Die sog. EU-Zwangsarbeits-Verordnung (EU Forced Labour Regulation, EUFLR) befindet sich derzeit im weit fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahren. Zuletzt hatte das EU-Parlament am 23.4.2024 den Verordnungsvorschlag angenommen, nachdem bereits zuvor im März 2023 eine vorläufige politische Einigung mit dem EU-Rat gefunden wurde.
Inhaltlich bezweckt die EUFLR zum Kampf gegen Zwangsarbeit beizutragen und den EU-Binnenmarkt zu stärken. Jede Form von Zwangsarbeit soll in den Lieferketten von in der EU ansässigen Unternehmen beseitigt werden. Zwangsarbeit stellt eine schwere Verletzung der Menschenwürde und der grundlegenden Menschenrechte dar. Sie trägt zum Fortbestehen von Armut bei und steht der Verwirklichung des Ziels der menschenwürdigen Arbeit für alle im Wege. Schätzungsweise waren im Jahr 2021 etwa 27,6 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen, wobei Frauen, Kinder, ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, Angehörige einer niedrigeren Kaste, Angehörige indigener oder in Stämmen lebender Völker sowie Migranten besonders gefährdet sind, zu Arbeit gezwungen werden.
4.1 Sachlicher Regelungsgegenstand der EUFLR
In ihrem sachlichen Anwendungsbereich erfasst die EUFLR Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden und verbietet deren Inverkehrbringen sowie deren Bereitstellung auf dem Unionsmarkt und das Ausführen jener Produkte aus dem Unionsmarkt.
Dahingegen findet die Verordnung keine Anwendung für die Rücknahme von Produkten, die bereits bei den Endnutzern auf dem Unionsmarkt angekommen sind.
Der sachliche Anwendungsbereich knüpft daher – ähnlich wie die EUDR – an Produkte mit einem bestimmten Merkmal einerseits und eine Reihe von damit zusammenhängenden unternehmerischen Tätigkeiten an.
Hinsichtlich des betroffenen "Produkts" ist die Verordnung allerdings sehr weit gefasst und erfasst jedes Produkt, das einen Geldwert hat und Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann, unabhängig davon, ob es gewonnen, geerntet, erzeugt oder hergestellt wird, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer beliebigen Stufe seiner Lieferkette.
Eine Beschränkung auf bestimmte relevante Rohstoffe oder relevante Erzeugnisse gibt es hier nicht. Eingeschränkt wird dies lediglich durch das Erfordernis, dass das Produkt "in Zwangsarbeit hergestellt" worden sein muss. Das trifft auf alle Produkte zu, bei denen auf einer beliebigen Stufe ihrer Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung insgesamt oder teilweise Zwangsarbeit eingesetzt wurde, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer beliebigen Stufe ihrer Lieferkette.
Eine eigene Definition des Begriffs der "Lieferkette" wurde dabei erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen und war noch in dem ursprünglichen Verordnungsvorschlag nicht vorgesehen. Hierunter soll das System der Tätigkeiten, Prozesse und Akteure, die in allen vorgelagerten Stufen der Bereitstellung des Produkts auf dem Markt involviert sind zu verstehen sein, d. h. die Gewinnung, Ernte, Erzeugung und Herstellung eines Produkts oder von Teilen davon, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer dieser Stufen. Die sog. nachgelagerte Lieferkette entfaltet für die Betrachtung daher keine Relevanz.
Hinsichtlich des Begriffs der "Zwangsarbeit" verweist Art. 2 lit. a EUFLR auf die Definition der Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich Kinderzwangsarbeit, im Sinne des Art. 2 des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (im Folgenden ILO-Konvention-29). Demnach fällt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, in den Anwendungsbereich. Diese Definition erfährt in Art. 2 Abs. 2 ILO-Konvention-29 allerdings 5 konkrete Einschränkungen, die über die Verweisung in Art. 2 lit. a EUFLR auch für die Zwangsarbeitsverordnung der EU gelten. Diese Einschränkungen betreffen grob gesprochen die Bereiche
- Militärdienstpflichten,
- übliche Bürgerpflichten,
- Arbeiten aufgrund gerichtlicher Verurteilungen,
- Arbeiten in Fällen höherer Gewalt (z. B. Krieg oder Naturkatastrophen),
- kleinere Gemeindearbeiten, die unmittelbar dem Wohle der Gemeinschaft.
In Hinblick auf die vom Anwendungsbereich erfassten Tätigkeiten entspricht die EUFLR weitgehend der EUDR. Unter Art. 1 Abs. 1 EUFLR fallen daher das Inverkehrbringen, das Bereitstellen auf dem Unionsmarkt und die Ausfuhr aus dem Unionsmarkt.