Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Steuerabzug nach § 50 a EStG bei nachträglich ausgestellter Freistellungsbescheinigung
Leitsatz (redaktionell)
Ist die beschränkte Steuerpflicht zweifelhaft, muss der Vergütungsgläubiger seine Einwendungen gegen ihr Vorliegen und gegen die Höhe der Steuer i.R. eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahren geltend machen.
Die Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung und die Erstattung der abgeführten Beträge kann im Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG nur erreicht werden, wenn eine Freistellungsbescheinigung nicht (rechtzeitig) vorliegt.
Die Freistellungsbescheinigung wirkt nicht als rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO.
Normenkette
EStG § 50a; AO § 175 Abs. 2 S. 2
Streitjahr(e)
1991
Tatbestand
Streitig ist, ob aufgrund der nachträglichen Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Änderung der Festsetzung des Steuerabzugs gemäß § 50 a EStG möglich ist.
Die Klägerin zu 2.) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach österreichischem Recht ein Unternehmen, dessen Geschäftszweig nach dem Inhalt des Firmenbuchs der Republik Österreich die Veranstaltung von Konzerten ist. Die Gesellschaft ist im Firmenbuch mit Sitz in Salzburg seit dem xx.xx 19xx eingetragen, ursprünglich unter der Firma A. Gesellschaft m. b. H.. Die Klägerin zu 2.) verpflichtet als Konzertdirektion Künstler und Künstlergruppen und stellt diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte u.a. in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Eine Betriebsstätte in Deutschland unterhielt sie im Streitjahr nicht.
Nach dem Inhalt der Freistellungsbescheinigung überließ die Klägerin zu 2.) der Veranstalterin, der Klägerin zu 1.), am xx.xx 1991 Künstler bzw. eine Künstlergruppe für eine Darbietung des „S” im Theater am X in Y für ein festes Honorar. Die Klägerin zu 1.) reichte eine Anmeldung über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige im Sinne des § 50 a Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 73 e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für das erste Kalendervierteljahr 1991 beim Beklagten ein, meldete einen Steuerabzug in Höhe von xx DM (bzw. xxx €) an und führte diesen Betrag entsprechend an den Beklagten ab.
Der Prozessbevollmächtigte übersandte mit Schreiben vom xx.xx 2011 für die Klägerin zu 1.) eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50 d Abs. 2 Satz 1 EStG des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) vom xx.xx 2011 für die „B GmbH”, nach deren Inhalt für Vergütungen im Zeitraum vom xx.xx 1991 bis xx.xx 1992 die Klägerin zu 1.) berechtigt wird, den Steuerabzug nach § 50 a Abs. 1 EStG gemäß dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA AUT) zu unterlassen. Die Erteilung der Freistellungsbescheinigung hatte die Klägerin zu 2.) in einem Verfahren vor dem Finanzgericht Köln (Aktenzeichen xy) erstritten. Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Antrag der Klägerin zu 2.) auf Erstattung bzw. Freistellung vom Steuerabzug beim seinerzeit zuständigen Bundesamt für Finanzen (BfF) am xx.xx 1997 gewesen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht Köln weist das dortige Gericht auf die Möglichkeit der Änderung des Steuerabzugs nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) hin.
Die Klägerin zu 1.) beantragte beim Beklagten unter Hinweis auf die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Erstattung des Betrages von xxx € und übersandte mit Schreiben vom xx.xx 2011 eine geänderte Freistellungsbescheinigung des BZSt gemäß § 50 d Abs. 2 Satz 1 EStG vom xx.xx 2011, in der die Klägerin zu 2.) benannt wird. Ergänzend trug die Klägerin zu 1.) vor, die Bescheinigung sei aufgrund des Firmenwechsels der Klägerin zu 2.) berichtigt worden. Ebenfalls übersandte der Prozessbevollmächtige die ihn legitimierende Vollmacht für die Klägerin zu 1.), die diese erteilt hatte, nachdem der Prozessbevollmächtigte ihr versichert hatte, dass für sie keine Kosten entstehen würden, diese vielmehr von der Klägerin zu 2.) getragen würden.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin zu 1.) mit Bescheid vom xx.xx 2012 gegenüber der Klägerin zu 1.) ab. Die Steuerabzugsbeträge könnten nicht erstattet werden, eine Änderung der durch die Steueranmeldung erfolgten Steuerfestsetzung sei nicht möglich.
Gegen diesen ablehnenden Bescheid legte die Klägerin zu 1.) form- und fristgerecht Einspruch ein mit der Begründung, die durch die Steueranmeldung erfolgten Steuerfestsetzung sei aufzuheben. Die Regelung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO sei aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 30. Juni 2011 (C - 262/09, BFH/NV 2011, 1467 „Meilicke II”) als nicht gemeinschaftsrechtskonform einzustufen und im Streitfall nicht anwendbar.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies ...