Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung durch Duldungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
- Ist die Erfolglosigkeit der Vollstreckung darauf zurückzuführen, dass der Vollstreckungsschuldner pflichtwidrig und gegebenenfalls strafrechtlich relevante Vermögenswerte verheimlicht und beiseite geschafft hat, ist die Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid selbst dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt seinerseits das Vollstreckungsverfahren gegen den Vollstreckungsschuldner nachlässig betrieben hat.
- Der Anfechtungsgegner hat den Wert zu erstatten, den der Gegenstand für den Anfechtungsgläubiger haben würde, wenn er im Schuldnervermögens verblieben wäre. Maßgeblicher Wertfeststellungszeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
- Wertsteigerungen können bei einem unangemessen langen Einspruchsverfahren nur bis zu dem Zeitpunkt berücksichtigt werden, bis zu dem alternativ über den Einspruch hätte entschieden werden können. Als angemessene Frist zum Erlass einer Einspruchsentscheidung ist in Anlehnung an § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO von einem Zeitraum von sechs Monaten ab Einlegung des Einspruchs auszugehen.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1; AnfG § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1987
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Kläger zu Recht im Wege der Gläubigeranfechtung durch Duldungsbescheid gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21.7.1879 i.d.F. der Bekanntmachung vom 20.5.1898, Bundesgesetzblatt (BGBl) III 311-5, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.7.1980, BGBl I S. 836, (AnfG a.F., nachstehend: AnfG) und § 191 Abgabenordnung (AO) auf Ersatz des Wertes eines von der Ehefrau erworbenen und weiterveräußerten Grundstücks in Anspruch nimmt.
Die frühere Ehefrau des Klägers und Vollstreckungsschuldnerin (Vs), von der der Kläger seit Ende 1983 getrennt gelebt hat und am 7.11.1995 geschieden worden ist, war - auch geschäftsführend - an Unternehmen in A beteiligt, die bereits in den 70er Jahren Verluste erwirtschaftet hatten und sich seit 1981 in finanziellen Schwierigkeiten befanden, was dazu führte, daß sich die Vs neben ihrer Schwester in Höhe von 980.000 DM für Verbindlichkeiten der Unternehmen gegenüber der Sparkasse (SK) A verbürgte. Im Herbst 1982 inspizierte der Kläger, der als Rechtsanwalt und Notar tätig gewesen war, zusammen mit der Vs und einem Fachmann in Steuerrechtsfragen die Unternehmen in A, um sich einen Überblick zu verschaffen und die konkurs-, haftungs- und strafrechtlichen Risiken für die Vs abzuschätzen.
Nachdem der Kläger zuvor bereits mit Kaufvertrag nebst Auflassung vom 16.12.1981 von der Vs deren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück B in C (hinzu-) erworben hatte, bot die Vs dem Kläger mit notariellem Angebot vom 21.2.1983 den Kauf des ihr allein gehörenden, mit einem kleinen Einfamilienhaus bebauten Grundstücks B an. Der Kläger nahm das Angebot am 14.12.1984 an. Auflassung und Eigentumsumschreibung erfolgten am 27.6.1986 und am 29.7.1986.
Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung, daß als Kaufpreis für das Grundstück B der vom Ortsgericht zu ermittelnde Verkehrswert zu zahlen sei, hatte das Ortsgericht C auf Veranlassung des Klägers mit Gutachten vom 12.2.1985, auf das verwiesen wird, den Grundstückswert mit 283.000 DM eingeschätzt. Gegenüber dem Kaufpreisanspruch in dieser Höhe erklärte der Kläger die Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Vs, die er zuvor durch Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10.2.1985 von einem Neffen der Vs erworben hatte.
Das Grundstück B war mit Grundschulden von zusammen 200.000 DM zugunsten der W-Bank und der SK A belastet; der Kläger zahlte an diese Institute zur Ablösung der dinglichen Belastungen einschließlich Zinsen und Kosten insgesamt 315.623,77 DM.
Bereits am 4.7.1986 hatte der Kläger beide Grundstücke weiterveräußert und dabei für das Grundstück B einen Kaufpreis von 698.048 DM
erzielt.
Nachdem der Kläger und die Vs als Eheleute zunächst zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, beantragte der Kläger im September 1985 die getrennte Veranlagung rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 1982. Aufgrund entsprechend geänderter Bescheide vom 31.3. und 1.4.1986 hatte die Vs im April/Mai 1986 fällige Einkommensteuerbeträge für 1982 und 1983 von zusammen knapp 400.000 DM zu zahlen. Die Einsprüche der Vs gegen die geänderten Bescheide blieben im wesentlichen erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 28.10.1986).
Bei dem ersten - fruchtlosen - Versuch einer Sachpfändung bei der Vs am 16.10.1986 verneinte die Vs die Frage nach dem Eigentum an Grundstücken. Weiter gab sie an, die Einrichtung (Teppiche, Mobiliar) ihrer Tochter zum Geburtstag geschenkt und den Pkw VW Golf der sie vertretenden Rechtsanwältin wegen deren Honorarforderungen sicherungsübereignet zu haben und ansonsten über keine Vermögenswerte (auch keinen Schmuck) zu verfügen. Ein entsprechendes Schreiben an ihre Tochter vom 29.3....