1.1 Digitalisierung: Vielzahl der Definitionen
Der Begriff "Digitalisierung" bezeichnet ursprünglich zunächst nichts anderes als die Wandlung analoger Informationen in eine Form, die maschinenlesbar ist. Meistens dient dies dem Zweck, diese Informationen elektronisch zu speichern und zugänglich zu machen. Ein Beispiel ist das Scannen gedruckter Bücher. Informationen in Form digitaler Daten sind platzsparend, schnell verfügbar und schneller zu durchsuchen als analoge Daten.
Allerdings bezeichnet Digitalisierung je nach Kontext inzwischen eine Vielzahl anderer Dinge, so dass eine trennscharfe Abgrenzung inzwischen schwer fällt. Beinahe synonym wird beispielsweise im industriellen Kontext für Digitalisierung die "Industrie 4.0" genannt, deren Begrifflichkeit auf eine vierte industrielle Revolution verweist. Hier umfassen die hervorstechenden Charakteristika die Informatisierung der Fertigungstechnik und die engere Vernetzung zwischen Produktion und Logistik. Die Grundlage der Technologien ist jedoch weiterhin die Mikroelektronik – der Kern der dritten industriellen Revolution – so dass der Begriff der Industrie 4.0 streitbar ist.
Darüber hinaus gibt es auf gesellschaftlicher Ebene eine Vielzahl von Berührungspunkten mit der Digitalisierung, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die unseren modernen Alltag intensiv prägen – E-Book-Reader, Smart Watches, Streaming und dergleichen. Das sind Beispiele für Technologien, die es zuvor in analoger Form gab, die inzwischen durch den Prozess der Digitalisierung inkrementell verändert wurden. Daneben stehen Technologien, die radikale Innovationen sind. Sie sind erst möglich, da die Rechenkapazität seit den ersten Gehversuchen des Computers exponentiell gewachsen ist: das Internet und darin viele Dienste, augmented und virtual Reality, digitale Zwillinge oder die CRISPR Gen-Schere.
1.2 Was haben Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander zu tun?
Trotz Vielzahl der Definitionen ist heute mit Digitalisierung der Megatrend gemeint, der sich weit über die Ebenen der tatsächlichen Anwendung erstreckt:
Digitalisierung als einschneidender Megatrend
Eine globale, gesamtgesellschaftliche, soziotechnische Transformation durch eine exponentiell wachsende Leistungsfähigkeit von Mikroelektronik – einschneidend und vergleichbar mit der Elektrifizierung.
Da die Digitalisierung Einfluss auf so viele Ebenen hat, bringt sie große Komplexität mit sich. Dieser Prozess ermöglicht viel, stellt uns aber gleichzeitig vor viele Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen. Man kann sagen, dass hier 2 Gegensätze aufeinander prallen, die uns dazu zwingen, uns zurück zu besinnen. Denn viele Entscheidungen bedürfen des Rückgriffs auf Ethik, Empathie und andere "weiche" Faktoren, die in der Welt der Maschinen keine Rolle spielen. Und das zeigt sich ganz besonders beim Thema der Nachhaltigkeit.
Faktoren der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz
Im öffentlichen, wirtschaftlichen und politischen Diskurs wird die Digitalisierung gerne stets mit Nachhaltigkeit assoziiert. Und der Gedanke liegt nahe: Digitalisierung hat zumindest das Potenzial, Prozesse effizienter zu machen. Und Effizienz ist ein Faktor von Nachhaltigkeit – aber eben nur ein Faktor. Effizienz umfasst allgemein den sparsamen Einsatz eines Mittels (Geld, Zeit, Energie, Rohstoff) zur Herstellung/Erreichung eines Ziels. Es gibt aber noch 2 andere Faktoren: Konsistenz und Suffizienz.
- Konsistenz bedeutet, dass Produkte bei Herstellung, Betrieb und Entsorgung nach Ressourcen- und Umweltverträglichkeitsgesichtspunkten zu optimieren sind. Recyling und kreislaufwirtschaftliche Prozesse zählen meist in diesen Bereich.
- Suffizienz beinhaltet die Forderung, den Energie- und Rohstoffverbrauch auf ein Mindestmaß einzuschränken – sprich: Geräte bspw. gar nicht erst herzustellen, selbst wenn sie hinterher recycled werden können. Auf höherer Ebene ist die Forderung von Suffizienz, gesellschaftliches Wohlergehen nicht mit Konsumchancen gleichzusetzen.
Nachhaltigkeit kann erst entstehen, wenn die 2 Faktoren Effizienz und Konsistenz zusammen mit Suffizienz eingesetzt werden. Nur eine erhöhte Effizienz und/oder Konsistenz in Kombination mit gleichzeitigem, suffizientem Verhalten kann Nachhaltigkeit hinreichend bewirken. Konsistenz und Effizienz reichen alleine nicht aus und sind lediglich notwendige Faktoren.
"Rebound-Effekte" durch Mehrverbrauch möglich
Durch Effizienz erzeugte Einsparpotenziale verusachen in vielen Fällen einen Mehrverbrauch, der die Einsparungen zumindest teilweise tilgt – wenn bspw. die "smarten" Heizungsthermostate in der Bilanz zwar Heizkosten sparen, aber einen Mehrverbrauch an Energie erzeugen. Es handelt sich um "Rebound-Effekte".
Nachhaltigkeitspotenziale der Digitalisierung
Das bedeutet, dass die Effizienzeffekte der Digitalisierung ein Potenzial für Nachhaltigkeit besitzen – aber Nachhaltigkeit beim Einsatz digitaler Lösungen noch lange nicht "automatisch" erreicht ist. Denn durch die enorme Steigerung des Bedarfs an Energie, Rohstoffen, Logis...