Rz. 32

Stand: 6. A. – ET: 01/2024

Der Begriff der Selbstständigkeit wird weder im UStG, noch in der MwStSystRL definiert, obwohl es sich um einen Schlüsselbegriff handelt. Vgl. dazu aber Abschn. 2.2. UStAE. Art 10 MwStSystRL grenzt den Begriff negativ ab. Danach werden Personen von der (Umsatz-) Besteuerung ausgeschlossen, die hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers in ihrem Rechtsverhältnis zu diesem untergeordnet sind. Er wird in § 1 Abs. 1 S. 1 LStDV ähnlich umschrieben. Danach liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, wenn sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird. Ob dies im Einzelfall erfüllt ist, muss anhand des Innenverhältnisses zum Auftraggeber entschieden werden. Besteht Eingliederung oder Weisungsgebundenheit des nach außen hin Handelnden, agiert dieser nicht selbstständig. Sein Handeln wird dem Weisungsgeber zugerechnet. Dem Außenverhältnis lassen sich nur Beweisanzeichen entnehmen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls.

 

Rz. 33

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Folgende Aspekte sind für die Frage der (Un-)Selbstständigkeit heranzuziehen (vgl. auch Hicks, UVR 1994, 143):

  • eigene Verantwortung,
  • Weisungs- und Aufsichtsgebundenheit,
  • freie Bestimmung von Art, Ort und Zeit der Tätigkeit,
  • eigene Arbeitnehmer,
  • Kostenrisiko,
  • erfolgsorientiertes Entgelt,
  • Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
  • Urlaubsanspruch,
  • Gewerbeanmeldung.
 

Rz. 34

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Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer beurteilen die Selbstständigkeit für natürliche Personen nach denselben Grundsätzen (Abschn. 2.2. Abs. 2 UStAE), jedoch keine gegenseitige Bindung an die jeweiligen Beurteilungen. Die Sonderregelung des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, wonach nichtselbstständige Einkünfte als gewerblich zu qualifizieren sind, ist für die Umsatzsteuer nicht anwendbar. Die Tätigkeit des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft kann, obwohl er in den Organismus der Gesellschaft eingebunden ist, entgegen der früheren Rechtsprechung (BFH vom 09.10.1996, BStBl II 1997, 2555) als selbstständig qualifiziert werden (BFH vom 10.03.2005, Az: V R 29/03, BStBl II 2005, 730). Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 4, 5 UStAE); zu den Besonderheiten der Gesellschafter-Geschäftsführer vgl. Rz. 170 ff.

 

Rz. 35

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Kriterien für Selbstständigkeit bzw. Unselbstständigkeit

 
Selbstständigkeit Unselbstständigkeit
Unterhalten eines eigenen Büros auf eigene Kosten Eingliederung in den Betrieb
Beschäftigung von Arbeitskräften Weisungsgebundenheit
  Urlaubsregelung
  Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Tätigkeit für mehrere Auftraggeber regelmäßig nur ein Auftraggeber
  Aufsicht des Auftraggebers
Wahrnehmung eigener Interessen auf eigene Kosten fremde Interessen werden wahrgenommen
Unternehmerrisiko kein Unternehmerrisiko
Unternehmerinitiative  
 

Rz. 36

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Rz. 37

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Zur Selbstständigkeit der juristischen Person wird auf die Ausführungen zur Organschaft verwiesen (vgl. Rz. 50 ff.).

 

Rz. 38

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Nicht selten sind Fälle, in denen die natürliche Person teilweise selbstständig und teilweise unselbstständig arbeitet. Maßgebend ist dann die Beurteilung der einzelnen Tätigkeit. So sind z. B. im Krankenhaus angestellte Ärzte insofern selbstständig, als ihnen ein eigenes ("von der Krankenanstalt unabhängiges") Liquidationsrecht zusteht (BFH vom 05.10.2005, Az: VI R 152/01, BStBl I 2006, 94; Abschn. 2.2. Abs. 4 S. 2 UStAE). Weitere Fälle vgl. Abschn. 2.2. Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 bis 5 UStAE.

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der BFH mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, V R 62/17) entschieden, dass ein Mitglied eines Aufsichtsrats nicht selbstständig tätig ist, wenn er aufgrund einer nicht variablen Vergütung kein Vergütungsrisiko trägt (Abschn. 2.2. Abs. 3a UStAE). Das BMF hat mit Schreiben vom 29.03.2022 Stellung genommen und eine 10 %-Grenze implementiert. Danach ist von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, wenn der variable Vergütungsanteil über 10 % der Gesamtvergütung liegt (Abschn. 2.2. Abs. 3a S. 5 UStAE).

 

Rz. 39

Stand: 6. A. – ET: 01/2024

Personengesellschaften des Handelsrechts und juristische Personen des Privatrechts sind grundsätzlich selbstständig, es sei denn, es liegt eine Organschaft vor (vgl. Rz. 50 ff.). Nach neuester Rechtsprechung können auch Personengesellschaften (typischerweise GmbH & Co. KG) in ein Unternehmen eingegliedert sein (Abschn. 2.8. Abs. 5a UStAE). Bei Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft stehen sich diese und der Gesellschafter als verschiedene Rechtssubjekte gegenüber (Abschn. 1.6. UStAE).

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