Zusammenfassung
Nachhaltigkeit ist aktuell in aller Munde, Experten werden händeringend gesucht. Aber wie kann mit der Umsetzung gestartet werden, was braucht es für die erfolgreiche Implementierung und welche Kompetenzen sollten Mitarbeiter haben? Eine erste Einordnung bietet dieser Praxisbeitrag.
1 Was sind die ersten Schritte beim Aufsetzen einer Nachhaltigkeitsstrategie?
1.1 Mit Materialitätsanalyse starten und Nachhaltigkeitsstrategie definieren
Grundsätzlich wird im Idealfall mit einer Stakeholder- und Materialitätsanalyse (auch Wesentlichkeitsanalyse genannt) gestartet. Hierbei definiert ein Unternehmen, welche Stakeholder (Mitarbeiter, Kunden, NGOs, Shareholder etc.) es hat und welche Nachhaltigkeitsthemen aus Sicht des Unternehmens und dieser Stakeholder für das Unternehmen bedeutend sind. Diese Vorarbeit ist wichtig, um einen strategischen Fokus zu legen und zu wissen, wo der eigentliche Impact der Organisation auf ökologische und soziale Themen ist und wo gegebenenfalls auch Risiken für das eigene Geschäftsmodell liegen.
Eine mögliche Herangehensweise zur Materialitätsanalyse wäre es, zunächst eine Bewertungslogik festzulegen sowie generelle Nachhaltigkeitsthemen zu ermitteln. Die erstellte Liste an potenziell wesentlichen Themen bildet die Basis für die Befragung aller festgelegten internen und externen Stakeholder. Im nächsten Schritt könnte dann der Austausch mit den unterschiedlichen Stakeholdern (z. B. Online-Fragebogen, Workshops oder Einzelinterviews) zu ihren Bedürfnissen und Erwartungen hinsichtlich der festgelegten Nachhaltigkeitsthemen stattfinden. Mit Hilfe ihrer Bewertung empfiehlt sich dann die Einordnung der Nachhaltigkeitsthemen in die Wesentlichkeitsmatrix (von niedrig bis hoch), sodass letztlich auf einer Achse die Relevanz der Themen aus Stakeholdersicht, auf der anderen die Relevanz aus Unternehmenssicht abgebildet ist. Das Feld, in dem die Relevanz beider Gruppen am höchsten ist, zeigt die zentralen strategischen Handlungsfelder, an denen die Organisation dann bevorzugt arbeiten sollte.
Exemplarische Materialitätsmatrix
Abb 1: In der Materialitätsmatrix können die Themen entsprechend ihrer Relevanz aus Stakeholder- und Unternehmenssicht abgebildet werden.
1.2 Ambitionsniveau der Organisation definieren
Dabei ist es auch wichtig, das Ambitionsniveau der Organisation zu verstehen. Möchte das Unternehmen Vorreiter sein oder doch eher "nur" die grundlegenden Anforderungen erfüllen? Hierzu gibt es unterschiedliche Methoden, um das Ambitionsniveau einzugruppieren. Eine Möglichkeit zeigt Müller-Christ, der zwischen
- geringem Ambitionsniveau (nur optimieren),
- mittlerem Ambitionsniveau (optimieren und investieren) und
- hohem Ambitionsniveau (optimieren, investieren und reflektieren)
unterscheidet.
Beim geringen Ambitionsniveau wird das herkömmliche Management lediglich um die Öko-Effizienz erweitert: durch eine ökologische Verbesserung profitiert das Unternehmen auch von einem ökonomischen Vorteil (Beispiel: weniger Ressourcen- oder Energieeinsatz pro Produkteinheit und dadurch weniger Kosten).
Beim mittleren Ambitionsniveau wird die Öko-Effizienz noch um die Substanzerhaltung erweitert. Das Unternehmen hat seine Abhängigkeit von materiellen und immateriellen Ressourcen sowie deren Begrenzung erkannt und setzt sich mit der Optimierung von Abläufen, der langfristigen Sicherung bzw. neuen Wegen der Ressourcenbeschaffung auseinander.
Beim hohen Ambitionsniveau kommt noch die Verantwortung on top, da diese Stufe diverse Entscheidungen über Dilemmata, Widersprüche und Unvereinbarkeiten mit sich zieht und Entscheidungsträger entsprechend gefordert sind.
1.3 Regulatorische Anforderungen kennen
Die grundlegenden Anforderungen an ein Unternehmen basieren vor allem auf dem regulatorischen Rahmen. Wichtig ist, genau zu verstehen, welche ESG-Regulatorik auf das Unternehmen zutrifft, bspw. in Bezug auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Von dem LkSG sind seit 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, seit 2024 Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern im Inland betroffen. Berichtspflichtig nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz waren bisher große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern von öffentlichem Interesse (gelistete Firmen, Banken und Versicherungen). Die CSRD erweitert den Kreis auf gelistete Unternehmen und Unternehmen, wenn sie 2 der 3 Kriterien erfüllen:
- Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR,
- Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschlussstichtag von mehr als 50 Mio. EUR,
- mehr als 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt.
Hiermit fallen ca. 15.000 weitere Unternehmen unter die Berichtspflicht.
Weitere neue regulatorische Anforderungen werden sich in den nächsten Jahren u. a. auch über die Green Claims Directive (zur Bekämpfung von Greenwashing und Schutz der Verbraucher), die EU-Verpackungsrichtlinie (zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der Verpackungsabfälle) oder die EU-Verordnung zur Vermeidung von Entwaldung ergeben.
1.4 Netzwerk im Unternehmen aufbauen
Parallel zur Strategieentwicklung und Schwerpunktset...