Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs in einer Behindertenwerkstatt

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wechsel einer in einer Behindertenwerkstatt beschäftigten Zusatzkraft für Schwerstbehinderte vom Berufsbildungsbereich (früher: Arbeitstrainingsbereich) nach § 4 Werkstättenverordnung – WVO – in den Förderbereich stellt eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar.

 

Normenkette

BetrVG § 95 Abs. 3, § 99; Werkstättenverordnung – WVO – § 4; Werkstättenverordnung – WVO – § 5; Werkstättenverordnung – WVO – § 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 01.02.2001; Aktenzeichen 1 BV 71/00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.02.2001 – 1 BV 71/00 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass dem Betriebsrat bei der Versetzung einer Zusatzkraft für Schwerstbehinderte vom Berufsbildungsbereich in den Förderbereich ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Versetzungen.

Der Beteiligte zu 5) unterhält seit vielen Jahren verschiedene Einrichtungen zur Betreuung von Behinderten und gründete die Beteiligten zu 2) bis 4) als gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Beteiligten zu 2) bis 5), die Arbeitgeber, bilden einen gemeinsamen Betrieb, in dem ein siebenköpfiger Betriebsrat, der Antragsteller, gewählt ist.

Bei der Beteiligten zu 2), einer Behindertenwerkstatt, sind ca. 60 Mitarbeiter beschäftigt, die die dort beschäftigten behinderten Menschen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben anleiten und beaufsichtigen.

In der Werkstatt der Beteiligten zu 2) existieren verschiedene Bereiche, in denen die behinderten Mitarbeiter betreut werden.

Im sogenannten Arbeitsbereich nach § 5 der Werkstättenverordnung in der Fassung vom 19.06.2001 – WVO – (früher: SchwbWV) sind die behinderten Mitarbeiter für Kunden der Beteiligten zu 2) tätig und führen dort im Wesentlichen Montage- und Verpackungsarbeiten durch.

Daneben existiert ein sogenannter Berufsbildungsbereich nach § 4 WVO (früher: Arbeitstrainingsbereich gemäß § 4 SchwbWV). In diesem Berufsbildungsbereich werden die behinderten Mitarbeiter für die Tätigkeit im Arbeitsbereich geschult. Die dort beschäftigten behinderten Mitarbeiter kommen von anderen Werkstätten oder aus der Schule des Beteiligten zu 5), sie werden dort getestet und für den Einsatz im Arbeitsbereich geschult; die ersten zwei Jahre dieser Schulung werden vom Arbeitsamt gefördert.

Da sich nach Auffassung der Beteiligten zu 2) in der betrieblichen Praxis und in der Arbeit mit den behinderten Mitarbeitern herausgestellt hat, dass diese von der Werkstättenordnung vorgegebene Struktur für die Bedürfnisse der behinderten Beschäftigten unzureichend ist, weil die behinderten Menschen nicht immer im Arbeitsbereich bzw. im Berufsbildungsbereich (früher: Arbeitstrainingsbereich) tätig sein können, hat die Beteiligte zu 2) einen sogenannten Förderbereich geschaffen, in dem behinderte Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich wechseln, wenn sie aus persönlichen Gründen zu bestimmten Zeiten oder für bestimmte Zeitabschnitte den Anforderungen im Arbeitsbereich nicht gewachsen sind. Gleiches gilt für behinderte Beschäftigte aus dem Berufsbildungsbereich (früher: Arbeitstrainingsbereich), die auch nach Ablauf der zweijährigen Förderung durch das Arbeitsamt nicht sofort in den Arbeitsbereich eingegliedert werden können. Im Förderbereich werden diejenigen behinderten Mitarbeiter eingesetzt, die nach einer gewissen Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit in den Arbeitsbereich bzw. in den Berufsbildungsbereich (früher: Arbeitstrainingsbereich) zurückkehren können.

Schließlich existiert bei der Beteiligten zu 2) ein sogenannter Schwerstbehindertenbereich, in dem Mitarbeiter beschäftigt werden, die voraussichtlich nicht mehr in den Berufsbildungsbereich (früher: Arbeitstrainingsbereich) zurückkehren oder dort überhaupt nicht tätig werden können. Hier werden behinderte Mitarbeiter beschäftigt, die einer ganz besonderen Betreuung und Pflege bedürfen. Dieser Schwerstbehindertenbereich stellt eher einen Aufenthalts- und Therapiebereich dar.

Im Betrieb der Beteiligten zu 2) ist sämtlichen Bereichen vorgesetzt der Werkstattleiter; seit dem 01.10.2000 nimmt diese Position Herr S6xxxxx ein.

Zur Beaufsichtigung und Betreuung der behinderten Mitarbeiter sind in allen Bereichen der Werkstatt Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung nach § 9 WVO (früher: § 9 SchwbWV) eingesetzt. Ferner beschäftigt die Beteiligte zu 2) sogenanntes Zusatzpersonal für Schwerstbehinderte. Die fachliche Weisungsbefugnis für alle Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung liegt beim Werkstattleiter.

Die Dienstplangestaltung für die Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung und für das Zusatzpersonal für Schwerstbehinderte erfolgt einheitlich für die gesamte Werkstatt.

Im sogenannten Arbeitsbereich in der Werkstatt der Beteiligten zu 2)...

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