Prof. Dr. Alexander Bassen, Dr. Kati Beiersdorf
Rz. 6
Bei der CSRD handelt es sich um eine Rahmenrichtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen, deren inhaltliche Detailausgestaltung über Berichtsstandards erfolgt. Mit Art. 29b, 29c Bilanz-RL n. F. wird die EU-Kommission dazu ermächtigt, Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (Art. 29b) und für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU (Art. 29c) – in Form von European Sustainability Reporting Standards (ESRS) – mittels delegierter Rechtsakte zu erlassen. Diese delegierten Rechtsakte gelten für die berichtspflichtigen Unternehmen unmittelbar, einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es nicht. Die Erarbeitung der ESRS erfolgt gem. Art. 49 Abs. 3b Bilanz-RL n. F. durch EFRAG, die anhand eines definierten Verfahrens Vorschläge für die ESRS ausarbeitet. Diese Vorschläge werden von der EU-Kommission als fachliche Stellungnahmen berücksichtigt. Der Erlass solcher fachlichen Stellungnahmen als delegierte Rechtsakte liegt in der Verantwortung der EU-Kommission (§ 1 Rz 12 ff.). Nach Art. 29c Bilanz-RL n. F. hat die EU-Kommission auch einen delegierten Rechtsakt zur Ergänzung und Konkretisierung der CSRD um einen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für berichtspflichtige KMU zu erlassen.
Rz. 7
Mit Blick auf die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU stellt die CSRD zunächst klar, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen bzgl. der Anwendung der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht per se als große Unternehmen behandelt werden sollen. Entsprechend soll kapitalmarktorientierten KMU sowie berichtspflichtigen SNCI und firmeneigenen Versicherungs- bzw. Rückversicherungsunternehmen mit dem künftigen ESRS LSME die Möglichkeit eröffnet werden, bei der Bereitstellung von Nachhaltigkeitsinformationen einen Berichtsstandard anzuwenden, der "in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Kapazitäten und Ressourcen" steht "und dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten" entspricht. Eine Verpflichtung zur Anwendung des künftigen ESRS LSME durch diese Unternehmen besteht jedoch nicht, Art. 19a Abs. 6 Bilanz-RL n. F. formuliert diese Möglichkeit ausdrücklich als Wahlrecht. Folglich können berichtspflichtige KMU, SNCI sowie firmeneigene Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte auch nach den umfangreicheren Vorgaben der ESRS Set 1 erstellen.
Rz. 8
Das grds. Erfordernis der Ausarbeitung von Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung für berichtspflichtige KMU wird im Einklang mit den Zielen des Aktionsplans für eine Kapitalmarktunion aus dem Jahr 2020 auch damit begründet, dass für KMU durch eine strukturierte und standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung der Zugang zum Kapitalmarkt erhalten bleibt oder gar verbessert wird. Die Berichterstattung anhand eines künftigen ESRS LSME soll folglich einer potenziellen Diskriminierung kapitalmarktorientierter KMU durch die Finanzmarktteilnehmer entgegenwirken (ED ESRS LSME.BC16). Überdies benötigen Finanzmarktteilnehmer bestimmte Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten, um ihren eigenen nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten in Bezug auf die Unternehmen, in die sie investieren, nachkommen zu können. Entsprechend wird erwartet, dass mit einem künftigen ESRS LSME die Bereitstellung solcher Informationen, z. B. principal adverse impact (PAI)-Angaben oder Taxonomiequoten, seitens der berichtspflichtigen Unternehmen sichergestellt wird. PAI-Indikatoren sind gem. der Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088 die Grundlage für bestimmte Angaben von Finanzinstitutionen zu deren Investitionen, um mögliche nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte aufzuzeigen. Sie sind damit ein wichtiger Bestandteil der Informationsbedarfe an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU.
Rz. 9
Dem künftigen ESRS LSME kommt zudem die sog. Value Chain Cap-Funktion i. S. d. Art. 29b Abs. 4 Bilanz-RL n. F. zu. Danach dürfen die ESRS Set 1 keine Angaben fordern, die ein nach ESRS Set 1 berichtspflichtiges Unternehmen dazu verpflichten würden, Informationen von KMU in ihrer Wertschöpfungskette einzuholen, die über den für KMU verpflichtenden Berichtsumfang gem. dem künftigen ESRS LSME hinausgehen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen entlang ihrer Wertschöpfungskette nicht immer problemlos einholen können. Als problematisch erweist sich v.a. die Datenabfrage bei nicht nach den Vorgaben der CSRD berichtspflichtigen Unternehmen oder Lieferanten aus Schwellenländern und aufstrebenden Märkten. Folglich kann sich die inhaltliche Ausgestaltung des künftigen ESRS LSME grds. auch unmittelbar auf bestimmte Berichtspflichten der ESRS Set 1 auswirken.
Rz. 10
Der ESRS LSME verfolgt unter Berücksichtigung dieser Value Chain Cap-Funktion das Ziel, die Nachhaltigkeitsinformationen festzulegen, die berichtspflichtige KMU, SNCI und firmeneigene Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in ihren Nachhaltigkeits...