Dominik Bär, Prof. Roland Roth
Zwei Erfahrungen aus der Netzwerkpraxis verdienen besondere Aufmerksamkeit:
1. Auf die kommunale Praxis kommt es an. Die zentrale Erwartung des Vereins "Kinderfreundliche Kommunen" kann als bestätigt gelten. Kommunen kommt, wenn sie sich dafür einsetzen und den Auftrag der UN-Kinderrechtskonvention ernst nehmen, eine zentrale Bedeutung in der Umsetzung der Kinderrechte zu. Die Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 2) bietet den Kommunen die Möglichkeit, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Im Fall der Verwirklichung von Kinderrechten müssen sie dabei nicht einmal ihr Aufgabenfindungsrecht bemühen, denn die in der UN-Konvention festgeschriebenen Kinderrechte haben bereits jetzt den Status eines einfachen Bundesgesetzes. Als zentrale Umsetzungsebene von Gesetzen des Bundes und der Länder sind sie selbstverständlich auch den internationalen Konventionen verpflichtet, denen die Bundesrepublik beigetreten ist. Kommunen haben das Recht und die Pflicht Kinderrechte auch dort zur Geltung zu bringen, wo Fachgesetze dies (noch) nicht zwingend vorschreiben.
Auch wenn Kommunalpolitik und -verwaltung dabei eine prägende Rolle spielen, gelingt dies nur mit der "örtlichen Gemeinschaft", von der im Grundgesetz die Rede ist. Dazu gehören zuerst die Stadtbürgerinnen und Stadtbürger bzw. die Einwohnerschaft sowie die lokale Zivilgesellschaft, ihre Vereine, Verbände und Initiativen. Auch lokale Unternehmen sind angesprochen, wenn sie ihre Verantwortung für die Kommune wahrnehmen. Es braucht nicht nur die Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik, sondern die örtliche Gemeinschaft insgesamt, um Kinderrechte zu verwirklichen.
Dabei gilt es, die Handlungsgrenzen und einschränkenden Rahmenbedingungen der Kommunen zu beachten. Erinnert sei an den anhaltenden Trend zur Überregelung. Oft werden Kommunen neue gesetzliche Aufgaben ohne die entsprechende Finanzausstattung auferlegt. Die Folge sind Umsetzungsdefizite, selbst bei den Pflichtaufgaben. Es kommt darauf an, rechtliche Vorgaben mit entsprechenden Bundes- und Landesmitteln für die Kommunen umsetzbar zu machen, damit sie den so gestärkten Verpflichtungen auch gerecht werden können. Um dies an einer zentralen Norm der Kinderrechtskonvention zu verdeutlichen: Das in Art. 12 verankerte Recht auf Beteiligung ist kein Selbstläufer, sondern kann kommunal nur mit qualifiziertem Personal und angemessene Ressourcen umgesetzt werden. Bislang rangieren die Ausgaben für Kinderbeteiligung noch unter den freiwilligen Leistungen. Und die Umsetzung der in Art. 3 normierten vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls, die auch für kommunale Verwaltungen gilt, ist noch nicht einmal in den Kinderschuhen angekommen.
Aber zu den ermutigenden Erfahrungen des Programms "Kinderfreundliche Kommunen" gehört, dass auch Kommunen mit schwächerer Finanzausstattung bereit und in der Lage sind, Kinderrechte umzusetzen. Dies geht aus einer Studie von UNICEF und dem Institut der Deutschen Wirtschaft hervor, die Kommunen zu der Umsetzung der Kinderrechte befragt hat und einen Index erstellt, in dem auch finanziell schwächere Kommunen gut abschneiden.
2. Kinderrechte sind in den Kommunen angekommen. Es gibt kaum ein Handlungsfeld, das nicht kinderrechtlich inspiziert worden wäre. Dabei ist der Grad der Umsetzung der Kinderrechte je nach Handlungsfeld sehr unterschiedlich. Am weitesten entwickelt und institutionell abgesichert sind sie dann, wenn bereits entsprechende gesetzliche Vorgaben bestehen und in der kommunalen Verwaltungsorganisation ihren Niederschlag gefunden haben – ein prominentes Beispiel ist die Kinder- und Jugendhilfe und die Struktur der Jugendämter (SGB VIII). Eine kinderrechtssensible gesetzliche Ausgestaltung einzelner Handlungsfelder bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass diese Vorgaben auch in der Praxis umgesetzt werden – dies gilt z. B. für die Recht von Kindern mit Behinderungen oder von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Auch in etablierten Handlungsfeldern herrscht Entwicklungsbedarf, wie etwa bei der kinderrechtlichen Ausgestaltung von Kitas und Schulen. Allerdings gibt es bemerkenswerte Aufbrüche, wie z. B. in der Frühpädagogik. Deutlich ist aber, dass die grundständige Ausbildung und Qualifizierung des Verwaltungspersonals in Sachen Kinderrechte noch in den Anfängen steckt.