Dr. Mathias Onischka, Kim-Svea Sommer
Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Geschäftsaktivitäten wird MVV einen Großteil der qualitativen und quantitativen Berichtsanforderungen der CSRD / ESRS abdecken müssen. Die Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen ist ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihre Ressourcen effektiv einsetzen bzw. auf nicht-erforderliche Berichtsaspekte ggf. verzichten oder zumindest mit Blick auf Umfang und Qualität depriorisieren.
Im Kontext der CSRD gibt es verschiedene Aspekte, die bei der Priorisierung berücksichtigt werden sollten. Zunächst gilt es, verpflichtende von freiwilligen Datenpunkten zu unterscheiden. MVV hat sich dafür entschieden, sich vorrangig auf die verpflichtenden ("shall") Berichtsanforderungen zu beschränken. Geht man diesen Weg wird in einem 1. Schritt bestimmt, für welche der verpflichtenden Datenpunkte es eine Phase-In-Option gibt (s. Abb. 4). Für einen Großteil der Datenpunkte mit Phase-In-Option entfällt die Berichtspflicht im 1. Berichtsjahr. Ob dieser Spielraum auch tatsächlich genutzt wird, kann zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.
In einem 2. Schritt wird zwischen qualitativen und quantitativen Datenpunkten differenziert. Qualitative Datenpunkte lassen sich schneller bearbeiten als quantitative Datenpunkte, für die häufig erst ein Datenerhebungsprozess neu etabliert werden muss. Dementsprechend haben qualitative Datenpunkte im Projektkontext eine untergeordnete Priorität.
In einem finalen Schritt sollte man identifizieren, ob für einen quantitativen Datenpunkt bereits Werte und Berichtsprozesse vorhanden sind. Falls nicht, haben diese Datenpunkte die höchste Priorität.
Abb. 4: Priorisierung der Berichtsinhalte
Empfehlenswert ist es, die zu berichtenden Anforderungen zu "clustern", um den Aufwand bei der Prozessentwicklung so gering wie möglich zu halten. Bei MVV kann ein Großteil der qualitativen Anforderungen auf Konzernebene durch entsprechende Texterstellungen erfüllt werden. Daher ist es nicht erforderlich, für jede einzelne qualitative Offenlegungsanforderung auf Ebene der Gesellschaften der MVV-Gruppe eigene Reporting-Prozesse zu entwickeln. Zusätzlich können viele HR- und Einkaufskennzahlen zentral erhoben werden, was den Aufwand auf Gesellschaftsebene weiter reduziert.
Bei den verbleibenden Kennzahlen wird zwischen neuen und bestehenden unterschieden. Für die neuen Kennzahlen ist die Entwicklung eines vollständig neuen Prozesses erforderlich, weshalb diesen Kennzahlen die höchste Priorität bei der Integration der CSRD haben. Der Aufwand ist dann besonders hoch, wenn keine Primärdaten vorhanden sind, wie bspw. biodiversitätsrelevante Flächendaten.
Viele der CSRD-Kennzahlen liegen bislang nicht in einer zentralen Datenhaltung vor, sondern dezentral in unterschiedlichsten Vorsystemen. Insofern ist eine automatisierte Datenerhebung erst dann möglich, wenn End-to-End-IT-Prozesse etabliert wurden. Aufgrund der hohen Anzahl an Datenpunkten, Anzahl der Berichtseinheiten und der teilweisen Komplexität der Datenweiterverarbeitung wird die angestrebte zentrale Datenverwaltung und -analyse mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die bislang am Markt angebotenen CSRD-IT-Lösungen adressieren vorrangig das Front-End für die im Berichtsprozess Beteiligten. Durchgängige End-to-End-Lösungen werden selbst von den großen IT-Anbietern bislang noch nicht angeboten. Nichtsdestotrotz verfolgt MVV das Ziel durch einen langfristig hohen Automatisierungsgrad den Datenerhebungsaufwand auf einem handhabbaren Maß zu halten.