztes durch Maßnahmen der Honorarbegrenzung reagiert werden.
Die Partner der BMVe haben sich bei der Normierung der Verpflichtung der KÄVen, durch Maßnahmen der Honorarverteilung einem überproportionalen Zuwachs der Fallzahlen entgegen zu wirken (Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung), auch auf die Erwägung stützen dürfen, dass sich größere Schwankungen im Leistungsverhalten bei langjährig betriebenen und etablierten Praxen in der Regel nur in begrenztem Umfang ergeben. Diesen Gesichtspunkt hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1998 im Rahmen der Prüfung von HVMen Kassenzahnärztlicher Vereinigungen (KZÄVen) angeführt, die den Umfang der vertragszahnärztlichen Tätigkeit der einzelnen Praxis durch die Einführung von Kontingentgrenzen im Wesentlichen auf das in einem bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit erreichte Maß beschränkt haben. Der Senat hat die Einschätzung der beklagten KZÄV für plausibel gehalten, dass Patientenzahl und Behandlungsumfang sowie Behandlungsweise des Praxisinhabers nach Abschluss der Aufbauphase einer Praxis offenbar über einen längeren Zeitraum relativ konstant bleiben und deutliche Verschiebungen bei der Zahl der behandelten Patienten eine eher seltene Ausnahme darstellen (vgl ua BSGE 83, 52, 57 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206). Es spricht nichts dafür, dass im vertragsärztlichen Bereich grundlegend andere Verhältnisse als im vertragszahnärztlichen Bereich bestehen. Honorarverteilungsregelungen, die unter Beachtung von noch näher zu erörternden Toleranzgrenzen den wirtschaftlichen Anreiz für eine starke Ausweitung der Fallzahl mindern, treffen danach nur eine relativ geringe Zahl von vertragsärztlichen Praxen nachhaltig.
Im Übrigen haben die Partner der Bundesmantelverträge in der Praxisbudgetvereinbarung eine Verpflichtung der KÄV zur Begrenzung des Fallzahlanstiegs nur für den Fall normiert, dass die Fallzahl gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % steigt. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre lässt erkennen, dass bezogen auf alle Arztgruppen eine Fallzahlerhöhung innerhalb eines Jahres oberhalb von 5 % die Ausnahme darstellt. Im Bereich der Primär- und Ersatzkassen insgesamt ist es lediglich im Jahr 1990 in Relation zu 1989 zu einem Fallzahlanstieg von 5,1 % gekommen. Ansonsten bewegen sich die Zuwachsraten im Bereich von 1,9 bis 4,4 % (Grunddaten, aaO, B 5). Auch die detaillierte wissenschaftliche Analyse der Gesamtfallzahlentwicklung der Jahre 1988 bis 1993 in sechs ausgewählten KÄVen, die nach Arztgruppen differenziert, zeigt auf, dass eine Fallzahlerhöhung im Jahresrhythmus oberhalb von 5 % eine eher seltene Ausnahme darstellt (vgl dazu: Die Entwicklung der Fallzahlen bei niedergelassenen Ärzten 1980 bis 1993, hrsg vom Wissenschaftlichen Institut der AOK und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1994, S 49). Die Regelung in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung zielt demnach nicht auf eine grundlegende Veränderung der Struktur des Behandlungsverhaltens der niedergelassenen Ärzte. Sie verpflichtet vielmehr die einzelne KÄV lediglich zu solchen Eingriffen, die eine außergewöhnlich schnelle, zudem hohe und darüber hinaus regelmäßig medizinisch nicht plausibel erklärbare Fallzahlsteigerung möglichst verhindern sollen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen gegen die Vorgabe in der Praxisbudgetvereinbarung keine durchgreifenden Bedenken.
§ 7 Abs 1 des HVM der Beklagten hält sich in dem durch Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung gezogenen Rahmen. Die Vorschrift ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig, weil die Überschrift der Norm auf eine nicht einschlägige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage Bezug nimmt. § 7 HVM trägt die Überschrift „Kürzung wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis”. Oben ist näher dargelegt worden, dass sich die hier zu beurteilende Regelung über den Fallzahlzuwachs nicht als Maßnahme zur Begrenzung der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Praxis im hergebrachten und nach wie vor zutreffenden Verständnis darstellt. Es kann offen bleiben, ob die Überschrift der Norm nicht lediglich auf einem redaktionellen Versehen des Normgebers beruht, der trotz Ergänzung der bisher allein die Folgen der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit behandelnden Vorschrift des § 7 HVM die Überschrift nicht ihrem erweiterten Inhalt angepasst hat. Selbst wenn indessen die Beklagte der – wie oben näher ausgeführt – unzutreffenden Auffassung ist, die Vorschrift über eine Begrenzung des Fallzahlzuwachses stelle sich (auch) als Regelung zur Begrenzung übermäßiger Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit dar, hätte das auf die Wirksamkeit der in § 7 Abs 1 HVM getroffenen Regelung keine Auswirkung. Die Wirksamkeit eines HVM hängt nicht davon ab, ob er seine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage korrekt nennt.
