Prof. Dr. Karina Sopp, Prof. Dr. Silvia Rogler
Rz. 99
Ergänzend zu den Informationen über die Ressourcenzuflüsse gem. Angabepflicht ESRS E5-4 hat das Unternehmen Informationen über seine Ressourcenabflüsse offenzulegen. In Kombination der beiden Angabepflichten soll der Ressourcenverbrauch über die gesamte Wertschöpfungskette und des Produktionsprozesses im Unternehmen selbst transparent werden.
Spiegelbildlich zu ESRS E5-4 hat das Unternehmen Informationen dazu offenzulegen, welche wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen sich aus den Ressourcenabflüssen des Unternehmens, einschl. seiner Abfälle, ergeben (ESRS E5.33). Diese Offenlegungspflicht soll ein Verständnis für Folgendes vermitteln (ESRS E5.34):
- wie das Unternehmen zur Kreislaufwirtschaft beiträgt, indem es Produkte und Materialien im Einklang mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft entwickelt und den Umfang erhöht oder maximiert, zu dem Produkte, Materialien und Abfallverarbeitung nach der ersten Verwendung in der Praxis wiederverwendet werden;
- die Strategien des Unternehmens zur Abfallreduktion und Abfallbewirtschaftung und inwieweit das Unternehmen Kenntnis darüber hat, wie mit Vorabfällen i. R. d. eigenen Tätigkeiten umgegangen wird.
Die Angabe nach ESRS E5.34(b) bezieht sich auf Abfälle, die im Unternehmen entstehen, ohne dass eine Nutzung durch Endverbraucher eintreten konnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Entsorgung von Lebensmitteln, die mangels Haltbarkeit nicht an Endverbraucher verkauft werden konnten und deswegen entsorgt wurden. Die deutsche Sprachfassung der ESRS ist dahingehend weniger aussagekräftig als die englischsprachige Version. So hat das Unternehmen gem. ESRS E5.34(b) der deutschen Sprachfassung ein Verständnis dafür zu vermitteln, "inwieweit das Unternehmen über Kenntnisse darüber verfügt, wie seine Abfälle vor dem Verbrauch im Rahmen seiner eigenen Tätigkeiten bewirtschaftet werden." Die englischsprachige Version spricht treffender vom Umgang mit "pre-consumer waste" ("the extent to which the undertaking knows how its pre-consumer waste is managed in its own activities").
Rz. 100
Die Abgrenzung von ESRS E5-4 zu ESRS E5-5 ist nicht trivial. In prozessualer oder zeitlicher Hinsicht könnte die Grenze an dem Punkt ansetzen, an dem die Materialien im Unternehmen eintreffen und in den Produktionsprozess übergehen. Allerdings ist der Produktionsprozess ein Bereich, der sich sowohl auf die Zu- als auch auf die Abflüsse auswirkt. Der Verarbeitungsprozess selbst bestimmt die Anforderungen an die Eigenschaften der bezogenen Materialien und die Eigenschaften des Endprodukts i. S. d. Kreislaufwirtschaft. Folglich handelt es sich um einen überschneidenden Bereich, der für beide Angabepflichten relevant ist. Entscheidungen, die für den Produktionsprozess getroffen werden, können sich sowohl auf den Ressourcenverbrauch bei den Zu- als auch bei den Abflüssen auswirken. Die Entscheidungen können die Ziele der Kreislaufwirtschaft in beiden Bereichen zugleich positiv oder zugleich negativ beeinflussen, aber auch in entgegengesetzter Richtung wirken (Verbesserungen bei den Zuflüssen haben Verschlechterungen bei den Abflüssen zur Folge oder umgekehrt). Abb. 4 veranschaulicht die Zusammenhänge von ESRS E5-4 und E5-5:
Abb. 4: Verhältnis von ESRS E5-4 zu ESRS E5-5
Abb. 4 verdeutlicht, dass Informationen zu allen durch das Unternehmen bezogenen und im Produktionsprozess eingesetzten Materialien und Vorprodukten gem. ESRS E5-4 offenzulegen sind. Hier geht es also um Entscheidungen bei der Beschaffung. Sobald das Unternehmen durch die Gestaltung der eigenen Prozesse und Eigenschaften der erzeugten Produkte und Dienstleistungen die Möglichkeit hat, auf die Qualifizierung der Materialien und (Vor-)Produkte i. S. d. Kreislaufwirtschaft einzuwirken, greifen die Angabepflichten nach ESRS E5-5.
Rz. 101
Wenngleich ESRS E5-5 – anders als ESRS E5-4 – die Anwendung auf erzeugte Dienstleistungen nicht erwähnt, so geht die Gültigkeit der Angabepflicht für Ressourcenabflüsse im Zusammenhang mit Dienstleistungen aus ESRS E5.AR4(b) hervor. Unterthemen von ESRS E5 sind nämlich nach ESRS 1.AR16 "Ressourcenabflüsse im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen".