Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 71
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG setzt für die persönliche Entlastungsberechtigung an einen vorhandenen Anspruch der zwischengeschalteten Körperschaft auf Entlastung von der KapSt und von Steuerabzug nach § 50a EStG an, der sich auf der Grundlage eines DBA ergibt. Entsprechendes gilt für die unionsrechtlichen und nationalen Entlastungsansprüche gem der Verweisregelungen in §§ 43b Abs 1 S 1 Hs 2, 50g Abs 4 und 44a Abs 9 S 2 EStG.
Für diesen Anspruch ist zu prüfen, ob er den an der Körperschaft beteiligten bzw begünstigten Personen gleichermaßen bei einer hypothetischen direkten Einkunftserzielung ohne Zwischenschaltung der Körperschaft zustünde. Nach der Gesetzesbegründung ist dies so auszulegen, dass der fiktive Entlastungsanspruch der Beteiligten bzw Begünstigten die gleiche Rechtsgrundlage haben muss wie der zugrunde liegende Entlastungsanspruch der Körperschaft (BT-Drs 19/27632, 59). Für eine persönliche Entlastungsberechtigung ist dann erforderlich, dass die beteiligten bzw begünstigten Personen einen hypothetischen Entlastungsanspruch aufgrund der gleichen DBA-Regelung bzw entsprechend jeweils aufgrund der §§ 43b, 50g bzw § 44a Abs 9 EStG innehaben müssen, um die hypothetische persönliche Entlastungsberechtigung nachweisen zu können (Rechtsgrundlagenidentität).
Im Vergleich zur vorigen Rechtslage führt dies zu einer wesentlichen Verschärfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer persönlichen Entlastungsberechtigung. Ist ein Beteiligter bzw Begünstigter nicht im gleichen Land ansässig wie die zwischengeschaltete Körperschaft, kann er einen abkommensrechtlichen Entlastungsanspruch nicht aus dem gleichen DBA ableiten. Entsprechendes gilt für die EU-rechtlichen Entlastungsansprüche nach den §§ 43b und 50g EStG. Sind die hinter der zwischengeschalteten Körperschaft stehenden Personen in einem Drittland außerhalb der EU ansässig, scheidet die persönliche Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG regelmäßig aus. Diese strenge Sichtweise leitet die Gesetzesbegründung aus der EuGH-Rspr zu dänischen Durchleitungsgesellschaften ab (EuGH vom 26.02.2019, C-116 und C117/16, T-Danmark ua, IStR 2019, 266 Rz 107–110) und verweist zur Relativierung auf die Gegenbeweismöglichkeit nach § 50d Abs 3 S 2 EStG.
Unter den Altregelungen des § 50d Abs 3 EStG war es im Gegensatz dazu für die persönliche Entlastungsberechtigung ausreichend, wenn ein vergleichbarer Quellensteuerentlastungsanspruch nach einem anderen DBA oder einer sonstigen Rechtsgrundlage bei der hypothetisch unmittelbaren Einkunftserzielung existierte.
Rn. 72
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Gegen diese restriktive Auslegung wird in der Literatur mit beachtlichen Argumenten geltend gemacht, dass die Forderung eines rechtsgrundidentischen Entlastungsanspruchs vom Wortlaut der Regelung keineswegs zwingend ist und im Hinblick auf die Zielsetzung, missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden, eine überschießende Tendenz hat (zB Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 22 (42. Aufl 2023); Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 209 (03/2022); kritisch auch Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 22 (22. Aufl 2023); Schnitger/Gebhardt, IStR 2 021 289 (291f); Stangl/Greinert/Siebing, Ubg 2021, 447 (453f); Beutel/Oppel, DStR 2021, 1017 (1020)).
Dem ist uE zuzustimmen; entscheidend sollte für die persönliche Entlastungsberechtigung sein, inwieweit die Entlastungsansprüche der Körperschaft mit denjenigen der mittelbar Berechtigten übereinstimmen (Rechtsfolgenidentität – aA Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B21 (11/2023); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 47 (12/2021); Wagner in Brandis/Heuermann, § 50d EStG Rz 73 (11/2022). Es erscheint unverhältnismäßig, tatbestandsmäßig einen Missbrauch im Hinblick auf persönliche Voraussetzungen anzunehmen, wenn der Beteiligte bzw Begünstigte einen gleichwertigen Entlastungsanspruch vorweisen kann, auch wenn dieser aus einer anderen Rechtsgrundlage resultiert. Jedenfalls bei unionsrechtlichen Sachverhalten steht dies nicht in Einklang mit den Vorgaben des EuGH, nach denen eine gesetzlich typisierende Missbrauchvermutung so formuliert sein muss, dass sie für die überwiegende Mehrzahl der Fälle ein stichhaltiges Indiz für einen Missbrauch darstellt (s hierzu Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 210 (03/2022); für eine geltungserhaltende Reduzierung der persönlichen Missbrauchsvermutung im Geltungsbereich des § 43b EStG zB Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B15 (11/2023); kritisch auch Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 55 (12/2021)).
Rn. 73–75
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
vorläufig frei