Bewerbungsgespäche per Video sind auf absehbare Zeit neue Recruiting-Normalität. Wie Sie die eigene Steuerkanzlei beim Video-Recruiting ins beste Licht rücken und warum Sie die Methode auch nach der Krise nutzen sollten, verraten wir Ihnen in diesem Artikel.
Video-Recruiting: Worauf Steuerkanzleien sich einstellen sollten
So viel steht fest: Das Recruiting über und mithilfe von elektronischen Medien ist in Pandemiezeiten unverzichtbar. Eine besondere Form des digitalen Recruitings, die dazu dient, Vorstellungsgespräche virtuell und auf Abstand zu führen, ist das Video-Recruiting. Was in Zeiten von Corona eine sinnvolle Alternative darstellt, liegt nicht nur im Trend, sondern bietet außerdem überzeugende Vorteile.
Video-Recruiting bietet überzeugende Vorteile, auch über die Pandemie hinaus.
Angefangen bei der Zeitersparnis im Bewerbungsprozess bis zu geringen Recruitingkosten: Video-Recruiting ist eine sinnvolle Maßnahme, um im Wettstreit um die besten Fachkräfte die Nase vorn zu haben. In jedem Fall vermittelt das Recruiting per Video einen ersten Eindruck der Bewerber*innen. Diese sind bestenfalls sogar weniger aufgeregt und damit authentischer als beim Live-Bewerbungsgespräch. Allerdings: Auch beim Video-Recruiting ist Vorbereitung notwendig – von der Auswahl eines geeigneten Videocall-Tools über den Technik-Check bis zur generellen Ablaufplanung.
Welches Videocall-System ist das richtige?
Die Anzahl von Video-Recruiting-Software nimmt auf dem Markt rasant zu. Von einfachen Systemen bis zu hochkomplexen Lösungen ist die Auswahl vielfältig. Ob ein Videocall-System zu Ihnen und Ihrer Kanzlei passt, hängt jedoch stark von den konkreten Anforderungen und Zielstellungen ab. Die gängigsten Systeme im Überblick:
- Microsoft Teams: Das Tool aus dem Hause Microsoft ist Datenaustausch-, Datenbearbeitungs-, Chat- und Videokonferenz-Software in einem. Während die Browser-basierte Basisversion gratis ist, fallen für die Bezahlvariante geringe bis mittlere monatliche Kosten an – je nachdem, welche Features hinzugebucht werden. In der Nulltarif-Software ist die Funktionalität entsprechend eingeschränkt. Dies gilt auch in Coronazeiten.
Für das Video-Recruiting ist das Tool von Vorteil, da externe Gäste bzw. Bewerber*innen über einen Link eingeladen werden können und nicht selbst über die Software verfügen müssen. Teams ist in Kombination mit Webcam und mit Videokonferenzsystem-Hardware einsetzbar. Bis zu 100 Personen können gleichzeitig an einer Besprechung in der kostenlosen Version teilnehmen. Advanced-Funktionen wie die Gesprächsaufzeichnung oder die telefonische Einwahlmöglichkeit bietet jedoch nur die Bezahllösung.
- Zoom: Bei Zoom handelt es sich um ein Tool, das insbesondere für Videokonferenzen, Besprechungen und Meetings geschaffen wurde. So sind Bildschirmfreigaben möglich, was beispielsweise für Live-Test-Cases im Bewerbungsgespräch hilfreich ist. In der Basisversion ist Zoom kostenlos nutzbar. Wer sie einsetzt, muss allerdings ein Zeitlimit in Kauf nehmen. Gruppenanrufe sind demnach auf 40 Minuten begrenzt. Im Gegensatz dazu ist die Teilnehmerzahl mit 100 Personen pro Besprechung in der Gratisversion großzügig bemessen.
Wie auch bei Teams ist das Aufzeichnen von Gesprächen nur in der Pro-Version möglich. Datenchutzrechtlich ist das Tool außerdem umstritten. Es bietet im Vergleich zur Konkurrenz allerdings eine intuitiv bedienbare Benutzeroberfläche und steht für qualitativ hochwertige Übertragungen, was bei sensiblen Gesprächsinhalten nicht ganz unwichtig ist. Weiterer Pluspunkt: Der Bildschirmhintergrund ist individuell anpassbar.
