Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 135
ESRS S4 verdeutlicht den Erstellern der Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche Angaben bei vorliegender Wesentlichkeit über Aspekte im Kontext von Verbrauchern und/oder Endnutzern nötig sind. Der Standard ist noch nicht final ausgestaltet, da insbes. noch die konkreten Kennzahlen fehlen. Nach den sehr allgemein gehaltenen Zielen der Berichterstattung über Verbraucher und Endnutzer, die bei den aktuellen öffentlichen Diskussionen durchaus einige Ansatzpunkte zu einer Berichterstattung liefern, sind die konkreten Angabepflichten im Weiteren stark verengt auf die (Nicht-)Einhaltung der Menschenrechte. Auch wenn sehr viele der Angabepflichten auf schon vorliegenden Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards und Richtlinien aufbauen und es auch Verknüpfungen mit anderen Regulierungen der EU gibt, ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass die sonst im Mittelpunkt stehenden Kunden übersprungen werden und sich die Berichterstattung nach ESRS S4 auf Verbraucher und Endnutzer bezieht. Händler oder Weiterverarbeiter, die ebenfalls starke Stakeholder sein können, sind somit in diesem Standard ausgeklammert und werden auch in den anderen ESRS eher als Zulieferer von Informationen verstanden, auf die im Zweifelsfall einzuwirken ist, wenn von diesen die mit den Produkten oder Dienstleistungen der Wertschöpfungskette verbundenen negativen Auswirkungen oder Risiken und Chancen einhergehen.
Rz. 136
Aufgrund des Fehlens von berichtspflichtigen Kennzahlen dreht sich die Berichterstattung nach ESRS S4 um die Frage, wie die Interessen (meist verengt auf die Einhaltung der Menschenrechte) der Verbraucher und/oder Endnutzer als Stakeholder von Unternehmen berücksichtigt werden. Daher ist im Kontext von Verbrauchern und Endnutzern über Folgendes zu berichten:
- Interessen dieser Stakeholder,
- negative sowie positive Auswirkungen,
- Risiken und Chancen,
- Konzepte (Strategie, Unternehmenspolitik, Unternehmensrichtlinien),
- Verfahren der Einbeziehung der Interessen dieser Stakeholder,
- Verfahren zur Behebung negativer Auswirkungen einschl. der Beschwerdemechanismen,
- Maßnahmen zur Eindämmung negativer Auswirkungen und Verringerung von Risiken bzw. der Förderunge der positiven Effekte einschl. der Evaluation der Systeme und Maßnahmen sowie
- Ziele im Zusammenhang mit der Bewältigung wesentlicher negativer Auswirkungen.
Auch wenn sich die konkreten Anforderungen des ESRS S4 stark an den Menschenrechten orientieren, sollte u. E. ein breiterer Ansatz verfolgt werden; alle wesentlichen Themen, die beim Stakeholder-Dialog aufkommen, müssen Gegenstand der Berichterstattung sein.
Da es bislang kaum Indikatoren in diesem Bereich gibt, steht die Beschreibung der Konzepte, Verfahren und Maßnahmen im Mittelpunkt der Berichterstattung. Aus dieser sollte deutlich werden, dass die Verbraucher und Endnutzer und deren Interessen von den Unternehmen wahrgenommen und bei den Handlungen bzw. Entscheidungen berücksichtigt werden – was aber eigentlich auch eine ökonomische Notwendigkeit ist, weshalb viele Unternehmen bislang ggf. gar nicht auf den Gedanken gekommen sind, dies in einem Nachhaltigkeitsbericht gesondert hervorzuheben. In den ersten Beispielen von Unternehmen, die ESRS S4 freiwillig bereits für das Geschäftsjahr 2023 anwenden, gibt es daher erwartungsgemäß viele Informationen über schon gut eingeführte Maßnahmen, um die Interessen von Verbrauchern und Endnutzern zu hören und in konkrete Ziele und Aktivitäten zu überführen, sowie etablierte Beschwerdeverfahren, um reagieren zu können.