Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkendes Ereignis bei Rückzahlung von irrtümlich gezahltem Lohn
Leitsatz (amtlich)
Erstattet der Arbeitnehmer ein irrtümlich überzahltes Gehalt zurück, so ist diese Rückzahlung bei der Einkommensteuerveranlagung des Jahres der Überzahlung einnahmenmindernd zu berücksichtigen.
Die Rückerstattung des überzahlten Arbeitslohns stellt ein rückwirkendes Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit nur die tatsächlich für eine Beschäftigung geleisteten Einnahmen, so dass der Steuerpflichtige bei der Rückzahlung eines darüber hinausgehenden Gehalts, unabhängig von § 11 EStG, so gestellt werden muss, als ob er von Anfang an zutreffend besteuert worden wäre.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG §§ 11, 19
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Rückerstattung von irrtümlich zu viel überwiesenem Gehalt steuerrechtlich als Arbeitslohn einzuordnen und in welchem Jahr die Rückzahlung des überbezahlten Gehaltes bei dem Arbeitnehmer zu berücksichtigen ist.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 1995 bis 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte bis 30. November 1996 als Sozialarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ab 19. Juli 1995 aufgrund rückwirkender Bewilligung vom 5. März 1996 Berufsunfähigkeitsrente und ab 1. Dezember 1996 Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte. Für das Veranlagungsjahr 1995 erließ der Beklagte am 20. März 1996 einen Einkommensteuerbescheid, den er am 28. Februar 1997 wegen später nachgewiesener Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nach § 175 AO änderte. Am 11. Juni 1997 erging gegenüber den Klägern ein Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 1996. Am 10. Juli 1997 soll der Kläger, wie aus einem Schreiben des Beklagten an den Kläger hervorgeht, eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungsjahre 1995 und 1996 beantragt haben. Aus den Akten nicht ersichtlich ist, ob dieser Antrag (fern-)mündlich oder schriftlich gestellt wurde, da weder ein Schreiben der Kläger noch eine Aktennotiz des zuständigen Sachbearbeiters beim Beklagten in den Akten vorhanden ist. Für die beantragte Änderung legte der Kläger dem Beklagten besondere Lohnsteuerbescheinigungen seines Arbeitsgebers vom 18. Juli 1997 für die Kalenderjahre 1995 und 1996 vor. Aus den besonderen Lohnsteuerbescheinigungen ergibt sich u.a. ein verminderter Bruttoarbeitslohn (1995: 74.860,66 DM anstatt 78.133 DM, 1996: 51.916,31 DM anstatt 72.261,12 DM) und ein verminderter Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (1995: 9.507,35 DM anstatt 9.931,31 DM, 1996: 6.765,06 DM anstatt 9.403,38 DM). Im Übrigen wird auf die Lohnsteuerkarten sowie die besonderen Lohnsteuerbescheinigungen Bezug genommen. Die Ausstellung der besonderen Lohnsteuerbescheinigungen liegt im folgenden Sachverhalt begründet: Der Kläger bezog aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. November 1995 Krankenbezüge im Rahmen der Lohnfortzahlung. Nach § 71 Abs. 2 BAT werden Krankenbezüge nicht über den Zeitraum hinaus gezahlt, von dem an ein Angestellter Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung, hier: Berufsunfähigkeitsrente, erhält, wobei jedoch ein Zeitraum von 6 Wochen (Lohnfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers) unberücksichtigt bleibt. Überbezahlte Krankenbezüge gelten nach der o.g. Regelung als Vorschüsse auf die zustehenden Rentenbezüge, die Ansprüche gehen insoweit auf den Arbeitgeber über (vgl. Bl. 58 der ESt-Akte). In der Zeit vom 15. Dezember 1995, also nach Ablauf der 6-Wochenfrist, bis zum 31. März 1997 wurden Krankenbezüge und vom 1. April bis 14. Mai 1996 Urlaubsvergütung von insgesamt 23.617,50 DM brutto seitens des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers überbezahlt. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 19. März 1997 vor dem Arbeitsgericht S vereinbarte der Kläger mit seinem ehemaligen Arbeitgeber die Rückzahlung eines Betrages von 7.248,29 DM. Von der Rückforderung der in der Zeit vom 15. Dezember 1995 bis 31. März 1996 gezahlten Krankenbezüge sah der ehemalige Arbeitgeber des Klägers gemäß § 71 Abs. 2 BAT ab und verzichtete insoweit auf eine Erstattung. Daraufhin stellte der ehemalige Arbeitgeber dem Kläger die besonderen Lohnsteuerbescheinigungen aus, was er wie folgt begründete: Überbezahlte Krankenbezüge gelten als Vorschüsse auf die zustehenden Rentenbezüge und unterliegen somit nicht der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerpflicht. Die zunächst als Krankenbezüge gezahlten Beträge würden steuerlich zu einer Erstattung von Arbeitslohn führen. Insofern verwies er auf die Besprechung der Lohnsteuerreferenten des Bundes und der Länder vom 10.-13. September 1991, bei der zur steuerlichen Behandlung der Rückzahlung von Krankenbezügen folgende Auffassung vertreten wurde: „Krankenbezüge, die als Vorschüsse auf Beträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehe...