Für die Durchführung des IRO-Assessments wurde den Fachabteilungen ein mithilfe des externen Beraters konzipiertes Template zur Verfügung gestellt (Abb. 2). Das Template ist gem. der aus den ESRS vorgegebenen 10 Themenstandards aufgeteilt und, sofern vorhanden, noch in (Unter-)Unterthemen aufgeschlüsselt.
Um den identifizierten Themen am Ende einen Wert zumessen zu können, wurden zu Beginn der Wesentlichkeitsanalyse – in Abstimmung mit der Projektleitung – die Skalen für die Bewertungskriterien definiert. Als Richtwerte haben hierfür das interne Risikomanagement sowie die Erfahrungswerte des externen Beraters gedient.
Bei der Festlegung der Skalen ist u. a. zu beachten, dass sich die Verteilung der Auswirkungen, Risiken und Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ergeben kann, also von der gesamten vorgelagerten Lieferkette bis nachgelagert zu den Endnutzern (ESRS 1.43). Deshalb wurde zur Bewertung der Impact-Materialität neben der Auswahl "eigene Geschäftsbetriebe" auch "vor-/nachgelagert" sowie "entlang der gesamten Wertschöpfungskette" als Antwortmöglichkeit festgelegt. Die Unterteilung des Zeithorizonts in kurz-, mittel- und langfristig lässt eine deutlichere Unterscheidung der einzelnen zu bewertenden Aspekte zu und wird von der Regulatorik gefordert (ESRS 1.77).
Das Kriterium "Ausmaß" (Scale) befasst sich mit der Frage, wie gravierend die einzeln beschriebene positive bzw. negative Auswirkung ist, also konkret wie zweckmäßig die positive oder, im Gegenzug, wie drastisch die negative Auswirkung für Mensch oder Umwelt ist (ESRS 1.AR10). Die Abstufung reicht von "1" bis "5", wobei "5" die größte Auswirkung bedeutet. Mit der Bewertung des "Umfangs" (Scope) wird angegeben, wie verbreitet die positiven oder negativen Effekte sind. Bei Auswirkungen auf die Umwelt kann der Scope zum einen als definiertes geografisches Gebiet oder als von Umweltschäden betroffener Raum verstanden werden. Zum anderen kann er bei Auswirkungen auf Menschen als die Menge betroffener Individuen begriffen werden (ESRS 1.AR10). Der Punkt "Unabänderlichkeit" (Remedy) zeigt auf, in welchem Umfang die negativen Effekte kompensiert werden könnten, indem die Umwelt oder die betroffenen Individuen in ihre vorausgehende Verfassung zurückversetzt werden (ESRS 1.AR10). Bei den positiven Auswirkungen entfällt diese Bewertungskategorie. Damit letztendlich der Wert der aggregierten Auswirkung gebildet werden kann, muss der zu betrachtende Punkt noch hinsichtlich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet werden. Die Auswahlmöglichkeiten reichen in mehreren Abstufungen von "sehr unwahrscheinlich" über "sehr wahrscheinlich" bis "bereits eingetreten". Die Regulatorik erfordert eine "Brutto-Betrachtung", d. h., v. a. Risiken sowie negative Auswirkungen sind vor der Wirkung kompensierender (Präventions-)Maßnahmen zu bewerten und zu berichten. Andernfalls würde die Bewertung zu gering dargestellt werden, wodurch entsprechendes Nachhaltigkeitsthema u. U. aus der Berichterstattung fallen würde. Gerade Themen, in welche bereits in der Vergangenheit sehr viel investiert wurde, bspw. durch den Aufbau von Strukturen, Konzepten oder Prozessen, wären dann nicht mehr Bestandteil des Nachhaltigkeitsreportings, wodurch dem Leser ein falsches Bild vermittelt werden würde. Durch die konsequente, teils abstrakte Betrachtung der Brutto-Perspektive lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit adäquat und damit die Wesentlichkeit der Themen realistisch abbilden (ESRS 1.QC8).
Für die Berechnung der aggregierten Auswirkung wird folglich die Summe aus Ausmaß, Umfang und, im Fall negativer Auswirkungen, Unabänderlichkeit durch die Zahl 3 (entsprechend 2 bei den positiven Auswirkungen) dividiert und mit der Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert. Grds. bewegt sich das Ergebnis in einer Spanne zwischen 0,06 und 5. Je höher der Wert, desto bedeutender ist die bewertete Auswirkung für das Unternehmen. Über diesen Wert lässt sich am Ende der Wesentlichkeitsanalyse feststellen, welche Themen/Punkte wesentlich sind und dementsprechend in den Bericht aufgenommen werden müssen.
Bei der finanziellen Materialität wird ein Nachhaltigkeitsaspekt hinsichtlich seiner finanziellen Auswirkungen auf das Unternehmen bewertet, wenn diese nach vernünftigem Ermessen zu erwarten sind. Dies trifft zu, wenn durch einen Nachhaltigkeitsaspekt Risiken oder Chancen entstehen, die innerhalb von verschieden langen Zeitspannen die Entwicklung, die finanzielle Leistungsfähigkeit sowie allgemeine Finanzlage und -fluss, den Zugang zu Finanzmitteln oder die Kapitalkosten des Unternehmens entscheidend beeinflusst haben (ESRS 1.AR14). Für die monetäre Bewertung des Ausmaßes wurde die Gliederung der im Unternehmen bereits vorhandenen Risikoinventarisierungsübersicht sowie der zum damaligen Zeitpunkt aktuelle EBIT der Bionorica herangezogen. Die wertmäßige Abstufung von "kritisch" bis "unbedeutend" kann folglich von jedem Unternehmen je nach finanzieller Lage individuell vorgenommen...