Widerspruch gegen die Übertragung des BEA-Freibetrags
Dies ist dann der Fall, wenn der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Es stellt sich die Frage, wie das Merkmal der regelmäßigen Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang zu verstehen ist.
Auffassung der Finanzverwaltung zum "nicht unwesentlichen Umfang"
Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung (BMF, Schreiben v. 28.6.2013, Haufe Index 4750482), dass als Kinderbetreuungskosten nicht nur die Aufwendungen für Dienstleistungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG gelten, sondern alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung des Kindes bis zur Volljährigkeit. Hierzu zählten z. B. Aufwendungen für die regelmäßige Unterbringung an Wochenenden.
Maßgebend für eine regelmäßige Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang sei ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind, der erkennen lässt, dass der der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnimmt, d. h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum Kind steht. Bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt, beispielsweise zum Geburtstag, zu Weih-nachten und zu Ostern, läge eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung eines Kindes sei typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in der Ferien vorgelegt wird.
Beispiel: Betreuung jedes 2. Wochenende
Die seit 2016 getrennt lebenden Eltern A und B sind Eltern des Sohnes X, welche 12 Jahre alt ist und bei Mutter B lebt und gemeldet ist. Zwischen A und B besteht eine Vereinbarung, dass A den gemeinsamen Sohn an jedem zweiten Wochenende für 2 volle Tagen betreut (in 2017 52 Tage). Da X aber bei B gemeldet ist, stellte B in der Steuererklärung 2017 den Antrag, auf Gewährung des vollen Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehung- oder Ausbildungsbedarf. A will der Übertragung widersprechen.
Literaturmeinung: Nicht unwesentlicher Umfang liegt bei 25 %
Nach einer Literaturmeinung (Loschelder, in: Schmidt, EStG, 34. Aufl., 2015, § 32, Rz. 92) ist eine regelmäßige Betreuung in nicht unwesentlichem Umfang bei 25 % oder durchschnittlich 2 von 7 Tagen in der Woche anzunehmen. Diese Auffassung würde hier dazu führen, dass einer Übertragung nicht widersprochen werden kann, weil A seinen Sohn lediglich an 52 Tagen betreut hat (14,24 %).
FG Rheinland-Pfalz lehnt die 25 %-Grenze ab
Das FG Rheinland-Pfalz sieht dies anders (Urteil v. 04.12.2015, 4 K 1624/15, Haufe Index 8905764). Es genüge, wenn die Leistungen des widersprechenden Elternteils die Schwelle der Unwesentlichkeit überschreiten. In Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung geht das FG davon aus, dass eine Betreuung in nicht unwesentlichem Umfang typischerweise bei einem regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in der Ferien vorliegt. Der andere Elternteil müsse sich um das Kind in einem solchen Umfang kümmern, dem in Bezug auf die Kindesentwicklung eine Bedeutung zukommt bzw. zukommen kann. Daher ist nach Auffassung des FG eine vereinbarte Betreuung an jedem zweiten Wochenende sowie während der Hälfte der Ferienzeit ausreichend, weil die Betreuung somit in der erforderlichen Regelmäßigkeit und nicht nur in unwesentlichem Umfang erfolgt.
BFH hat keine Bedenken ab 10 %
Der BFH hat im anschließenden Revisionsverfahren nun klargestellt (Urteil v. 08.11.2017, III R 2/16, Haufe Index 11549447), dass das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden kann, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält. Da die Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls erfordere, hat der BFH aus Gründen der Vereinfachung grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich 10 % im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem "nicht unwesentlichen Umfang" als erfüllt anzusehen. Weitere Indizien könnten in diesem Fall regelmäßig vernachlässigt werden.
Die 25 %-Grenze des Schrifttums lehnt der BFH somit ab, weil das Gesetz lediglich fordere, dass das Kind regelmäßig in einem "nicht unwesentlichen" Umfang betreut wird. Da A hier X an 52 Tagen betreut hat, ist die 10-Grenze überschritten, sodass er der Übertragung widersprechen kann.
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