Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 86
Allgemeines. Während das EStG in Unternehmenstypen denkt und innerhalb der 7 Einkunftsarten Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse anspricht, löst sich der Katalog des § 8 Abs. 1 an sich von jedem Unternehmenstyp. Er spricht unmittelbar vor allem Tätigkeiten, aber auch Beteiligungsverhältnisse an. Im Ergebnis führt dies dazu, dass zB unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 sowohl gewerbliche als auch freiberufliche Dienstleistungen fallen können. Andererseits müssen häufig mehrere Tätigkeiten zusammengefasst beurteilt werden. Stellt zB ein Unternehmen ein Produkt her, um es anschließend zu verkaufen, so macht es keinen Sinn, die Produktion unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 und den Verkauf unter § 8 Abs. 1 Nr. 4 zu subsumieren. Vielmehr steht der Verkauf in einem funktionalen Zusammenhang mit der Produktion. Der Verkauf ist das wirtschaftliche Ziel der Produktion. Ohne den Verkauf macht die Produktion als solche keinen Sinn. Beides ist deshalb einheitlich unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 zu subsumieren. Bei der Auslegung des § 8 Abs. 1 muss man im Grundsatz davon ausgehen, dass die Vorschrift weniger in bestimmten Unternehmens- oder Berufsbildern denkt, sondern mehr bei einzelnen Tätigkeiten ansetzt, wobei wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten als eine Einheit behandelt werden. Es gibt allerdings auch sog. gemischte Gesellschaften, dh. solche, die sowohl aktiven Tätigkeiten als auch dem passivem Erwerb nachgehen. Bei gemischten Gesellschaften muss jede einzelne Tätigkeit und damit jede Einnahme und jede Aufwendung dem aktiven oder dem passiven Bereich zugeordnet werden.
Rz. 86.1
Betreiben eines Kreditinstituts und eines Versicherungsunternehmens. Das Betreiben eines Kreditinstituts und eines Versicherungsunternehmens wird in § 8 Abs. 1 Nr. 3 unter den allgemeinen gewerblichen Tätigkeiten besonders hervorgehoben. Das Gesetz folgt damit in etwa der Systematik des HGB aF, wo in § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowohl die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie als auch die Bankier- und Geldwechselgeschäfte als besondere Formen eines Handelsgewerbes hervorgehoben wurden. Beide Bestimmungen können deshalb zur Auslegung von § 8 Abs. 1 Nr. 3 herangezogen werden. Abweichend von den Ausführungen zu Anm. 86 besteht zu § 8 Abs. 1 Nr. 3 allerdings die eine Besonderheit, dass die Vorschrift Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen als Unternehmenstypen anspricht (vgl. Anm. 105). Insoweit kehrt die Vorschrift zu der Betrachtungsweise des EStG zurück. Bei den Unternehmenstypen ist allerdings zu beachten, dass die §§ 7 ff. stets ausländische Rechtsträger voraussetzen. Der angesprochene Unternehmenstyp orientiert sich deshalb nicht an inländischen, sondern an ausländischen Vergleichsbildern. Man darf bei der Beurteilung von Kreditinstituten nicht auf das abstellen, was in Deutschland üblich ist, sondern man muss auch die im Ausland bestehenden Besonderheiten mitberücksichtigen. Dies hat allerdings vor allem für die Frage Bedeutung, welche Tätigkeiten noch dem Unternehmenstyp "Kreditinstitut" zugeordnet werden können. Dies darf nicht dazu führen, dass man unter einem "Kreditinstitut" oder "Versicherungsunternehmen" mit Blick auf die im Ausland bestehenden Usancen ein Unternehmen versteht, das nach deutscher Rechtsvorstellung unter keinem Gesichtspunkt "Kreditinstitut" oder "Versicherungsunternehmen" sein könnte. Die andere Besonderheit besteht darin, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 in seinem "es-sei-denn-Satz" ausdrücklich solche ausländischen Kreditinstitute (Versicherungsunternehmen) von der Anwendung der Vorschrift ausnimmt, die ihre Geschäfte überwiegend mit den an ihnen beteiligten unbeschränkt Stpfl. oder mit diesen nahe stehenden Personen betreiben. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Begriffe "Kreditinstitut" und "Versicherungsunternehmen" als solche es nicht ausschließen, dass das betroffene Unternehmen überwiegend Geschäfte mit nahe stehenden Personen abschließt. Ein Kreditinstitut (Versicherungsunternehmen) kann sehr wohl Fremdkapital nur bei nahe stehenden Konzerngesellschaften aufnehmen. Dies schließt die Ausübung einer kredit- bzw. versicherungswirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus. Selbst wenn jede Form der Fremdkapitalaufnahme isoliert gesehen nicht zu den Bank- oder Versicherungsgeschäften zählen sollte, muss sie den tatsächlich ausgeübten Bank- oder Versicherungsgeschäften zumindest unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Betrachtungsweise steuerrechtlich zugeordnet werden können. Dies folgt bereits aus allgemeinen Veranlassungsüberlegungen. Nach dem rechtskräftigen Urteil des FG Baden-Württemberg v. 27.7.1995 ist bei der Beurteilung des Überwiegens auf sämtliche Geschäfte abzustellen. Diese können gleichermaßen aktiv oder passiv sein. Das FG Baden-Württemberg geht also ebenfalls davon aus, dass die Fremdkapitalaufnahme Bankgeschäft sein kann. Es fehlt deshalb regelmäßig schon dann an einem Überwiegen der Geschäfte mit nahe stehenden Personen, wenn die Tätigkeit eines ausländischen Kreditinstituts sich darin e...