Der HVM einer KÄV ergeht als Satzung (BSGE 21, 235, 236 = SozR Nr 3 zu § 368f RVO Aa 2 R; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 34 S 269; Hess in Kasseler Kommentar, Stand November 2001, § 85 RdNr 52; Clemens, MedR 2000, 17). Im Grundgesetz (GG) ist für Satzungen – anders als für Rechtsverordnungen – kein Zitiergebot vorgesehen. Angesichts der ausdrücklich auf Rechtsverordnungen beschränkten Regelung des Art 80 Abs 1 Satz 3 GG und des Unterschieds, dass Satzungen im Gegensatz zu Rechtsverordnungen autonom gesetztes Recht sind (vgl BVerfGE 12, 319, 325; BVerwG NJW 1974, 2301), ist das für Rechtsverordnungen geltende Zitiergebot nicht ohne weiteres auf autonome Satzungen zu übertragen (aA Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung 1999, S 396 f; ders in Schnapp/Wigge ≪Hrsg≫, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 9 RdNr 67). Der Senat hat bereits entschieden, dass die Anforderungen des Zitiergebotes nach Art 80 Abs 1 Satz 3 GG für den auf § 87 Abs 2 SGB V beruhenden EBM-Ä nicht gelten. Der Verordnungsgeber darf nach Art 80 Abs 1 GG stets nur im Rahmen einer speziellen Ermächtigung, die auf ein bestimmtes, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß vorgegebenes Regelungsziel ausgerichtet ist, normsetzend tätig werden. Der Bewertungsausschuss hingegen verfügt gemäß § 87 Abs 2 SGB V über eine insoweit unbestimmte Kompetenz zum Erlass des Bewertungsmaßstabs. Sofern er für einzelne Regelungen einer über die Generalermächtigung in § 87 Abs 2 bzw Abs 2a Satz 1 und 2 SGB V hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf, ist es ausreichend, wenn diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ermächtigungsbedürftigen Vorschriften des EBM-Ä ihrerseits in Kraft getreten ist. Das schließt aus, dass der Bewertungsmaßstab als untergesetzliche Norm stets die spezielle gesetzliche Ermächtigung ausdrücklich zitiert, auf die sich eine bestimmte Regelung stützt (BSGE 86, 16, 20 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 119 ff). Diese Grundsätze gelten für den als Satzung erlassenen HVM einer KÄV entsprechend. Auch die KÄV verfügt gemäß § 85 Abs 4 SGB V über eine prinzipiell unbeschränkte Kompetenz zur Regelung der Honorarverteilung (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 34 S 269), wobei sie die grundgesetzlichen und gesetzlichen Vorgaben sowie die auf Bundesebene vereinbarten normativen Regelungen zu beachten hat. Da die hier zu beurteilende Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung auf der generellen Kompetenz der KÄV zum Erlass eines Honorarverteilungsmaßstabs beruht und einer spezielleren gesetzlichen Grundlage nicht bedarf, besteht keine Verpflichtung des Satzungsgebers, die gesetzliche Grundlage seiner Regelung in der Satzung selbst zu zitieren. Muss ein HVM nicht angeben, auf welcher Rechtsgrundlage er beruht, wird er nicht deshalb unwirksam, weil in der Überschrift der Norm für eine bestimmte Regelung eine nicht zutreffende gesetzliche Grundlage herangezogen wird.
In materieller Hinsicht ist die Regelung des § 7 Abs 1 HVM ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie lehnt sich ersichtlich an Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung an, weil Maßnahmen der Honorarbegrenzung bei Vertragsärzten mit mehr als 110 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Fachgruppe erst eingreifen, wenn der einzelne Vertragsarzt die von ihm abgerechneten Fallzahlen in Relation zum Vorjahresquartal um mehr als 5 % gesteigert hat. Ob eine KÄV auf der Grundlage von Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung berechtigt wäre, den Zuwachs auf einen niedrigeren Wert als 5 % zu begrenzen, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl insoweit Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 48/00 R). Im Übrigen berücksichtigt die Regelung in § 7 Abs 1 HVM die Maßgaben, die der Senat insbesondere in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1998 zu Honorarbegrenzungsregelungen im zahnärztlichen Bereich entwickelt hat (vgl ua BSGE 83, 52 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 28). Danach gilt der Grundsatz, dass es unter den Bedingungen einer nur in engen Grenzen steigerungsfähigen Gesamtvergütung und im Hinblick auf die Gewährleistung eines hohen Maßes an Kalkulationssicherheit für alle Vertragszahnärzte zumutbar ist, die einzelne Praxis für eine bestimmte Zeit an dem in der Vergangenheit selbst geschaffenen Umsatzvolumen festzuhalten, nicht für solche Praxen, die im maßgeblichen Vergleichszeitraum lediglich eine unterdurchschnittliche Fallzahl zu verzeichnen haben. Es ist mit dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn Vergütungsbegrenzungen solche Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl faktisch daran hindern, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe zu steigern. Diese Erwägungen gelten für den vertragsärztlichen Bereich in gleicher Weise. Dem trägt § 7 Abs 1 HVM dadurch Rechnung, dass Kürzungen nach dieser Vorschrift nur Ärzte mit Fallzahlsteigerungen erfassen, die im Vergleichzeitraum mehr als 100 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl ihrer Fachgruppe aufzuweisen haben.
