Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 91
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Anders als die fiktive Entnahme nach § 4 Abs 1 S 3 EStG ist die Entstrickung nach § 12 Abs 1 KStG begrifflich nicht auf im BV befindliche WG beschr (erweiterter Anwendungsbereich, s Tz 30, 68). Ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelung – Sicherstellung dt Besteuerungsrechte – ist die Anwendung des § 12 Abs 1 KStG nur auf WG beschr, deren Wertzuwächse im Veräußerungsfall unabhängig von bestimmten Fristen (s § 23 EStG) grds einer Besteuerung unterliegen. Der ggü § 4 Abs 1 S 3 EStG erweiterte Anwendungsbereich dürfte nur für Anteile iSd § 17 EStG und ab dem VZ 2009 auch auf WG, deren VG zu Eink nach § 20 Abs 2 EStG führen, von Bedeutung sein (ebenso hierzu s Tz 68).
Tz. 92
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
§ 12 Abs 1 KStG findet bei – im BV sowie nicht im BV befindlichen – Anteilen an Kö ungeachtet einer StFreiheit nach § 8b Abs 2 KStG des fiktiven VG Anwendung (s Pfirrmann, in Blümich, § 12 KStG Rn 23 mwNachw). Wenn auch die Bedeutung des § 12 Abs 1 KStG für Anteile iSd § 8b KStG angesichts derzeit fehlender Mindestbeteiligungsvoraussetzungen nur von geringer Bedeutung sein dürfte, kann sich dies infolge der wiederholt beabsichtigten Einführung einer StPflicht für Streubesitzbeteiligungen als Folge des Urt des EuGH v 20.10.2011, Rs C-284/09 (Kommission/D, DStR 2011, 2038), jederzeit ändern (zB s Schmidt, NWB Beratung aktuell 2008, 2311; s Schwenke, IStR 2008, 473). Eine solche StPflicht wurde zB iRd Ges-Gebungsverfahrens zum JStG 2013 sowie zum InvStRG 2016 diskutiert (s auch Tz 68 aE).
Tz. 93
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Für nicht im BV befindliche Anteile sind die Anwendungsbereiche von § 12 Abs 1 KStG und § 17 Abs 5 EStG abzugrenzen. Von Bedeutung ist dies insbes hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsfolgen beider Normen.
Anders als § 12 Abs 1 KStG fingiert § 17 Abs 5 EStG keine Veräußerung zum Zeitpunkt des Ausschlusses bzw der Beschränkung des dt Besteuerungsrechts, sondern sieht bei Verlegung des Sitzes bzw des Orts der Geschäftsleitung innerhalb der EU einen sog qualifizierten Treaty-Override vor. Die Entstrickungsregelung nach § 17 Abs 5 EStG ist ggü der Entstrickungsregelung in § 12 Abs 1 KStG lex specialis.
Beispiel:
Eine gem § 1 Abs 1 Nr 4 KStG unbeschr stpfl Familienstiftung ist ausschl vermögensverwaltend tätig. Die Familienstiftung besitzt eine Beteiligung iHv 5 % an der in Großbritannien ansässigen X- Ltd. Ende 2008 verlegt die X-Ltd ihren Verwaltungssitz nach Tschechien.
Lösung:
Aufgr der unbeschr KStPflicht führt die Veräußerung der Anteile an der X-Ltd grds zu Eink nach § 17 Abs 1 EStG. Vor der Sitzverlegung hätte das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile nach Art VIII Abs 3 DBA-Großbritannien ausschließlich D zugestanden.
Durch die Verlegung des Verwaltungssitzes wird das dt Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile beschr, da Tschechien als Ansässigkeitsstaat der X-Ltd nunmehr ebenfalls ein Besteuerungsrecht hat und D zur Anrechnung einer tschechischen St verpflichtet ist (Art 23 Abs 1 Buchst b iVm Art 13 Abs 3 DBA-Tschechien).
Die Anteile an der X-Ltd gelten jedoch nicht nach § 12 Abs 1 KStG im Zeitpunkt der Verlegung des Verwaltungssitzes als veräußert, da die Verlegung des Verwaltungssitzes ein Anwendungsfall des § 17 Abs 5 EStG ist. Nach § 17 Abs 5 S 3 EStG unterliegt ein späterer Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung ungeachtet des DBA-Tschechien einer inl Besteuerung (dh keine Anrechnung der tschechischen St).
Tz. 94
Stand: EL 90 – ET: 06/2017
§ 12 Abs 1 KStG kann jedoch bei wes Beteiligungen iSd § 17 EStG zur Anwendung kommen, soweit es sich um keinen Anwendungsfall des § 17 Abs 5 EStG handelt. Dies ist zB der Fall, wenn der Gesellschafter seinen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung verlegt (§ 17 Abs 5 EStG betrifft nur die Gesellschafts- nicht die Gesellschafterebene: hier gilt § 12 Abs 1 KStG für Kö bzw § 6 AStG für natürliche Personen) oder infolge des Abschlusses eines DBA das dt Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschr wird.