Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 33
Die Verbraucher und/oder Endnutzer sind eine wichtige Gruppe der vom Unternehmen betroffenen Stakeholder. Nach der delegierten Verordnung ist es daher notwendig, bei der Beantwortung von ESRS 2 SBM-2 (ESRS 2.43) auch offenzulegen, wie die Interessen und Rechte von Verbrauchern und/oder Endnutzern, einschl. der Achtung ihrer Menschenrechte, in die Strategie und das Geschäftsmodell einfließen (ESRS S4.8). Konkret geht es nach ESRS S4.AR3 darum festzustellen und dann auch anzugeben, ob die Strategie und das Geschäftsmodell des berichtspflichtigen Unternehmens eine Rolle bei der Schaffung, Verschärfung oder (umgekehrt) Minderung erheblicher wesentlicher Auswirkungen auf Verbraucher und/oder Endnutzer spielen. Falls ja, wäre auch zu berichten, ob und wie das Geschäftsmodell und die Strategie angepasst werden, um solchen wesentlichen Auswirkungen zu begegnen.
Diese Forderung ergibt sich direkt aus Art. 19a Abs. 2 Buchst. a) iv) der CSRD und steht im Einklang mit den UN-Leitprinzipien und den OECD-Leitsätzen, die beide klarstellen, dass die Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten durchgehend durch die Einbeziehung der relevanten Stakeholder, insbes. derjenigen, die möglicherweise nachteilig betroffen sind, erfüllen müssen (ESRS S4.BC33). Konkret verweisen die UN-Leitprinzipien auf die Bedeutung einer sinnvollen Einbeziehung von Stakeholdern bei der Durchführung der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung (ESRS S4.BC34). So heißt es bspw. im Kommentar zum UN-Leitprinzip 18: Damit Unternehmen ihre menschenrechtlichen Auswirkungen richtig einschätzen können, sollten sie versuchen, die Anliegen potenziell betroffener Stakeholder zu verstehen, indem sie diese direkt konsultieren, und zwar in einer Weise, die sprachliche und andere potenzielle Hindernisse für eine wirksame Einbeziehung berücksichtigt. Ferner heißt es, dass Unternehmen in Situationen, in denen eine solche Konsultation nicht möglich ist, vernünftige Alternativen in Betracht ziehen sollten, wie die Konsultation glaubwürdiger, unabhängiger Experten einschl. Menschenrechtsaktivisten und anderer Personen aus der Zivilgesellschaft. Bei ESRS S4 können als unabhängige Experten z. B. Verbraucherschutzorganisationen oder sogar nur deren Berichte herangezogen werden. Der "UN Interpretive Guide to the Corporate Responsibility to Respect Human Rights" definiert Stakeholder-Einbeziehung als einen fortlaufenden Prozess der Interaktion und des Dialogs zwischen einem Unternehmen und seinen potenziell betroffenen Stakeholdern, der es dem Unternehmen ermöglicht, deren Interessen und Bedenken zu hören, zu verstehen und darauf zu reagieren, auch durch kooperative Ansätze.
Analog sieht Abschnitt II-A-15 der OECD-Leitsätze (2023) vor, dass Unternehmen mit den relevanten Stakeholdern in Kontakt treten sollten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten bei der Planung und Entscheidungsfindung, die sich erheblich auf sie auswirken können, zu berücksichtigen. Der zugehörige Kommentar fügt hinzu, dass die Einbindung von Stakeholdern interaktive Prozesse der Einbindung (z. B. Treffen, Anhörungen oder Konsultationsverfahren) umfasst und dass eine wirksame Einbindung von Stakeholdern durch eine zweiseitige Kommunikation gekennzeichnet ist und vom guten Willen der Teilnehmer auf beiden Seiten abhängt (ESRS S4.BC35).
Rz. 34
Relevant ist somit ein Stakeholder-Dialog (§ 3 Rz 37, 49). Gerade im Bereich der Verbraucher bzw. Endnutzer ist dies häufig eine ökonomische Notwendigkeit für das Unternehmen, deren Erwartungen und Wünsche zu kennen. Dabei ist zunächst zwischen Kunden und Verbrauchern bzw. Endnutzern zu unterscheiden, da Kunden z. B. auch (Zwischen-)Händler sein können, die wiederum eigene Interessen verfolgen. Allerdings dürfte in der Praxis auch in diesen Fällen eine große Schnittmenge zwischen Kunden und Verbrauchern bzw. Endnutzern vorliegen. Bei vielen Geschäftsmodellen sind Kunden, Verbraucher und Endnutzer identisch. Mit Blick auf die Anforderungen der CSRD ab 2024 sollten die diesbzgl. Formulierungen aber noch konkreter und damit prüffähiger werden.
Das Beispiel der Škoda Auto a.s. verdeutlicht den Stakeholder-Dialog, in den neben den verschiedensten Interessengruppen auch die Verbraucher einbezogen werden:
Praxis-Beispiel Škoda
„Die regelmäßige Kommunikation mit den Stakeholdern ist eine Schlüsselaktivität bei Škoda Auto. Sie verschafft dem Unternehmen einen besseren Einblick in die Bedürfnisse und Erwartungen seiner Partner, und ermöglicht es ihm, die Nachhaltigkeitsstrategie und ihre Prioritäten besser festzulegen.
Gleichzeitig kommuniziert das Unternehmen mit externen Stakeholdern wie Kommunen, Behörden, Lieferanten, Kunden, Universitäten und NGOs mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit und unter Verwendung verschiedener Kommunikationsmittel.
Die Kommunikationsmethoden werden an die einzelnen Parteien angepasst und umfassen aktive Kommunikation bei einzelnen Treffen und Vertretung in verschiedenen Gremien sowie passive Kommunikation, einschließlich der Veröffentlic...