Was regeln die ESRS S1 bis S4?

Die Einbeziehung der Sozialaspekte in die Nachhaltigkeitsberichterstattung macht die Bedeutung der Einhaltung der Menschenrechte bei gleichzeitig angestrebtem Umweltschutz deutlich. Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die bisher zum Teil eher als freiwillig wahrgenommen wurden, müssen nun durch die Berichterstattungspflicht intensiver betrachtet und letztlich auch umgesetzt werden.

Bei den 4 Sozialstandards wurde eine Stakeholder-orientierte Struktur gewählt, welche die von den Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten betroffenen Stakeholder in den Mittelpunkt rückt. Die einzelnen Standards sind weitestgehend gleichartig aufgebaut und haben über weite Strecken bis auf einzelne unterschiedliche Schlüsselbegriffe wortwörtlich deckungsgleiche Ausführungen zum Inhalt. Der Orientierungspunkt für diese Strukturierung ist der Prozess der Sorgfaltspflichten (Sustainability Due Diligence), entlang dessen Phasen die Angabepflichten der einzelnen Standards gesehen werden können. Aber auch andere Regulierungen, wie etwa das Hinweisgeberschutzgesetz, finden sich hier zumindest indirekt wieder.

  • ESRS S1 und ESRS S2 widmen sich im Besonderen dem Arbeitnehmerschutz (für unterschiedliche Arten von Arbeitnehmern),
  • ESRS S3 der Achtung der Menschenrechte und
  • ESRS S4 dem Konsumentenschutz.

Insbes. auf Ebene der Unter-Unterthemen sind weitgehend dieselben Themen von den einzelnen Standards abgedeckt, z. B. im Bereich der Grundrechte wie der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Umgekehrt können einzelne Personengruppen auch unter mehrere der unterschiedenen Stakeholder-Kategorien fallen und damit Gegenstand einer Berichterstattung nach mehreren dieser ESRS werden. Dies unterstreicht nur weiter, wie eng verschränkt die Standards der S-Säule (und die von ihnen abgedeckten Nachhaltigkeitsaspekte) sind.

ESRS S1: Eigene Belegschaft

Der ESRS S1 ist durch 13 Offenlegungspflichten bei den Parametern, die von Merkmalen der Beschäftigten des Unternehmens etwa über die tarifvertragliche Abdeckung und den sozialer Dialog, Diversitätsparameter und angemessene Entlohnung bis hin zu Vergütungsparametern (Verdienstunterschiede und Gesamtvergütung) und Vorfällen, Beschwerden und schwerwiegende Auswirkungen im Zusammenhang mit Menschenrechten reichen, der umfangreichste ESRS. Die eigene Belegschaft eines Unternehmens wird als besonders wichtige Stakeholder-Gruppe für dessen Nachhaltigkeitsberichterstattung erachtet. Diese Angabepflichten stützen sich auf eine in der Praxis bereits etablierte Berichterstattung über mitarbeiterbezogene Nachhaltigkeitsaspekte sowie auf zahlreiche darüber hinausgehende Indikatoren, die seitens Regulatoren oder NGOs im Diskurs eingebracht wurden. Letztere führt vielfach zu der Herausforderung, die für die Berichterstattung erforderlichen Datengrundlagen zu schaffen. Mitunter werden auch datenschutzrechtliche oder sonstige Limitationen der Berichterstattung Grenzen setzen bzw. längerfristige Implementierungsmaßnahmen erfordern.

