Rz. 7
Am 12.1.2024 wurde publik, dass das Bundesverfassungsgericht bereits am 28.11.2023 und damit vor der Umverpackung des Gesetzentwurfs in das KrZwMG (s. Rz. 4) einen dicken Brocken von der Seite in den "stetigen Fluss" des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts geworfen hatte. Ob dies den Initiatoren des § 2a ErbStG in der Steuerabteilung des BMF bekannt war oder nicht, mag hier offenbleiben; vielleicht handelten sie noch bewusst fahrlässig oder schon bedingt vorsätzlich. Jedenfalls betraf das seit mehr als zehn Jahren anhängige konkrete Normenkontrollverfahren (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) zwar die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Nr. 3 EStG, aber einen Sachverhalt, der nun auch von § 2a Sätze 2 und 3 ErbStG erfasst wird: Die (teil-)unentgeltliche Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften (s. Rz. 109 ff.).
Rz. 8
Der Entscheidungstenor des BVerfG-Beschlusses lautet:
- § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG... ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist.
- Der Gesetzgeber ist verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 eine Neuregelung zu treffen.
- § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG... bleibt bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift mit Wirkung für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 auch gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird.
Die Entscheidung des BVerfG hat Gesetzeskraft (§§ 13 Nr. 11, 31 Abs. 2 Sätze 1 u. 3 BVerfGG). Man kann nun damit rechnen, dass sämtliche mit Rücksicht auf dieses Verfahren ertragsteuerlich offengehaltenen Fälle alsbald abschließend bearbeitet werden. Spätestens dann besteht für die Veranlagungsstellen Anlass, die zuständigen Schenkungsteuerstellen per Kontrollmitteilungen über die jeweiligen Sachverhalte zu informieren (s. auch Rz. 11, 43, 96, 119 ff., 128 sowie § 34 ErbStG Rz. 17 f.).
Rz. 9
Anders als in seinen das damalige ErbStG betreffenden Beschlüssen v. 7.11.2006 und v. 17.12.2014 setzt das BVerfG dem Gesetzgeber aber keine ausdrückliche Frist für die ihm auferlegte Neuregelung. Lediglich im letzten Absatz der Entscheidungsbegründung wird ein unverzügliches Tätigwerden gefordert. Faktisch gilt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der tenorierten Fassung bis auf Weiteres. Ohne Zeitdruck kann daher darüber beraten werden, wie die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Gesellschaftern und ihren Personengesellschaften, zwischen beteiligungsidentischen und auch Gesellschaften mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen ertragsteuerlich zu behandeln ist.
Allerdings: Die gesetzliche Rechtslage hat sich seit 1.1.2024 geändert. Nunmehr ist zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Personengesellschaften zu unterscheiden (s. Rz. 1). Gesamthandsvermögen existiert gesellschaftsrechtlich nicht mehr (s. Rz. 2). Ertrag- und erbschaft-/schenkungsteuerlich sowie, befristet, für Zwecke der Grunderwerbsteuer sollen rechtsfähige Personengesellschaften jedoch als Gesamthand und ihr Vermögen als Gesamthandsvermögen behandelt werden (s. Rz. 18). Das BVerfG hat dies, obwohl ihm das MoPeG bekannt war, in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Klärungsbedürftig mag daher sein, ob ihre Wirkung auf Sachverhalte beschränkt ist, die sich vor dem 1.1.2024 ereigneten, ebenso aber auch, ob und inwieweit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG überhaupt noch auf einschlägige Übertragungen an, von und zwischen rechtsfähigen Personengesellschaften anwendbar bleibt, die nach dem 31.12.2023 vollzogen wurden/werden. Beachten Sie: Immerhin wird dadurch die ertragsteuerneutrale Behandlung solcher Vorgänge ermöglicht, für die § 2a Sätze 2 und 3 ErbStG die persönliche Schenkungsteuerpflicht der beteiligten Gesellschafter anordnet (zur Problematik einer Doppelbesteuerung s. § 7 ErbStG Rz. 72 ff.).
Auch § 2a ErbStG, klandestin und unter erheblichem Zeitdruck zustande gekommen, sollte daher im Gesamtkomplex der nun anstehenden Neuregelung Gegenstand ausführlicher Erörterungen werden, bestand doch hierzu bislang keine Gelegenheit. Vielleicht erhellt sich dann, weshalb man wirklich rechtsfähige Personengesellschaften nicht als Steuerschuldner i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG behandeln will; insoweit schweigen leider die veröffentlichten Gesetzesmaterialien (s. Rz. 4, 47, 86). Eine einfachere Lösung wäre sicherlich vorstellbar (s. Rz. 144).
Rz. 10
Einstweilen frei.