- Skype: Die weithin bekannte Softwarelösung Skype ist in erster Linie ein Kommunikationstool und somit auch fürs Video-Recruiting geeignet. Es bietet sowohl Chat- als auch Videofunktion, ist gratis verfügbar und einfach zu bedienen. Ohne Zeitlimit können bis zu 50 Personen gleichzeitig eine virtuelle Besprechung besuchen. Die Teilnahme von Außenstehenden ist über einen Link möglich. Da die Einladung über Microsoft erfolgt, ist ein entsprechender Account beim Anbieter Voraussetzung.
Besprechungen können mit Skype grundsätzlich aufgezeichnet werden. Ebenso ist das Teilen des Bildschirms möglich und die Webversion sogar frei zugänglich. Allerdings handelt es sich bei dem Tool um ein Auslaufmodell, das bereits einen starken Nachfolger hat: Microsoft Teams. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Weiterentwicklung des Tools gering. Der wohl größte Nachteil ist allerdings, dass die Software nur in Kombination mit Webcams genutzt werden kann und die Übertragungsraten gut bis mittelmäßig sind.
- Google Hangouts: Mit der Videokonferenz-Software von Google sind vielfältige Funktionen verknüpft. So ist neben Videotelefonie und Chat mit bis zu 25 Personen gleichzeitig auch das Teilen des Bildschirms und die Aufzeichnung des Gesprächs bereits in der Gratisversion möglich. Diese ist für den beruflichen Einsatz jedoch wenig empfehlenswert, da sie nur mit einer gmail-Adresse und nicht mit der offiziellen Kanzlei-E-Mailadresse verknüpft werden kann.
Wer Google Hangout als Software für Video-Bewerbungsgespräche nutzen möchte, sollte daher über ein kostenpflichtiges G-Suite-Abo verfügen. Dieses bietet nicht nur die Möglichkeit, professionelle Firmen-E-Mail-Adressen einzurichten, sondern liefert das gesamte Google-Softwarepaket zur Nutzung direkt mit – angefangen beim Google Calendar über Google Tabellen bis zum Textverarbeitungsprogramm Google Docs. Die Bezahlversion offeriert außerdem die Einwahl per Telefon und überzeugt mit sehr guten Übertragungsraten. Die Einladung von Externen ist mit dem Video-Recruiting-Tool unkompliziert per Link möglich.
Was für eine technische Ausstattung ist für Video-Interviews notwendig?
Damit Videocalls reibungslos ablaufen können, ist die richtige technische Ausstattung wichtig. Neben einer Grundausstattung bestehend aus Laptop, Kamera und Mikrofon, können je nach Situation auch Kopfhörer oder Headset notwendig sein, beispielsweise dann, wenn Hintergrundgeräusche eingedämmt werden sollen. Ist eine Videokonferenzsystem-Hardware in einem Besprechungsraum installiert, können Personalverantwortliche und Kanzleimitarbeiter*innen gemeinsam über eine einzige Einwahl mit den Bewerber:innen kommunizieren.
Es klingt banal, aber ausreichende Bandbreite ist für Video-Recruiting erfolgsentscheidend. Vor allem, wenn mehr als zwei Leute an dem Gespräch teilnehmen.
Allerdings: Es mag banal klingen, aber ohne eine stabile Internetverbindung kann auch die beste technische Ausstattung nicht zum Erfolg führen. Ein Internetanschluss ab 50 DSL ist daher absolutes Minimun. Abhängig davon, wie viele Personen den Anschluss gleichzeitig nutzen, und ob Sie von zuhause oder von der Kanzlei aus das Video-Recruiting durchführen, kann auch ein Anschluss mit höheren Übertragungsraten notwendig sein.
Wie sieht das richtige Set-up für virtuelle Vorstellungsgespräche aus?
Aktenberge oder benutzte Kaffeetassen beim Videocall? Bitte nicht! Wer einen seriösen Eindruck bei Bewerber:innen hinterlassen möchte, sorgt dafür, dass der sichtbare Bereich aufgeräumt und neutral aussieht. In den meisten Tools können Sie Hintergründe auch personalisieren und beispielsweise Ihr Firmenlogo einfügen. Wichtig ist, dass der digitale Hintergrund beim Video-Recruiting zu Ihrer Kanzlei passt und nicht zu steril wirkt.
Geht es um die Frage nach geeigneten Orten, ist entscheidend, wie viele Personen über räumliche Videokonferenzsysteme, beispielsweise in einem Konferenzraum, teilnehmen. Ist allein der:die Kanzleiinhaber:in anwesend? Sollen weitere Personen aus dem Homeoffice teilnehmen? Bei einem Zwei-Personen-Call kann beispielsweise auch der eigene Schreibstisch ein geeignetes Setting darstellen. Wichtig ist in jedem Fall, dass eine gute Lichtquelle für ausreichend Beleuchtung sorgt und genügend Platz für Laptop und Unterlagen vorhanden ist.
