Rz. 198
Als Maßnahmen zur Regelung der vorweggenommenen Erbfolge sind sämtliche Rechtsgeschäfte unter Lebenden möglich, die nicht dem Erbrecht unterliegen. Es besteht keine Einschränkung auf die typischen Formen des Erbrechts, z. B. Testament, Erbvertrag oder Vermächtnis.
Rz. 199
Als Gestaltungsmittel kommen u. a. die Schenkung, die Errichtung neuer oder die Umwandlung bestehender Unternehmen sowie Regelungen in Gesellschaftsverträgen infrage. Gesellschaftsvertraglich besteht insbes. die Möglichkeit, dem Schenker fortdauernden Einfluss auf die Unternehmensführung zu sichern (selbst bei Übertragung der Anteilsmehrheit), z. B. in Form von Sonderrechten im Gesellschaftsvertrag (Mehrstimmrecht, Vetorecht, etc.), die den Schenker im Vergleich zu den übrigen Gesellschafter privilegieren. Durch ergänzende Vereinbarungen von Rückforderungsrechten im Schenkungs- und Übertragungsvertrag können zudem bestimmte Fehlentwicklungen in der Unternehmensführung abgesichert werden.
Rz. 200
Neben dem Vorbehalt von Kontrollrechten ist regelmäßig auch die finanzielle Absicherung des Schenkers ein relevantes Thema, insbes. bei einer Übertragung des Unternehmens bzw. der Unternehmensanteile als Haupteinnahmequelle. Ein geeignetes Mittel kann hierbei eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt sein, um den Schenker die Erträge des Vermögensstamms vorzubehalten (Rz. 45ff.). Wertsteigerungen des übertragenden Vermögens treten dann bereits bei dem Beschenkten ein, was erbschaftsteuerlich günstig ist.
Rz. 201
Sinnvoll kann im Einzelfall ggf. auch eine Übertragung des Unternehmens bzw. der Unternehmensanteile unter Vereinbarung von laufenden, vom Beschenkten zu zahlenden Versorgungsleistungen sein (Rz. 180ff.). Unter gewissen Voraussetzungen handelt es sich dabei einkommensteuerlich um eine unentgeltliche Vermögensübertragung, die sich nach den allgemeinen Regeln vollzieht. Bei Versorgungsleistungen kann der Übernehmer die von ihm gewährten Zahlungen als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG), während der Übergeber die empfangenen Zahlungen versteuern muss (§ 22 Nr. 1a EStG; sog. Korrespondenzprinzip). Hierdurch lässt sich die Steuerlast der Familie aufgrund eines insgesamt günstigen Steuerprogressionsgefälles verringern.
Rz. 202
Die vorweggenommene Erbfolge bietet zudem die Option, mit der Nachfolgegeneration Pflichtteilsverzichte auszuhandeln bzw. Pflichtteilsansprüche zu reduzieren. Das führt zu einer größeren Gestaltungsfreiheit für den zukünftigen Erblasser in Bezug auf die verbliebene Unternehmenssubstanz. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass es in Bezug auf die lebzeitigen Übertragungen nicht mehr zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung oder zu Auslegungsschwierigkeiten kommt.
Rz. 203
Aus steuerlicher Sicht hat die vorweggenommene Erbfolge den Vorteil, dass sich der Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens – anders als im Erbfall – konkret planen lässt, ggf. auch zur Nutzung einer besonders günstigen Rechtslage. Die schenkungsteuerlichen und ertragsteuerlichen Folgen der Übertragung können im Vorfeld mit Blick auf den geplanten Stichtag sorgfältig geprüft bzw. verbindlich mit dem FA – durch Einholung einer (gebührenpflichtigen) verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) abgestimmt werden. Alternativ kann steuerlichen Restrisiken auch durch die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Schenkungsvertrag begegnet werden, z. B. für den Fall der Auslösung einer Schenkungsteuer in bestimmter Höhe. Da das übertragene Vermögen mit seinem Wert am Übertragungsstichtag der Schenkungsteuer unterliegt (§§ 9, 11 ErbStG), kann sich auch der gewählte Stichtag auf die Höhe der Schenkungsteuer auswirken.
Rz. 204 einstweilen frei