Rz. 15
Mehrere Entwicklungen erhöhen seit Jahren den Druck auf Familienunternehmen, ihr Nachhaltigkeitsmanagement und die dazugehörige Berichterstattung zu professionalisieren. Zu nennen sind v. a. die neuen Vorgaben der CSRD, der zufolge z. B. bilanzrechtlich große Familienunternehmen erstmals für das Geschäftsjahr 2025 einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen – selbst wenn sie nicht kapitalmarktorientiert sind. Dieser Nachhaltigkeitsbericht muss von Externen geprüft und bestätigt werden, eine Aufgabe, die nach den deutschen Plänen für die Umsetzung der CSRD Wirtschaftsprüfern obliegen wird. Die relevanten 12 European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die Berichtspflichten der CSRD konkretisieren, wurden 2023 von der EU verabschiedet. Familienunternehmen, die bilanzrechtlich als KMU zählen und als kapitalmarktorientiert einzustufen sind, müssen die CSRD spätestens für das Geschäftsjahr 2028 anwenden. Der für sie relevante, Erleichterungen vorsehende Standard "ESRS LSME" ("ESRS for Listed Small- and Medium-Sized Enterprises") sowie der Standard "VSME ESRS" ("Voluntary ESRS for Non-Listed Small- and Medium-Sized Enterprises") für KMU, die freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen möchten, sind noch in Arbeit (§ 10D).
Rz. 16
Weitere Faktoren sind:
- Kunden verlangen verstärkt Auskunft über die Nachhaltigkeit der Produkte und Dienstleistungen, seien es kritische Endkunden oder auch Geschäftskunden, die sich absichern wollen, dass ESG-Kriterien in ihrer Lieferkette eingehalten werden.
- Finanzinvestoren, Banken, andere Fremdkapitalgeber und Finanzierer verlangen immer detailliertere Angaben, welche Nachhaltigkeitsrisiken Unternehmen drohen und wie sie damit umzugehen gedenken. Im Fall von Sanierungen müssen Unternehmen (und damit auch Familienunternehmen) schon seit der Neufassung des Standards IDW S 6 im Jahr 2023 verstärkt Auskunft geben über Nachhaltigkeit i. S.e. Einhaltung von ESG-Anforderungen, wenn ihr Sanierungskonzept als aussichtsreich bewertet werden soll. Zudem sind insbes. eine "angemessene Kommunikation mit den Stakeholdern, erweiterte Berichterstattungspflichten und die Integration von ESG-Risiken in den allgemeinen Risikomanagementprozess" erforderlich.
- Juristische Risiken wachsen. NGOs erheben immer häufiger Klagen, Medien berichten über sog. "Greenwashing", die EU geht gegen irreführende Werbung vor. Wer nicht konsequent ist, riskiert die Reputation.
- Aktuelle Mitarbeiter oder interessierte Bewerber machen die Frage, wie nachhaltig ihr (potenzieller) Arbeitgeber wirtschaftet, zunehmend zum Kriterium, ob sie bleiben oder kommen – was angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels ein entscheidender Faktor sein kann.
- Zu guter Letzt werden auch die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels selbst immer spürbarer. Längst geht es – ganz i. S.d. doppelten Wesentlichkeit (§ 9A Rz 9) – nicht mehr nur darum, welche Folgen das Wirken von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft hat ("inside-out"), sondern auch darum, wie sich Naturkatastrophen wie Dürren, Fluten oder Stürme sowie rechtliche Vorgaben auf Branchen, Unternehmen, Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse auswirken ("outside-in").
Rz. 17
Von einer Frage der Kommunikation, die es für viele Familienunternehmen lange Zeit war, wandelt sich Nachhaltigkeit zur Kernkompetenz. Sie rückt mehr und mehr ins Zentrum wirtschaftlicher Aktivitäten – und damit auch eine alle 3 Dimensionen umfassende Transformation des Geschäftsmodells. Dies lässt sich einerseits an Bemühungen von Familienunternehmen ablesen, den Begriff der "Enkelfähigkeit" zu etablieren, wie es z. B. das WIFU oder auch eine von Haniel und Kienbaum getragene Bewegung versuchen. Andererseits engagieren sich Familienunternehmen in einschlägigen Zusammenschlüssen wie der Initiative "Wirtschaft pro Klima" oder der "Stiftung KlimaWirtschaft". Auch im Bundesverband nachhaltige Wirtschaft (BNW) sind prominente Namen wie die Andechser Molkerei, Baufritz, DM, Elobau, Haniel, Hipp, Neumarkter Lammsbräu oder Vaillant aktiv.
Rz. 18
Will ein Familienunternehmen nachhaltiger arbeiten und sich für die Anforderungen der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung rüsten, muss es neben der Corporate Governance auch die Family Governance in den Blick nehmen.
In der Corporate Governance sollte es die ESG-Ziele klar in der Mission verankern. Diese Ziele sollten sowohl durch das Topmanagement als auch durch die Familie geteilt, auf allen Ebenen des Unternehmens unterstützt und in strategische Entscheidungen einbezogen werden. Das kann bspw. bedeuten, dass Investitionen in nachhaltige Technologien getätigt oder bestimmte Geschäftspraktiken vermieden werden. Die Verantwortlichkeit für die Verfolgung der ESG-Ziele sollte auf Vorstands- und Managementebene klar geregelt sein, z. B. durch die Ernennung eines Chief Sustainability Officer. Unternehmen, die unter die CSRD fallen, müssen zudem transparent machen, inwiefern die Mitglieder der Verwaltungs-, ...