Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidung des FG Berlin. Verfassungsbeschwerde einer KG gegen Gewinnfeststellungsbescheid. Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung des FG Berlin unterliegt als Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin derzeit nicht verfassungsgerichtlicher Kontrolle, weil die Ausübung der Gerichtsbarkeit des BVerfG insoweit durch den in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 enthaltenen Berlinvorbehalt beschränkt wird. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, ein Bundesgesetz aus Anlaß seiner Anwendung durch ein Berliner Gericht verfassungsrechtlich zu prüfen. Für eine Verfassungsbeschwerde, mit der ein Beschwerdeführer die Kontrolle eines von einem Berliner Gericht angewandten Bundesgesetzes erstrebt, gelten die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die auch sonst bei einer Beschwerde gegen einen Rechtsanwendungsakt vorliegen müssen. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde zulässig, wenn sie, den Berlinvorbehalt hinweggedacht, den vom Gesetz geforderten Zulässigkeitsvoraussetzungen genügt.
2. Eine von einer Kommanditgesellschaft gegen die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung erhobene Verfassungsbeschwerde ist mangels unmittelbarer Betroffenheit unzulässig. Die KG ist als solche nicht einkommensteuerpflichtig. Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmen betrifft nicht die Gesellschaft, sondern die Personen (Mitunternehmer), die an den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb beteiligt sind.
3. Auch im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ist wegen der Subsidiatität der Verfassungsbeschwerde zunächst das Hauptsacheverfahren bei den Finanzgerichten durchzuführen soweit dem Beschwerdeführer dadurch keine schweren, unabwendbaren Nachteile entstehen.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 1-2, § 106; MilGovGGSchr Nr. 4; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 05.11.1987; Aktenzeichen IV 272/87) |
Gründe
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin richtet, ist sie unzulässig. Die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin unterliegt als Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin derzeit nicht verfassungsgerichtlicher Kontrolle, weil die Ausübung der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts insoweit durch den in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 (VOBl. BZ S. 416) enthaltenen Berlinvorbehalt beschränkt wird.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unzulässig. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, ein Bundesgesetz aus Anlaß seiner Anwendung durch ein Berliner Gericht verfassungsrechtlich zu prüfen. Für eine Verfassungsbeschwerde, mit der ein Beschwerdeführer die Kontrolle eines von einem Berliner Gericht angewandten Bundesgesetzes erstrebt, gelten die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die auch sonst bei einer Beschwerde gegen einen Rechtsanwendungsakt vorliegen müssen. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde zulässig, wenn sie, den Berlinvorbehalt hinweggedacht, den vom Gesetz geforderten Zulässigkeitsvoraussetzungen genügt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist als Kommanditgesellschaft nicht beschwerdebefugt. Sie ist als solche nicht einkommensteuerpflichtig (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmen betrifft nicht die Gesellschaft, sondern die Personen (Mitunternehmer), die an den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb beteiligt sind (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Eine von der Kommanditgesellschaft gegen die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung erhobene Verfassungsbeschwerde ist deshalb unzulässig (BVerfG, Beschluß vom 26. Februar 1987, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1987, S. 239 f.).
b) Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2) schon wegen mangelnder Rechtswegerschöpfung unzulässig ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), weil eine Überprüfung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 5 FGO nicht vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 49, 325 (328›. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unzulässig.
Aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde folgt, daß ein Beschwerdeführer die Beseitigung des Hoheitsakts, dessen Verfassungswidrigkeit er geltend macht, zunächst mit den ihm durch das Gesetz zur Verfügung gestellten anderen Rechtsbehelfen zu beseitigen suchen muß (st. Rspr.; BVerfGE 72, 39 ≪43≫). Für die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt daraus, daß die Zulässigkeit je nach Eigenart des Verfahrensgegenstandes einschränkend zu beurteilen ist, denn als anderweitige Möglichkeit, eine Grundrechtsverletzung zu beseitigen, steht dem Beschwerdeführer in der Regel das Verfahren in der Hauptsache offen. Die vorherige Durchführung des Hauptsacheverfahrens erscheint jedoch ausnahmsweise dann unzumutbar, wenn z. B. die Grundrechtsverletzung gerade durch die vorläufige Maßnahme gerügt wird oder diese im Hauptverfahren nicht mehr zureichend ausgeräumt werden könnte.
Nach diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer zu 2) gehalten, den Feststellungsbescheid des Finanzamtes für Körperschaften, Berlin, zunächst im Verfahren vor den Finanzgerichten überprüfen zu lassen. Er hat weder vorgetragen, daß er gerade durch die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung in seinen Grundrechten verletzt ist noch sind schwere, unabwendbare Nachteile ersichtlich, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr zureichend ausgeglichen werden könnten.
Soweit die Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 20b EStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 gerügt wird, liegen die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26. Februar 1987, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1987, S. 239f.).
Fundstellen