§ 7 Abs 1 HVM erweist sich auch ansonsten als eine verhältnismäßige Regelung der durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Ärzte. Selbst Praxen mit überdurchschnittlichen Behandlungsfallzahlen wird hinreichend Raum zu einer Weiterentwicklung gelassen. So greifen bei Praxen mit mehr als 110 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Fachgruppe Honorarkürzungen als Folge der Überschreitung der Grenze zulässigen Fallzahlwachstums erst ein, wenn die Zahl der Behandlungsfälle gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % ansteigt. Die Bezugsgröße des uneingeschränkt zulässigen Fallzahlwachstums ist zudem nicht die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe, sondern die – darüber liegende – Durchschnittsfallzahl der eigenen Praxis. Das bedeutet, dass bei dieser Regelung selbst die bei Einführung der Praxisbudgets am 1. Juli 1997 bereits überdurchschnittlich großen Praxen ihre Fallzahlen noch jeweils um 5 % im Vergleich zum Vorjahresquartal steigern können, ohne von Honorarkürzungen betroffen zu werden. Diesen Praxen wird damit ein nachhaltiges Wachstum innerhalb weniger Jahre ermöglicht. Verhindert wird lediglich ein sprunghafter Anstieg der Fallzahl in kurzen Zeiträumen. Darin liegt keine unverhältnismäßige Beschränkung der vertragsärztlichen Berufsausübung. Die Regelung ist vielmehr um einen vertretbaren Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen Arztes an einem möglichst ungehinderten Wachstum seiner Praxis und den Interessen aller Vertragsärzte an möglichst stabilen Punktwerten im Hinblick auf die Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit bemüht.
Schließlich belegen auch die vom Kläger angeführten Kürzungsbeträge, dass kein unverhältnismäßiger Eingriff in seine vertragsärztliche Berufsausübung gegeben ist. In Anwendung der Regelung des § 7 Satz 1 HVM sind die Honorarabrechnungen des Klägers für sechs Quartale zwischen dem 1. Juli 1997 und dem 31. März 1999 um insgesamt 855.000 Punkte gekürzt worden. Welche wirtschaftliche Einbuße damit für den Kläger verbunden ist, lässt sich nicht vordergründig durch die Höhe des konkreten Kürzungsbetrages beantworten. Dieser errechnet sich aus der Multiplikation der Kürzungspunktzahl, die sich aus dem Produkt des von dem Arzt durchschnittlich abgerechneten Fallwertes und der Anzahl seiner über der Zuwachsgrenze liegenden Behandlungsfälle ergibt, mit dem Punktwert der jeweiligen Arztgruppe. Der Punktwert der Arztgruppe ist jedoch nicht unbeeinflusst von den Kürzungsregelungen auf der Grundlage des § 7 Abs 1 HVM, sondern kann die konkret von der Beklagten berechnete Höhe nur deshalb erreichen, weil nicht alle von den Vertragsärzten angeforderten Punkte tatsächlich zu honorieren sind. Wenn die vom Kläger beanstandete Regelung des § 7 Abs 1 HVM nicht bestünde, wären erheblich mehr Punkte aller Ärzte seiner Fachgruppe zu honorieren gewesen, sodass der allgemeine Punktwert dieser Arztgruppe erheblich niedriger gelegen hätte. Wie sich dies auf den Gesamthonoraranspruch des Klägers in den streitbefangenen Quartalen ausgewirkt hätte, entzieht sich einer exakten Berechnung, weil keine Ermittlungen darüber möglich sind, wie die Vertragsärzte im Bezirk der Beklagten abgerechnet hätten, wenn der HVM der Beklagten keine Regelung über den Fallzahlzuwachs enthalten hätte. Fest steht indessen, dass auch Ärzte, die vordergründig durch Regelungen über den Fallzahlzuwachs Honorareinbußen haben hinnehmen müssen, durch die Stabilisierung des Punktwertes in der Regel für die Mehrzahl ihrer vertragsärztlichen Leistungen von diesen Regelungen profitieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl Senatsurteile vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R – und B 6 KA 73/00 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Fundstellen
BSGE 89, 173 |
BSGE, 173 |
SozR 3-2500 § 85, Nr. 45 |