Das deutsche Unternehmen (D) mit Sitz in Dortmund produziert aus besonders veredeltem Rohöl Industrieklebstoffe. Die Kunst der Ölveredelung beherrscht D so gut, dass das Öl über den Eigenbedarf hinaus veredelt und Mitbewerbern zum Kauf angeboten wird. Das geschieht in der Weise, dass D zunächst das gesamte Öl an einen ausländischen Generalaufkäufer (G) verkauft, der seinerseits – in der Regel ausländische – Unteraufkäufer (U1) sucht. Diese verkaufen das Öl wiederum an Unteraufkäufer (U2) weiter, und zwar so lange, bis ein Käufer (P) gefunden ist, der das Öl tatsächlich zur Produktion von Klebstoffen verwendet.
Das veredelte Öl bleibt bei all diesen Geschäften am Produktionsstandort des D in Dortmund, wird also nicht bewegt. Erst P bringt es dorthin, wo es weiter verarbeitet werden soll. G, U1, U2 und P sind ausländische, in Deutschland bislang steuerlich nicht registrierte Unternehmer.
- Die Geschäfte fanden im Jahr 2003 statt.
- Die Geschäfte fanden im Jahr 2003 statt; das Öl lagerte jedoch in Rotterdam.
- Die Geschäfte finden im Jahr 2023 statt.
Welche Folgen ergeben sich umsatzsteuerlich für die Beteiligten?
Lösung:
Zunächst kam es zu einer ruhenden Lieferung des D an den G. Der Lieferort bestimmte sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG und war dort, wo sich die Ware zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befand, mithin in Dortmund. Die Lieferung war steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) und steuerpflichtig (§ 4 UStG Umkehrschluss). D hatte dem G eine Rechnung unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer zu erteilen.
G tätigte nach denselben Vorschriften eine ruhende Lieferung an seinen Aufkäufer U1 und musste sich als Ausländer daher in Deutschland steuerlich registrieren lassen; eine Fiskalvertretung war nicht möglich (vgl. §§ 22a ff. UStG). G hatte dem U1 ebenfalls eine Rechnung unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilt und war aus seiner Eingangsrechnung von D unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Lieferung des U1 an den U2 war genauso zu beurteilen; auch U2 muss sich daher in Deutschland steuerlich registrieren lassen.
Gleiches galt grundsätzlich für die Lieferung des U2 an P. Allerdings stellte sich hier die Frage der Steuerpflicht; je nachdem, wo P das Öl weiterverarbeitete, war die Lieferung als Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 UStG) oder i. g. Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) steuerfrei.
- Um diesen – die Marge mindernden – Administrationsaufwand zu vermeiden, wurden solche Geschäfte vorzugsweise in den Niederlanden abgewickelt. Hier gab es bereits eine Steuerlagerregelung, die dazu führte, dass G, U1, U2 und P die Geschäfte ohne eigene Registrierungspflicht abwickeln konnten.
- Eine solche Steuerlagerregelung wurde seit dem 01.01.2004 auch in Deutschland eingeführt; im Jahr 2023 können die Geschäfte daher weitestgehend ohne Registrierungspflichten für die ausländischen Beteiligten abgewickelt werden.