Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 369
Ungeachtet § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG. § 8 Abs. 1 Nr. 10 erfasst alle Umwandlungen, die ihrer Art nach im UmwStG geregelt sind. Für die Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 10 ist es nicht erforderlich, dass im konkreten Einzelfall auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG erfüllt sind. Die Vorschrift erfasst deshalb Umwandlungen sowohl in den EU-/EWR-Staaten als auch Umwandlungen in Drittstaaten. Einkünfte einer übertragenden Gesellschaft und ihrer Gesellschafter aus Anlass einer Umwandlung sind aktiv, wenn sie ungeachtet des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG nach deutschem Steuerrecht zu Buchwerten hätten erfolgen können. Im Einzelnen ist an die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, an die Verschmelzung, Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf andere Kapitalgesellschaften und an die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft zu denken. Die Gegenleistung muss stets in der Gewährung von Gesellschaftsrechten bestehen.
Rz. 370
Bedeutung der räumlichen Öffnung für fiktive Prüfung des UmwStG ("Inlandsthese"). Die im Rahmen von § 8 Abs. 1 Nr. 10 gebotene fiktive Prüfung, ob der Umwandlungsvorgang unter Anwendung des UmwStG zu Buchwerten erfolgen könnte, kann problematisch sein, wenn sich die ausländische Umwandlung ihrerseits grenzüberschreitend vollzieht. An folgendem Beispiel soll das Problem verdeutlicht werden:
Beispiel
Die D-AG hält 100 % der Anteile an der in Staat A ansässigen Zwischengesellschaft A-Ltd. Die A-Ltd. wird auf die in Staat B ansässige B-Ltd. verschmolzen, ohne dass eine Betriebsstätte in A zurückbleibt.
Für die hypothetische Prüfung des Buchwertansatzes nach § 11 Abs. 2 UmwStG sind verschiedene Lösungsmöglichkeiten denkbar:
- (1) Aufgrund der kontrolltheoretischen Fundierung der §§ 7–14 kann man einmal so tun, als sei die A-Ltd. eine deutsche Gesellschaft. Für die Verschmelzung auf die B-Ltd. müsste dann weiterhin so getan werden, als werde die (fiktiv) "deutsche" A grenzüberschreitend auf die B-Ltd. verschmolzen. Folglich käme wegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG (übertragene Wirtschaftsgüter müssen beim übernehmenden Rechtsträger der Körperschaftsteuer unterliegen) ein Buchwertansatz nicht in Betracht. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Einkünfte der B-Ltd. selbst der Hinzurechnungsbesteuerung unterlägen, weil sie dann auf Grundlage der in §§ 7–14 zum Ausdruck gelangenden Kontrolltheorie ebenfalls eine (fiktive) "deutsche" Gesellschaft wäre.
- (2) Man kann die räumliche Öffnung des § 8 Abs. 1 Nr. 10 ("ungeachtet des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG") allerdings auch so verstehen, dass sich der gesamte Umwandlungsvorgang im Inland vollzieht ("Inlandsthese").
Letztere Auffassung verdient schon deshalb den Vorzug, weil es ansonsten – wie gezeigt – zu willkürlich anmutenden Ergebnissen kommen würde. Das Gesetz bringt mit der räumlichen Öffnung deutlich zum Ausdruck, dass Staatsgrenzen für die fiktive Prüfung des UmwStG im Rahmen von § 8 Abs. 1 Nr. 10 keine Rolle spielen sollen. Das entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, ausländische Umwandlungen nicht durch die Anwendung der §§ 7–14 zu behindern. Im Rahmen der für § 8 Abs. 1 Nr. 10 maßgeblichen hypothetischen Prüfung der Möglichkeit des Buchwertansatzes muss deshalb so getan werden, als vollziehe sich die Umwandlung insgesamt in Deutschland. Im Beispiel wird deshalb (fiktiv) eine deutsche Gesellschaft auf eine andere deutsche Gesellschaft verschmolzen. Die Frage, ob gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG eine deutsche Betriebsstätte zurückbleibt und die übertragenen Wirtschaftsgüter dieser Betriebsstätte zugeordnet werden können, stellt sich nicht. Die übertragenen Wirtschaftsgüter unterliegen bei dem durch die Brille des § 8 Abs. 1 Nr. 10 betrachteten reinen Inlandssachverhalt auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers der Körperschaftsteuer. Die Umwandlung könnte deshalb zu Buchwerten erfolgen. Wegen § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG (außerhalb des Beispiels auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 9 iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 11 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1 iVm. § 11 Abs. 2 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 3, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 2, § 25 iVm. § 20 Abs. 2 Nr. 3 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG) kann es ferner darauf ankommen, ob durch die Umwandlung das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird. Diese Prüfung ist insbes. relevant für die Frage, ob ein hypothetischer Buchwertansatz daran scheitert, dass die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter im Rahmen der §§ 7–14 beschränkt wird. Verlagert man den gesamten Umwandlungsvorgang allerdings mit der hier vertretenen Auffassung fiktiv ins Inland, dann bedarf die Frage keiner Vertiefung. Denn bei einem vollständigen inländischen Sachverhalt kann es tatbestandsmäßig zu keiner Hinzurechnungsbesteuerung kommen (vgl. aber Anm. 372 f.).
Rz. 371
Zu Buchwerten erfolgen könnten. Ob eine konkrete Umwandlung "zu Buc...