Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 39
Während sich die Unternehmen zunehmend auf die Zusammenhänge zwischen Geschäftsmodellen und Klimawandel konzentrieren, sollten nach Auffassung der EU auch die Merkmale von Geschäftsmodellen, die Auswirkungen auf Menschen, einschl. Verbraucher und Endnutzer, haben können, berücksichtigt werden, sofern sie wesentlich sind. Die Forschung hat gezeigt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie solche Zusammenhänge zwischen Geschäftsmodell, Strategie und wesentlichen Auswirkungen entstehen können. Beispiele hierfür sind Fälle, in denen typische Minderungsstrategien auf operativer Ebene unwirksam sein können, da die Auswirkungen Teil der Art und Weise sind, wie das Unternehmen arbeiten soll, und daher das Engagement von Führungskräften und Leitungsorganen erfordern, um sie wirksam anzugehen. Diese Angabepflicht zielt nach ESRS S4.BC39 darauf ab, solche Zusammenspiele bzw. Wechselwirkungen mit der Strategie und dem Geschäftsmodell des Unternehmens zu beschreiben und die Besonderheiten des Geschäftsmodells zu erfassen. Konkret muss das Unternehmen nach ESRS S4.9 auf Basis von Art. 19a Abs. 2 Buchst. a) iv) der CSRD i. R. d. Angabepflicht ESRS 2 SBM-3 Folgendes offenlegen (Angabepflichten aus ESRS 2 IRO-1 zur Beschreibung des Verfahrens zur Ermittlung und Bewertung wesentlicher Auswirkungen, Risiken und Chancen; ESRS 2.48):
- ob und wie tatsächliche und potenzielle Auswirkungen auf Verbraucher und/oder Endnutzer aus der Strategie und dem Geschäftsmodell hervorgehen oder mit diesen verbunden sind;
- ob und wie tatsächliche und potenzielle Auswirkungen auf Verbraucher und/oder Endnutzer die Strategie und das Geschäftsmodell des Unternehmens beeinflussen und als Grundlage für die Anpassung der Strategie und des Geschäftsmodells dienen bzw. dazu beitragen;
- Erläuterung des Verhältnisses zwischen den wesentlichen Risiken und Chancen, die sich aus den Auswirkungen und Abhängigkeiten im Zusammenhang mit Verbrauchern und/oder Endnutzern ergeben, und der Strategie und des Geschäftsmodells des Unternehmens.
Voraussetzung für die Offenlegung ist jeweils die Wesentlichkeit der Auswirkungen, als Ort sollten die themenspezifischen Ausführungen des Nachhaltigkeitsberichts gewählt werden – diese also nicht mit den "vor die Klammer gezogenen" Angaben des ESRS 2 vermengt werden.
Erste Beispiele aus der Praxis zeigen, dass die geforderte Berichterstattung sich langsam entwickelt und der konkrete Bezug auf die Risiken, Chancen und Auswirkungen bereits in Ansätzen erfolgt:
Praxis-Beispiel Arla Foods amba – "Consumers"
Das mehrere Seiten umfassende Kapitel beginnt mit einer zusammenfassenden Darstellung und beschreibt dann die einzelnen Aspekte entweder im Bericht oder als Links auf die policies.
Rz. 40
Die Auswirkungen auf Verbraucher und/oder Endnutzer können auf verschiedene Weise aus dem Geschäftsmodell oder der Strategie des Unternehmens resultieren. Sie können sich bspw. auf das Wertversprechen des Unternehmens (z. B. Bereitstellung von Online-Plattformen mit dem Potenzial für Online- und Offline-Schäden), auf seine Wertschöpfungskette (z. B. Geschwindigkeit bei der Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen oder bei der Durchführung von Projekten mit Risiken für Gesundheit und Sicherheit) oder auf seine Kostenstruktur und das Einnahmenmodell (z. B. verkaufsmaximierende Anreize, die die Verbraucher gefährden) beziehen (ESRS S4.AR5).
Rz. 41
Auswirkungen auf Verbraucher und/oder Endnutzer, die auf die Strategie oder das Geschäftsmodell zurückzuführen sind, können ebenfalls wesentliche Risiken für das Unternehmen darstellen (ESRS S4.AR6).
Wenn bspw. das Geschäftsmodell des Unternehmens darauf beruht, Anreize für seine Vertriebsmitarbeiter zu schaffen, große Mengen eines Produkts oder einer Dienstleistung (z. B. Kreditkarten oder Schmerzmittel) schnell zu verkaufen, und dies zu einem großen Schaden für die Verbraucher führt, kann das Unternehmen mit Klagen und einer Schädigung der Reputation konfrontiert sein, was seine künftige Geschäftstätigkeit und Glaubwürdigkeit beeinträchtigt (ESRS S4.AR6).
Nach ESRS S4.BC43 baut die Angabepflicht ESRS 2 SBM-3 auf Art. 19a Abs. 1 der CSRD auf, der verlangt, in den Lagebericht Informationen aufzunehmen, "die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens erforderlich sind". Art. 19a Abs. 2 Buchst. g) der CSRD verlangt "eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist, einschließlich einer Beschreibung der wichtigsten Abhängigkeiten in diesem Bereich, und der Handhabung dieser Risiken durch das Unternehmen", und Art. 19a Abs. 2 Buchst. a) ii) bezieht sich auf die "Chancen des Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten". Art. 19a Abs. 2 Buchst. f) ii) der CSRD verlangt eine Beschreibung "der wichtigsten tatsächlichen...