Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für neu begründete Masseverbindlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Insolvenzverwalter haftet nach § 61 InsO nicht auf das Erfüllungsinteresse. Vielmehr hat er den Gläubiger nur so zu stellen, wie dieser ohne Eingehung des Schuldverhältnisses mit dem Verwalter gestanden hätte.
Wird ausgefallener Mietzins für Gewerberäume geltend gemacht, muss also dargelegt und ggf. bewiesen werden, dass eine anderweitige Vermietungsmöglichkeit bestanden hätte (Anschluss an BGH, Urt. v. 6.5.2004 - IX ZR 48/03, BGHReport 2004, 1120).
2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Mietverhältnis fortgesetzt worden ist und hierdurch Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 61 InsO entstanden sind, trägt der Gläubiger.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 28.11.2003; Aktenzeichen 13 O 120/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.11.2003 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 22.433,88 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche nach § 61 InsO geltend, weil dieser das Mietverhältnis über die Geschäftsräume der Schuldnerin nicht gekündigt hat und sie, die Klägerin, infolge Masseunzulänglichkeit mit den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallenen Mieten teilweise ausgefallen ist.
Unstreitig hatte die Klägerin wegen Zahlungsverzuges das Mietverhältnis selbst gekündigt. Sie vertritt jedoch die Auffassung, diese fristlose Kündigung sei unwirksam gewesen, weil durch eine teilweise Zahlung des Mietzinses aufgrund einer direkten Leistung an sie durch den Untermieter R. die Rückstände (vgl. Bl. 224 d.A.) nicht ausgereicht hätten, um den gesetzlichen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Ziff. 3a BGB zu erfüllen.
Selbst wenn man von einer wirksamen Kündigung ausgehe, sei das Mietverhältnis tatsächlich nicht beendet, sondern zumindest stillschweigend fortgesetzt worden. So habe der Beklagte das in den Mieträumen abgestellte Mobiliar der Schuldnerin dort belassen, anstatt die Etage zu räumen und an sie, die Klägerin, herauszugeben. Auch habe sie den Untermieter R. in den Räumen belassen. Dieses Untermietverhältnis setze aber denknotwendig das Fortbestehen des Hauptmietverhältnisses zwischen ihr, der Klägerin, und der Schuldnerin bzw. dem Beklagten als Insolvenzverwalter voraus.
Die Klägerin ist der Auffassung, nach § 61 InsO werde auf das positive Interesse gehaftet, d.h. der Beklagte sei unter Berücksichtigung der Masseunzulänglichkeit nach Maßgabe von § 61 InsO verpflichtet, die in dem fraglichen Zeitraum aufgelaufenen Mietschulden abzgl. der vom Untermieter R. geleisteten Teilbeträge zu zahlen.
Das LG hat der ursprünglich über 27.712,44 Euro erhobenen Klage stattgegeben, soweit diese über einen Teilbetrag von 22.433,88 DM aufrechterhalten worden ist. Hinsichtlich des Restbetrages von 3.958,92 Euro (Miete Juni bis Dezember 2001) hat die Klägerin, wenn auch ohne Zustimmung des Beklagten, die Klage zurückgenommen.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen sowie der Gründe der Verurteilung wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen (Bl. 159 ff. d.A.).
Gegen dieses wendet sich der beklagte Konkursverwalter mit seiner Berufung. Er führt aus, dass eine Haftung hinsichtlich der in dem ausgeurteilten Betrag enthaltenen Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 8.691,93 Euro ohnehin nicht in Betracht komme. Denn mehr als ein Jahr nach Ablauf der Abrechnungsperiode sei nach der mietrechtlichen Rechtsprechung ein Anspruch auf rückständige Vorauszahlungen nicht mehr gegeben. Vielmehr könne die Klägerin rückständige Betriebskosten nur auf der Grundlage einer konkreten Jahresabrechnung beanspruchen.
Darüber hinaus sei eine Haftung aber bereits dem Grunde nach zu verneinen, weil die von der Klägerin selbst erklärte fristlose Kündigung sehr wohl wirksam gewesen sei. Denn wegen der in vollem Umfang rückständigen Miete für Mai 2000 sowie des zur Hälfte rückständigen Betrages für Juni 2000 seien die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB erfüllt gewesen.
Weiterhin vertritt der Beklagte die Auffassung, nur auf das negative Interesse zu haften. Er sei, wenn eine Haftung dem Grunde nach bestünde, lediglich verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn er, der Beklagte, das Mietverhältnis gekündigt hätte. In diesem Fall wäre der Klägerin aber nur dann ein Schaden entstanden, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, die Gewerberäume anderweitig zu vermieten, was die Klägerin nicht vorgetragen hat.
Von der Möglichkeit einer anderweitigen Vermietung könne auch nicht ausgegangen werde...