Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Rechts auf Widerspruch gegen Widerruf der Bestellung als Datenschutzbeauftragter. Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Widerruf als Datenschutzbeauftragter. Wirksamer Widerruf der Bestellung des Datenschutzbeauftragten bei zweijähriger Nichtbeanstandung. Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Das Recht eines Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten geltend zu machen, kann verwirken.
Normenkette
KSchG § 1; BDSG §§ 6, 38; BGB § 242; BDSG § 4; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 05.05.2021; Aktenzeichen 3 Ca 221/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 05.05.2021 - 3 Ca 221/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung.
Der im November 1966 geborene Kläger nahm am 01.08.2007 bei der Universitätsmedizin A-Stadt KöR eine Beschäftigung als Personaldezernent auf. Der Arbeitsvertrag sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 46 Stunden vor. Die Universitätsmedizin A-Stadt ist alleinige Gesellschafterin der Servicezentrum A-Stadt GmbH, die wiederum alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist.
Die Beklagte betreibt einen Rettungsdienst und bietet Krankentransporte sowie verschiedene Nebenleistungen an. Sie beschäftigt regelmäßig etwa 150 Mitarbeiter. Zum 01.11.2009 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 6 Stunden bei einem Bruttoentgelt von € 400,- monatlich. Am 01.01.2015 regelten die Parteien ihre Vertragsbeziehung neu. Laut Änderungsvertrag von diesem Tag gehören zu den Aufgaben des Klägers:
- Beratung der Geschäftsführung zu Fragen der Unternehmensführung und Organisation
- Vorschläge zur Vorgehensweise bei Rechtsstreitigkeiten
- Schulung und Information auf den Sachgebieten allgemeines Personalwesen, Personalcontrolling und Unternehmensmanagement
- Bestellung als Datenschutzbeauftragter.
Der Kläger erbrachte die Tätigkeiten an wechselnden Orten, zum Teil telefonisch, zum Teil in Abteilungsleiterrunden. Die Parteien vereinbarten ein monatliches Bruttoentgelt von € 450,- bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 3 Stunden pro Woche bzw. 13 Stunden im Monat. Fällig ist die Vergütung vertragsgemäß am 10. des Folgemonats.
Bei der Universitätsmedizin A-Stadt ist der Kläger seit dem 17.09.2015 gemäß Änderungsvertrag vom 18.09.2015 im Umfang von 25 % seiner Arbeitszeit als Justiziar sowie als 2. Abfallbeauftragter beschäftigt. Der Änderungsvertrag sieht eine Freistellung zu 75 % der Arbeitszeit für Aufgaben des behördlichen Datenschutzbeauftragten sowie des Konzernbeauftragten für den Datenschutz vor.
Im Jahr 2017 wurde der Kläger in den Gesamtpersonalrat der Universitätsmedizin A-Stadt gewählt. Im selben Jahr erhielt der frühere Kaufmännische Vorstand der Universitätsmedizin A-Stadt, Herr G., eine Einmalzahlung aus der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von € 260.395,91. Die Universitätsmedizin wirft dem Kläger vor, Herrn G. in kollusivem Zusammenwirken rechtswidrig eine Versorgungszusage verschafft zu haben.
Mit den im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 19.02.2018, dem Kläger zugegangen am 24.02.2018, widerriefen 10 Tochtergesellschaften der Universitätsmedizin A-Stadt, u. a. die Beklagte, mit sofortiger Wirkung die Bestellung des Klägers zum Konzern- bzw. Datenschutzbeauftragten. Die Universitätsmedizin A-Stadt selbst widerrief mit Schreiben vom 20.02.2018 die Bestellung des Klägers zum Konzerndatenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung und mit Schreiben vom 27.02.2018, dem Kläger zugegangen am 01.03.2018, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten der Universitätsmedizin, ebenfalls mit sofortiger Wirkung. Am 27.02.2018 führte die Universitätsmedizin A-Stadt mit dem Kläger ein Gespräch, in dem sie ihm jegliche Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter für die Universitätsmedizin und die Tochtergesellschaften untersagte. Die Beklagte widerrief mit Schreiben vom 27.08.2018 vorsorglich erneut die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten. Ebenso erklärten die Universitätsmedizin A-Stadt und weitere Tochtergesellschaften unter demselben Datum nochmals den Widerruf der Bestellung. Seitdem ist Herr Professor U. G. als externer Datenschutzbeauftragter für die Beklagte tätig.
Sämtliche Widerrufe, auch diejenigen der Beklagten, griff der Kläger in einem gegen die Universitätsmedizin A-Stadt eingeleiteten Arbeitsrechtsstreit an (Arbeitsgericht Stralsund, Aktenzeichen 3 Ca 75/18, nachfolgend: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Aktenzeichen 5 Sa 108/19).
Die Universitätsmedizin A-Stadt stellte den Kläger im Anschluss an das Personalgespräch vom 10.09.2018 unwiderruflich von der Arbeit frei und ertei...