Gebrauchsanweisung für erfolgreiche Bewerbungsgespräche per Video
Bevor es mit dem eigentlichen Gespräch losgeht, stehen zunächst folgende Aufgaben auf der To-do-Liste:
- Zielstellung festlegen: Welche konkreten Ziele möchten Sie erreichen? Dient das Gespräch dazu, einen ersten Eindruck zu erhalten oder ist das Video-Recruiting als komplettes Bewerbungsgespräch samt Test-Cases gedacht?
- Ablaufplanung: Vom Gesprächseinstieg bis zur Verabschiedung – wie beim klassischen Live-Vorstellungsgespräch ist eine gute Vorbereitung wichtig. So können Sie als moderne Steuerkanzlei qualifizierte Kandidat:innen beim Video-Interview mit Ihrer Professionalität überzeugen und Talente besser vergleichen.
- Technikauswahl: Je nach Setting kann unterschiedliche Video-Recruiting-Software oder -Hardware die beste Wahl sein. Grundsätzlich ist es wichtig, dass Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen die Technik ohne viel Aufwand einsetzen können.
- Vorlagen für Bewerber:innen: Wie wird das Video-Recruiting ablaufen? Wie wähle ich mich in den Call ein? Bewerber:innen haben viele Fragen. Erstellen Sie standardisierte Vorlagen, die Sie im Vorfeld zuschicken. Dies ist auch in Form eines Recruiting-Videos möglich, das Sie auf Ihrer Website anbieten.
- Rollenverteilung: Kaum etwas wirkt unprofessioneller, als wenn Mitarbeiter:innen eines Unternehmens beim Bewerbungsgespräch nicht gut miteinander harmonieren. Wirken Sie einem solchen Eindruck entgegen und legen Sie vorab fest, wer welche Rolle beim Video-Recruiting übernimmt.
- Störungen vermeiden: Die Zeit im virtuellen Vorstellungsgespräch ist allein für den:die Bewerber:in bestimmt. Personen, die durchs Bild laufen oder ein klingelndes Smartphone sind absolut konktraproduktiv. Organisieren Sie daher einen Ort, z. B. einen seperaten Meetingraum, an dem Sie ungestört sprechen können.
- Notizzettel bereitlegen: Tippen, während andere sprechen, wirkt nicht nur unfreundlich und unseriös, sondern im schlimmsten Fall auch desinteressiert. Und dies ist letztlich keine Aussage, die man fachlich versierten Bewerber:innen vermitteln möchte.
- Dresscode: Wer beim Video-Recruiting ebenso seriös und kompetent wirken möchte, wie im analogen Bewerbungsgespräch, hält sich an den klassischen Businessdress. Freizeitkleidung ist trotz Homeoffice und neuer Normalität nicht empfehlenswert.
- Testlauf: Ist die Ton- und Videoqualität akzeptabel, der Akku ausreichend geladen und der Anschluss ans Netz jederzeit möglich? Ist die Kamera auf der richtigen Höhe eingerichtet? Sind Testcases digital abrufbar? Führen Sie in jedem Fall einen Testlauf durch. Auch ein zweiter Bildschirm kann sinnvoll sein, wenn Sie die Bewerbungsunterlagen digital vor Augen haben und nicht umständlich switchen möchten.
- Datenschutz: Möchten Sie das Gespräch aufzeichnen, ist dies in jedem Fall nur mit Einwilligung der Bewerber:innen gestattet. Diese erfragen Sie bestenfalls schriftlich und im Vorfeld des Calls. Doch auch mit Zustimmung ist nicht in jedem Bundesland die Aufzeichnung der Gespräche erlaubt. Prüfen Sie daher vorab die aktuellen Datenschutzbestimmungen Ihres Bundeslandes.
Video-Bewerbungsgespräche: Auf alle Eventualitäten vorbereiten
Wenn Sie all diese Dinge erledigt haben, bleibt nur noch das eigentliche Vorstellungsgespräch per Video. Kalkulieren Sie in jedem Fall ein, dass es beim Video-Recruiting auch mal zu einer verzögerten Übertragung kommen kann. Eine langsame, deutliche und bewusste Sprechweise sind daher ebenso angebracht wie der Augenkontakt. Achten Sie außerdem auf die Körpersprache Ihres Gegenübers. Sie verrät bereits einiges über Charakter und Arbeitseinstellung.