Wettstreit um Fachkräfte: Vorsprung durch Employer Branding

Christian Böke, Kanzleiinhaber und Vizepräsident des Deutschen Steuerberaterverbands, gibt Einblicke in erfolgreiche Strategien zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Er verrät, welche Maßnahmen seine Kanzlei zum Magneten für Talente machen und wie Branchenverbände gezielt Unterstützung im dynamischen Feld des Employer Brandings bieten.

Dauerhafte Rekrutierung – Strategie für einen Talentpool

Herr Böke, laut Ihrer Kanzleihomepage versuchen Sie gerade, fünf verschiedene Stellen in Ihrer Kanzlei zu besetzen. Wird Ihnen das gelingen?

Eigentlich haben wir im Moment keine offenen Stellen. Wir setzen den Recruiting-Prozess aber nie aus. Wenn man ständig rekrutiert, hat man immer einen Pool an Bewerbern parat – falls durch Wachstum oder Mitarbeiterwechsel neuer Bedarf entsteht.

Könnte das nicht bei den Bewerbern zu Frustration führen, weil sie möglicherweise das Gefühl haben, nur vertröstet zu werden?

Nein, das ist nicht der Fall. Wir legen großen Wert auf Schnelligkeit und Transparenz. Interessante Kandidaten bekommen sehr zügig von unserer Personalreferentin einen Gesprächstermin, und innerhalb von einer Woche treffen wir eine Entscheidung. Wenn uns ein Bewerber überzeugt, stellen wir die Person unabhängig von unserem aktuellen Stellenbedarf ein. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich der Stellenbedarf schnell ergibt. Aber weil wir eben stetig nach neuen Kolleginnen und Kollegen suchen, müssen wir nicht um jeden Preis einstellen.

Bekommen Sie denn ausreichend Bewerbungen, um eine gute Auswahl zu haben?

Ja, es kommen genügend Bewerbungen bei uns an.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, damit die Leute auf Ihre Kanzlei aufmerksam werden?

Wir werben für uns auf unserer Webseite und wir nutzen Social-Media-Kanäle wie Instagram, Facebook und LinkedIn. Dazu kommen Kooperationen mit Bildungseinrichtungen, insbesondere Hochschulen. Außerdem sind wir auf Berufsstartmessen präsent. Wir produzieren Videos für unsere Webseite und Social Media, um unsere Sichtbarkeit zu erhöhen und wir versuchen, immer einen Schritt voraus zu sein und uns klar vom Wettbewerb abzuheben.

Christian Böke

Wie genau kooperieren Sie mit Bildungseinrichtungen?

Wir beschäftigen duale Studenten und bieten Praktikumsplätze für Schüler und Studenten aus der Region an. Dabei halten wir einen aktiven Dialog mit den Institutionen. Wir sprechen direkt mit den Professoren und Entscheidungsträgern, geben Feedback zu ihren Programmen und sind so ständig präsent.

Über welche Kanäle erhalten Sie die meisten Bewerbungen?

Die meisten Bewerbungen erhalten wir über unsere Webseite und LinkedIn. Auf LinkedIn sind wir mit einer Kanzleiseite vertreten mit meinem eigenen Profil.

Benefits und Wohlfühlfaktoren – Mehr als nur ein Obstkorb

Auf Ihrer Homepage werben Sie für die Arbeit in Ihrer Kanzlei mit diversen Zusatzleistungen wie beispielsweise der klassische Obstkorb, der mittlerweile schon wieder etwas belächelt wird. Welche Bedeutung messen Sie diesen Benefits bei?

Der Obstkorb mag vielleicht belächelt werden, aber unsere Mitarbeiter schätzen ihn sehr. Es ist eine kleine Geste, aber sie zeigt, dass wir uns um ihre Gesundheit und ihr Wohl kümmern. Aber wir haben noch mehr Benefits, darunter auch eher ungewöhnliche, wie etwa Kitaplätze oder das Eltern-Kind-Büro.

Werden diese Angebote genutzt?

Ja. Das Eltern-Kind-Büro haben wir mit allem Drum und Dran eingerichtet: Wickelplatz, Spielzeug, eine gemütliche Ecke. Eine gerade wiedereingestiegene Mitarbeiterin brachte zum Beispiel ihr Kind mit, weil es ihm nicht gut genug ging, um in die Kita zu gehen. So konnte sie trotzdem ein paar Stunden arbeiten. Oft ist es für Eltern nicht leicht, der Doppelrolle gerecht zu werden, und sie wollen arbeiten und ihre Termine einhalten. Da ist so ein Angebot gerne gesehen.

