Rz. 41
Bislang besteht keine Verpflichtung, die vielfältigen ESG-Berichte von PIEs (Erklärung zur Unternehmensführung, nichtfinanzielle Erklärung, Vergütungsbericht) mit der Finanzberichterstattung zu integrieren (Integrated Reporting). Dieser Umstand vergrößert das Risiko von "Greenwashing" und einer Informationsüberflutung durch den stetig steigenden Umfang der ESG-Berichterstattung und die damit einhergehenden inhaltlichen Dopplungen. In jüngerer Zeit hatten viele (inter)nationale Institutionen eine inhaltliche Ausweitung der nichtfinanziellen Berichterstattung empfohlen, z. B. der Sustainable-Finance-Beirat der deutschen Bundesregierung.
Rz. 42
Vor diesem Hintergrund wurde die CSRD veröffentlicht, die die inhaltliche Reichweite der Normierungen aus der NFRD erheblich vergrößert. Die nichtfinanzielle Erklärung wird in einen Nachhaltigkeitsbericht (ESG-Bericht) überführt, der zwingend als gesonderter Abschnitt im Lagebericht auszuweisen ist (§ 9 Rz 67). Neben einer massiven Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen werden die Berichtsanforderungen wesentlich verbreitert. Im Fokus steht die Betonung des Prinzips der doppelten Wesentlichkeit, wonach nicht nur die klassische Outside-in-Perspektive, sondern auch die herausfordernde Inside-out-Perspektive mit der unternehmerischen Impact-Messung von externen Klima- und Sozialeffekten eingenommen werden soll. So können sich bspw. Klimarisiken einerseits auf die (finanzielle) Geschäftstätigkeit des Unternehmens wesentlich auswirken. Andererseits führt die Geschäftstätigkeit zu einer wesentlichen Beeinflussung der Umwelt als externalisierte Effekte. Die EU-Kommission hatte im Juli 2023 ein erstes Set der ESRS veröffentlicht. Neben Umwelt- und Sozialthemen werden auch Governance-Angaben im neuen Nachhaltigkeitsbericht erfasst. Insofern müssen die CSRD-pflichtigen Unternehmen auch über ihr nachhaltigkeitsbezogenes Tätigkeits- und Besetzungsprofil im Verwaltungsrat im Nachhaltigkeitsbericht berichten. Durch diese "Nudging"-Strategie könnte der Druck steigen, Umwelt- und Sozialexpertise im Vorstand und Aufsichtsrat massiv aufzubauen und die entsprechenden internen Managementsysteme um ESG-Aspekte zu erweitern.
Rz. 43
Nach der CSRD wird allerdings die Chance einer vollständigen Synchronisierung bisheriger ESG-Berichte mit dem "neuen" Nachhaltigkeitsbericht vertan. Lediglich für Teile der Diversitätsberichterstattung als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung wird ein Mitgliedstaatenwahlrecht eröffnet, diese in den Nachhaltigkeitsbericht zu integrieren. Für andere Teile, z. B. für die Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex, ist keine Integration vorgesehen. Entsprechendes gilt für den "neuen" Vergütungsbericht nach der angepassten EU-Aktionärsrechte-Richtlinie. Insofern ist davon auszugehen, dass auch die neue Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU-Kommission lediglich eine Übergangslösung darstellen wird auf dem langfristigen Pfad einer integrierten Finanz- und ESG-Berichterstattung.
Rz. 44
Nach der CSRD werden große haftungsbeschränkte EU-Unternehmen, große EU-Kreditinstitute sowie Versicherungen zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet, sofern 2 der folgenden Kriterien (25 Mio. EUR Bilanzsumme, 50 Mio. EUR Umsatzerlöse und 250 Mitarbeiter) an 2 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden. Ferner sollen sämtliche in der EU börsennotierten Unternehmen – mit Ausnahme der Mikro-Unternehmen – unter die Berichtspflicht fallen. Nicht-EU-Unternehmen mit einem Umsatz innerhalb der EU und mit EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen mit über 150 Mio. EUR Umsatz fallen künftig ebenfalls unter die Berichtspflicht. Für alle anderen Non-PIE-Unternehmen ist keine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgesehen, wobei die EU-Kommission unverbindliche Empfehlungen für eine "maßgeschneiderte" Berichterstattung auch für die SMEs erlassen möchte. In diesem Kontext hat die EFRAG ESRS-Entwürfe für Listed SMEs (LSME) und für Voluntary SMEs (VSME) veröffentlicht (§ 10D). Unabhängig von der konkreten Berichtspflicht nach der CSRD wird die Integration von Nachhaltigkeit in die Corporate Governance über die Beachtung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG und der CSDDD auch für (kapitalmarktferne) mittelständische Unternehmen relevant. Insofern bedarf es einer Diskussion, inwiefern die ehemals nur für PIEs regulierte Vergütungs- und Corporate-Governance-Berichterstattung (inkl. der Befolgung der Empfehlungen des nationalen Corporate Governance Kodex) mit dem neuen ESG-Bericht nach der CSRD und der CSDDD noch aufrechterhalten werden kann.