2) Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Mobbing

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 253 Abs. 2 BGB besteht bei Gesundheitsverletzungen ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, der nicht voraussetzt, dass deliktisches Handeln vorliegt. Da eine einfache Vertragsverletzung ausreicht, erstreckt sich die Haftung auch auf das Fehlverhalten eines Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB, das dieser in Ausübung seiner ihm als Vorgesetztem übertragenen Aufgaben begangen hat.

2. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens bestehen, wenn eine objektiv erheblich ins Gewicht fallende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, subjektiv eine besonders schwere Schuld des Schädigers gegeben ist und die Persönlichkeitssphäre bei Versagen einer Entschädigung ohne Schutz bliebe. Zum Schutz der Individualsphäre, bei der ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegen kann, gehört auch das berufliche Wirken des Betroffenen.

3. Zu den subjektiven Voraussetzungen des Schädigers gehört zumindest, dass dieser damit rechnen musste, dass seine Handlungen geeignet waren, Gesundheitsschäden auszulösen oder eine bestehende Erkrankung zu verschlimmern. Dazu bedarf es entsprechender Darlegungen durch den Geschädigten.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 847

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Urteil vom 14.02.2006; Aktenzeichen 3 Ca 707/05)

 

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 14.02.2006 – 3 Ca 707/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schmerzensgeldansprüche der Klägerin.

Die Klägerin ist seit 1998 als Wachfrau und Telefonistin in der Service- und Notruf-Zentrale der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt in der Rechtsform der OHG eine 24-Stunden Notrufzentrale sowie ein Call-Center, wie sich aus ihrem Briefbogen ergibt.

Ausweislich einer von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 16.03.2005 (Bl. 12 d.A.) befand sie sich vor dem 08.03.2005 in psychotherapeutischer Behandlung und nahm regelmäßig das Beruhigungsmittel Tafil ein. Dieses Mittel – es handelt sich um einen Tranquilizer – kann zu Wirkungen führen, wie sie auch bei alkoholabhängigen Personen auftreten (Zittern, Nervosität etc.). Hierzu hat die Beklagte eine Veröffentlichung zum Thema „Tranquilizer in der Angstbehandlung” zur Akte gereicht (Bl. 19 ff d.A.).

Am 08.03.2005 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Prokuristin S1xxxxxxxx der Beklagten statt, an dem auch die Teamleiterin Frau V1xxx V2xxxxxx teilnahm. Die Prokuristin äußerte gegenüber der Klägerin die Vermutung, sie habe das Gefühl, die Klägerin sei alkoholabhängig. Die Klägerin verneinte dies, erklärte aber, dass sie ein Beruhigungsmittel nehme. Über den sonstigen Inhalt und den Ablauf des Personalgespräches streiten die Parteien.

Mit Schreiben vom 15.03.2005 (Bl. 7 d.A.) forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, die Behauptung zu widerrufen, die Klägerin habe ein Alkoholproblem. Mit Antwortschreiben vom 22.03.2005 (Bl. 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit:

„Sehr geehrter Herr L1xxxxx,

Ihre Mandantin ist seit dem 01.05.1998 (nicht seit 1995) bei der F1xx G1 E1xx C1xx C4xxxxxx Center S1xxxxxxxx OHG beschäftigt und derzeit im sogenannten „Orga”-Team tätig. Dort werden von Ihrer Mandantin telefonische Anfragen rund um bestehende Verträge beantwortet, Daten aktualisiert, Änderungen aufgenommen und neue Vertragsdaten erfasst.

Im vergangenen halben Jahr häuften sich Fehler, die sich in fehlerhaften Datensätzen manifestierten. Welcher Mitarbeiter Daten welchen Inhalts erfasst oder ändert, wird manipulationssicher dokumentiert. Das Verfahren ist TÜV-geprüft und von den Pflegekassen anerkannt. Die Fehler sind Ihrer Mandantin also eindeutig zuzuordnen. Ihre Mandantin hat so nicht nur einen enormen Korrekturbedarf geschaffen, der das Arbeitsvolumen ihrer Kollegen für diese merklich gesteigert hat, es hat zudem Verzögerungen bei der Notrufbearbeitung gegeben, dadurch, dass die von Ihrer Mandantin eingegebenen Notfall-Nummern nicht zutrafen. Daten werden für Notrufe von Kunden benötigt und bezwecken den Schutz von Leben und Gesundheit unserer Kunden. Angesichts der Bedeutung dieser Daten kann ein Arbeitgeber, der von der Fehlerhäufung bei der Dateneingabe durch einen Mitarbeiter Kenntnis erlangt, nicht einfach darüber hinweg sehen.

Bei der Ursachenforschung (ist das Orga-Team ausreichend besetzt, Stress etc.) kam heraus, dass das Team für die Schlechtleistung Ihrer Mandantin nicht Stress oder eine zu niedrige Besetzung des Teams oder Ähnliches vermutete, sondern anhand des Verhaltens und der Fehler (Flüchtigkeitsfehler) Ihrer Mandantin die Möglichkeit einer Abhängigkeit (wie zum Beispiel Alkohol) sah. Den Mitarbeitern war aufgefallen, dass sich dass äußere Erscheinungsbild Ihrer Mandantin in den letzten Wochen stark gewandelt hatte....

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