Sie werben auch mit Arbeitszeitkonten und einem Überstundenausgleich. Lange galt die Steuerberaterbranche als eine, in der Überstunden ganz normal sind.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heutzutage ohne entsprechenden Ausgleich Überstunden leisten. Die Fachkräfte wissen, was ihre Arbeit wert ist, und fordern gewisse Leistungen ein. Andersherum kann ich von ihnen aber auch ein Verantwortungsbewusstsein für die Arbeit einfordern.


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Sie haben Ihre Personalreferentin erwähnt. Glauben Sie, dass die Schaffung dieser expliziten Stelle wesentlich zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität Ihrer Kanzlei beigetragen hat?

Ja, definitiv. Es geht dabei nicht nur darum, nach außen gut dazustehen – die Personalreferentin sorgt dafür, dass intern alles reibungslos läuft. Die Prozesse sind besser organisiert. Früher, als die Partner sich um Personalfragen kümmerten, kam es oft zu Verzögerungen oder Termine wurden übersehen, weil Mandantenangelegenheiten immer Vorrang hatten.

Hat diese Organisationsänderung auch neue Ideen hervorgebracht, wie zum Beispiel das Eltern-Kind-Zimmer?

Absolut. Das sind Impulse aus dem HR-Bereich, die wir dann umsetzen. Das Eltern-Kind-Zimmer wird zwar nicht ständig genutzt, aber es ist ein attraktiver Benefit, auf den wir Partner von selbst wahrscheinlich nicht gekommen wären. Außerdem ist das Onboarding jetzt vollständig strukturiert. Es gibt regelmäßige Gespräche für neue Mitarbeiter, was wir früher in dieser Form nicht hatten. Das ermöglicht es uns, neue Talente effizient einzubinden und zu halten.

Verbandsinitiativen – Gemeinsam stärker im Employer Branding

Neben Ihrer Rolle als Inhaber einer Kanzlei sind Sie auch Präsident des Steuerberaterverbandes Niedersachsen und Vizepräsident des Steuerberaterbundes. Was können die Verbände tun, um ihre Mitglieder beim Thema Employer Branding zu unterstützen?

Employer Branding ist für uns als Verband von großer Bedeutung. Wir haben bereits Initiativen wie das Siegel „exzellenter Arbeitgeber“ ins Leben gerufen. Eine Begutachtung, die wir jetzt im siebten Jahr anbieten. Kleinere Steuerberatungskanzleien haben es schwer, sich gegenüber großen Institutionen wie beispielsweise Sparkassen zu behaupten. Aber indem viele kleine Kanzleien nach außen als ausgezeichneter Arbeitgeber auftreten, wird ihre Attraktivität gestärkt. Wir nutzen gezielt soziale Medien wie Instagram, um Erfolge unter dem Hashtag #ExzellenterArbeitgeber zu teilen. Dieses Modell haben wir auf weitere Bundesländer übertragen und mittlerweile haben sich über 600 Kanzleien angeschlossen. Zudem haben wir unser Angebot an Fortbildungen und Coaching deutlich ausgebaut, um die Fähigkeiten im Bereich Social Media, Webseite und Onboarding zu stärken.

Sind noch mehr Initiativen in Planung?

Der nächste Schritt ist eine groß angelegte Kampagne, um insbesondere die Generation Z zu erreichen, die sich noch in der beruflichen Orientierungsphase befindet. Wir möchten dem demografisch bedingten Fachkräftemangel entgegenwirken. In Zusammenarbeit mit der Bundessteuerberaterkammer, dem Deutschen Steuerberaterverband und DATEV planen wir eine Social Media Kampagne, die etwa ab Mai starten soll.

Ist die Ausbildung von Nachwuchskräften auch ein Teil der Employer Branding Strategie?

Ohne Ausbildung gibt es keine Bewerber, unabhängig davon, wie attraktiv eine Kanzlei sein mag. Es geht darum, junge Talente für den Beruf zu gewinnen, sei es als Auszubildende oder Studierende, aber auf der anderen Seite muss es eben auch genügend Kanzleien geben, die ausbilden. Das ist mein dringender Appell an die Branche.