ESRS S2: Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette

Der ESRS S2 fokussiert auf Angaben, die nach Meinung der EU von allen Unternehmen erwartet werden können, auch wenn das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und selbst die geplante EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie eine deutlich engere Zielgruppe hat. Es handelt sich um übergeordnete Angaben in Bezug auf Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette. Da die dazugehörigen Auswirkungen, Risiken und Chancen stark von den spezifischen Gegebenheiten der Wertschöpfungskette eines Unternehmens abhängen, insbes. der vor- und nachgelagerten Geschäftsmodelle und den dazugehörigen Ländern, werden bislang eher oberflächliche Anforderungen verlangt. Es wurde aber bereits angekündigt, dass zukünftig folgende Standards diese Standards erweitern, indem sie detailliertere Angaben zu den Unterthemen und individuellen Fragen machen, welche durch die sektorspezifische oder unternehmensspezifische Bestimmung identifiziert werden. Ebenso wie die Umweltstandards wird hier die Bereitschaft der Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette von hoher Relevanz für die letztlich Qualität der Angaben sein. Daher dürften hier gerade in der Anfangsphase Informationen geschätzt oder über indirekte Quellen bezogen werden müssen, wenn die übrigen Kettenmitglieder die Informationen nicht liefern.

ESRS S3: Betroffene Gemeinschaften

Der ESRS S3 erscheint sehr wenig fokussiert und deckt eine potenziell besonders weit gefasste Zahl an Interessengruppen ab, mit denen sich berichtspflichtige Unternehmen in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung zu befassen haben – und dieser zugrunde liegend auch für ihre Sorgfaltspflichten. Der ESRS S3 fordert daher primär eine Berichterstattung über den Prozess der Identifikation von relevanten Gruppen und Auswirkungen sowie die Integration in die unternehmerischen Entscheidungen. An anzugebenden Parametern werden lediglich Ziele im Zusammenhang mit der Bewältigung wesentlicher negativer Auswirkungen und dem Umgang mit wesentlichen Risiken und Chancen gefordert. Daher gewinnen viele Fragestellungen für europäische Unternehmen insbes. im Zusammenhang mit der Berichterstattung entlang ihrer Wertschöpfungskette an Bedeutung, etwa zu indigenen Völkern. Die Identifikation der unter ESRS S3 fallenden Interessenträger und der anschließende Dialog mit diesen wird eine erste wichtige Herausforderung sein. Der Standard verweist zwar auf eine Vielzahl an bereits etablierten Verlautbarungen, die über Fragen der Berichterstattung hinaus v. a. konkretere Leitlinien zur Implementierung der von der Berichterstattung abzudeckenden, doch dürfte das vielfach Neuland sein.

ESRS S4: Verbraucher und Endnutzer

Der ESRS S4 verdeutlicht den Erstellern der Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche Angaben bei vorliegender Wesentlichkeit über Aspekte im Kontext von Verbrauchern und/oder Endnutzern nötig sind. Der Standard ist noch nicht final ausgestaltet. Nach den sehr allgemein gehaltenen Zielen der Berichterstattung über Verbraucher und Endnutzer, die bei den aktuellen öffentlichen Diskussionen in diesem Bereich durchaus einige Ansatzpunkte zu einer Berichterstattung liefern, sind die konkreten Angabepflichten im Weiteren aber stark verengt auf die (Nicht-)Einhaltung der Menschenrechte. Auch wenn sehr viele der Angabepflichten auf schon vorliegenden Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards und Richtlinien aufbauen und es auch Verknüpfungen mit anderen Regulierungen der EU gibt, ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass die sonst im Mittelpunkt stehenden Kunden übersprungen werden und sich die Berichterstattung nach ESRS S4 auf Verbraucher und Endnutzer bezieht. Händler oder Weiterverarbeiter, die ebenfalls starke Stakeholder sein können, sind somit in diesem Standard ausgeklammert und werden auch in den anderen ESRS eher als Zulieferer von Informationen verstanden, auf die im Zweifelsfall einzuwirken ist, wenn von diesen die mit den Produkten oder Dienstleistungen der Wertschöpfungskette verbundenen negativen Auswirkungen oder Risiken und Chancen einhergehen.

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Schlagworte zum Thema:  ESRS, CSRD, Nachhaltigkeitsberichterstattung