Prof. Dr. Alexander Bassen, Dr. Kati Beiersdorf
Rz. 30
Mit der CSRD erwächst für die Ersteller von Nachhaltigkeitsberichten grds. die Notwendigkeit zur Berücksichtigung von Informationen zur Wertschöpfungskette. Folglich beinhalten die im Nachhaltigkeitsbericht enthaltenen Informationen über das berichtende Unternehmen auch Informationen über die wesentlichen Auswirkungen und Risiken, die mit diesem aufgrund seiner Geschäftsbeziehungen in der vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette verbunden sind. Dieser Einbezug von Wertschöpfungsketteninformationen erstreckt sich auch auf LSME-Unternehmen (ED ESRS LSME Abschn. 1.58), wobei dasselbe umfassende Begriffsverständnis für die Wertschöpfungskette zugrunde gelegt wird wie in ESRS Set 1 (siehe zum Begriff der Wertschöpfungskette § 10 Rz 24).
Rz. 31
Die zu berichtenden Wertschöpfungsketteninformationen ergeben sich gem. ED ESRS LSME aus der Wesentlichkeitsanalyse, die vom LSME-Unternehmen zu Beginn seines Berichterstellungsprozesses auf Basis des Grundsatzes der doppelten Wesentlichkeit (siehe zur doppelten Wesentlichkeit § 3 Rz 61 ff. sowie Rz 25 ff.) durchgeführt wird. Dabei ist jedoch zwischen der Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse unter Einbezug der Wertschöpfungskette und den im Nachhaltigkeitsbericht anzugebenden Informationen zur Wertschöpfungskette zu differenzieren. So ist bei der Identifizierung der wesentlichen Themen per Wesentlichkeitsanalyse zunächst die gesamte Wertschöpfungskette einzubeziehen. In praxi führen Unternehmen bei ihrer Wesentlichkeitsanalyse häufig ein sog. Wertketten-Mapping durch. Dabei werden die ggf. unterschiedlichen Wertschöpfungsketten des berichtenden Unternehmens möglichst umfassend erfasst, abgebildet und bzgl. nachhaltigkeitsbezogener Auswirkungen und Risiken für das berichtende Unternehmen untersucht. Im Ergebnis können verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte für verschiedene Teile der Wertschöpfungskette(n) des Unternehmens wesentlich sein. Tatsächlich zur Wertschöpfungskette anzugebende Informationen fordert der ED ESRS LSME dagegen nur in geringerem Umfang (ED ESRS LSME Abschn. 2). Allerdings sind hierbei auch die Vorgaben zu unternehmensspezifischen Angaben zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang stellt die "Compilation of Explanations" zu ED ESRS Set 1 aus Juli 2024 klar, dass ein Unternehmen für als wesentlich identifizierte Themen in seiner Wertschöpfungskette ggf. (unternehmensspezifische) Angaben dazu machen muss, auch wenn der einschlägige themenbezogene Standard nur die Angabe von Kennzahlen bzgl. der eigenen Geschäftstätigkeit vorschreibt. Zudem können weiterführende Berichtspflichten hierzu aus künftigen sektorspezifischen ESRS erwachsen. Dieses Verständnis dürfte nach derzeitigem Stand nicht nur für die ESRS Set 1, sondern auch für die Anwendung des künftigen ESRS LSME gelten.
Rz. 32
ED ESRS LSME Abschn. 1.58 stellt im Zusammenhang mit den Angaben zu Auswirkungen und Risiken in der Wertschöpfungskette klar, dass – basierend auf den Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse – auch Investitionen und andere Geschäftsbeziehungen mit den Tochterunternehmen eines berichtenden LSME-Unternehmens Quellen wesentlicher Auswirkungen und Risiken sein können. Bereits ESRS 1.67 legt fest, dass assoziierte (associates) und Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures), die at-equity oder quotal in einen Konzernabschluss einbezogen werden, Teil der Wertschöpfungskette sein können, z. B. als Lieferanten. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, auf welche Rechnungslegungsnormen abgestellt wird. Neben den International Financial Reporting Standards (IFRS) kommt auch das jeweilige nationale Bilanzrecht infrage. Da der ED ESRS LSME hinsichtlich der KMU-Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die Einzelunternehmensebene abstellt (Rz 16), dürften in diesem Kontext die nationalen Vorgaben zur Rechnungslegung im Vordergrund stehen – in Deutschland also das HGB.
Rz. 33
Die Geschäftsbeziehungen zu diesen Unternehmen sind analog zu den Geschäftsbeziehungen zu anderen Akteuren in der Wertschöpfungskette zu behandeln. Diese Regelung wird in ED ESRS LSME Abschn. 1.62 dahingehend ausgedehnt, dass neben assoziierten und Gemeinschaftsunternehmen auch Tochterunternehmen (subsidiaries) hiervon erfasst werden, da diese aufgrund der im LSME vorgegebenen Einzelberichtsebene gerade nicht im Nachhaltigkeitsbericht erfasst sind. Dies ändert jedoch nichts an der Konzeption der Einbeziehung derartiger Beziehungen im Vergleich zu ESRS Set 1. So werden die sich auf die assoziierten, Gemeinschafts- und Tochterunternehmen beziehenden Daten – unabhängig von den gehaltenen Anteilen an deren Eigenkapital – auf der Grundlage der Auswirkungen berücksichtigt, die durch die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens direkt mit seinen Produkten und Dienstleistungen verbunden sind. Um den Ansatz für die Ermittlung von auswirkungsbezogenen Kennzahlen bei assoziierten, Gemeinschafts- und Tochterunternehmen zu veranschaulichen, soll mit der Anwendungsanforderung AR19 in Abschn. 1 des ED ESRS LSME zudem ein erläutern...