Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 29
Unternehmen oder Konzerne, die an ihren Bilanzstichtagen die durchschnittliche Zahl von 750 Mitarbeitenden während des Geschäftsjahrs (ggf. auf konsolidierter Basis) nicht überschreiten, können die gesamten in den Angabepflichten von ESRS S4 genannten Informationen für die ersten zwei Jahre ihrer Erstellung unterlassen (ESRS 1, App. C; § 3 Rz 182 ff.). Damit werden die Angabepflichten für bestimmte große nichtkapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften statt für das Berichtsjahr 2025 erst ab dem Berichtsjahr 2027 relevant. Allerdings ist dies insoweit einzuschränken, als die notwendige Betrachtung der Wertschöpfungskette dazu führen dürfte, dass größere Unternehmen, Banken oder Versicherungen, die bereits der kompletten Berichterstattungspflicht nach der CSRD, dem nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bzw. der EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie (CSDDD) ab 2028 oder der noch umzusetzenden EU-Sozialtaxonomie unterliegen, Informationsansprüche gegenüber diesen kleineren Unternehmen erheben könnten und diese möglicherweise auf vertragsrechtlicher Basis durchzusetzen versuchen werden. Allerdings erlaubt die Erleichterungsregelung nach ESRS 1.69 auch die Schätzung von Daten der Wertschöpfungskette, wenn diese anders nicht zu bekommen sind (§ 3 Rz 129). Dabei ist auf angemessene und belastbare Informationen, z. B. Sektordurchschnittsdaten und andere Näherungswerte, zurückzugreifen.
Rz. 30
Da die ESRS die CSRD auslegen und mit der CSRD eine Änderung bzw. Ergänzung der Bilanz-RL 2013/34/EU erfolgt ist, ist bei der Berechnung auf die dortige Vorgehensweise zurückzugreifen. Dieser Berechnung folgend sind zur Ermittlung der maßgeblichen Zahl der Arbeitnehmer die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer einzubeziehen, sofern ein Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft besteht (so z. B. umgesetzt in § 267 Abs. 5 HGB). Demgegenüber gehen Mitarbeitende während ihrer Berufsausbildung nicht in die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl ein. Teilzeitbeschäftigte, Heim- oder Kurzarbeiter sowie Schwerbehinderte, unselbstständige Handelsvertreter, geringfügig Beschäftigte und zum Reservistendienst kurzfristig freigestellte Arbeitnehmer sind vollständig zu berücksichtigen. Die Einbeziehung der Arbeitnehmer erfolgt daher jeweils unabhängig von den geleisteten Arbeitsstunden, d. h., eine Umrechnung von Teilzeitbeschäftigten in Vollzeitäquivalente ist nicht vorzunehmen. Zur Ermittlung der geforderten durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl ist der Jahresdurchschnitt als einfaches arithmetisches Mittel zu berechnen. Hierzu bestimmt § 267 Abs. 5 HGB auf Basis der Bilanz-RL, dass die Arbeitnehmeranzahl an den Stichtagen 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. als Grundlage für die Durchschnittsbildung dient. Dieses Verfahren gilt auch dann, wenn ein Rumpfgeschäftsjahr vorliegt. Da ein solches i. d. R. weniger als vier Stichtage umfasst, müssen noch fehlende Stichtage vor Beginn des Rumpfgeschäftsjahrs berücksichtigt werden. Sollte das erste Rumpfgeschäftsjahr kein Quartalsende haben, ist auf die Arbeitnehmerzahl am Bilanzstichtag abzustellen.
Die Phase-in-Regelung können Teil der Rechnungslegungspolitik sein, weshalb deren Nutzung kritisch überdacht werden sollte.
Wenn Informationen zu ESRS S4 aufgrund der Übergangsbestimmungen weggelassen werden, ist das Unternehmen dennoch verpflichtet, das Thema in den Umfang der Wesentlichkeitsbewertung einzubeziehen. Wenn ein Thema bzgl. Verbraucher und Endnutzer jedoch dann als wesentlich eingestuft wird, müssen "De-minimis"-Angaben gemeldet werden, die das betreffende wesentliche Thema abdecken, aber die Regelungen des ESRS S4 sind nicht weiter zu beachten (ESRS 2.17).
Rz. 31
Weitere Übergangserleichterungen bestehen nicht, so dass die übrigen Unternehmen ab dem jeweiligen Erstberichtsjahr die kompletten Angaben in die Wesentlichkeitsanalyse einzubeziehen und ggf. zu berichten haben.