Dr. Manuel Schütt, Ass. jur. David von Varendorff
Nachhaltigkeit ist eines der bestimmenden Themen des 21. Jahrhunderts. Die ökologischen und sozialen Fragen der Gegenwart und Zukunft stellen das moderne Wirtschafts- und Rechtssystem vor neue Herausforderungen. Unternehmen haben im Bereich der Nachhaltigkeit inzwischen zahlreiche Berichtspflichten zu erfüllen, die zugleich Herausforderungen und Chancen für den deutschen Wirtschaftsstandort darstellen. Die Regelungsdichte in den Bereichen Corporate Social Responsibility (CSR) und Environmental Social Governance (ESG) nimmt stetig zu: Als Beispiele seien für Deutschland nur das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz genannt. Nun führt die Europäische Union mit der Corporate Social Responsibility Directive die unternehmensbezogenen Berichtspflichten im Europäischen Wirtschaftsraum einer weiteren Vereinheitlichung zu.
Die CSRD ist der Schlüssel zum Verständnis der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Richtlinie hat die Vorgaben für die unternehmensbezogene Berichterstattung tiefgreifend verändert, die seit 2013/14 einheitlich im Europäischen Wirtschaftsraum gelten: Mit der neuen CSRD wird nicht nur der Anwendungsbereich der unternehmensbezogenen Berichtspflichten auf große Teile der europäischen Unternehmen ausgedehnt. Es werden auch die inhaltlichen Anforderungen an die unternehmensbezogene Berichterstattung vereinheitlicht. Die Mitgliedstaaten sollten die europarechtlichen Regelungen, je nach Unternehmensgröße, für die ersten Unternehmen bereits ab dem 1.1.2024 anwenden. Die europäischen Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorgaben jedoch zunächst in nationales Recht umsetzen: Dies sollte spätestens bis zum 6.7.2024 geschehen. Bis jetzt kamen weder Deutschland noch alle anderen Mitgliedstaaten dieser europäischen Vertragspflicht nach.
Inzwischen hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) einen Referenten- und einen Regierungsentwurf vorgelegt, mit dem die wesentlichen Vorgaben der Richtlinie in eine neue Fassung des HGB übertragen werden sollen. Die Einführung der neuen Berichtspflichten ist für alle Beteiligten mit nicht zu unterschätzenden Risiken und einem erheblichen Erfüllungsaufwand verbunden. Unternehmen und beteiligten Personen drohen in Zukunft nicht nur empfindliche Strafen sowie hohe Buß- und Ordnungsgelder, wenn sie unrichtige Angaben machen oder den formalen und inhaltlichen Vorgaben zuwider handeln. Die Bundesrepublik Deutschland muss inzwischen wegen Versäumung der Umsetzungsfrist ein Vertragsverletzungsverfahren befürchten. Die Erfüllung der neuen Berichtspflichten wird in Zukunft einen ganz erheblichen Kosten- und Verwaltungsaufwand erfordern. Das gilt nicht nur für die Verwaltung (mind. 4,9 Mio. EUR), sondern auch für eine Vielzahl betroffener Unternehmen (mind. 1,58 Mrd. EUR). Allein für die Durchführung von Buß- und Ordnungsgeldverfahren rechnet das BMJ mit einem zusätzlichen IT- und Personal-Aufwand in Höhe von mehreren zehn- bis hunderttausend Euro pro Jahr.
Sowohl der Referenten- als auch der Regierungsentwurf orientiert sich im Wesentlichen 1:1 – mitunter nahezu wörtlich – an den Vorgaben der CSR-Richtlinie. Das gilt insbesondere für Inhalt und Form der Berichterstattung. Die allgemeine Pflicht zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten wird in Zukunft in § 289b HGB-E (Unternehmen) und § 315b HGB-E (Konzerne) verankert. Die allgemeinen Vorschriften über den Inhalt der Nachhaltigkeitsberichte orientieren sich nahezu wörtlich an den Vorgaben der Richtlinie. In Bezug auf die inhaltliche Konkretisierung der Nachhaltigkeitsberichte verweist sowohl der Referenten- als auch der Regierungsentwurf im Wesentlichen auf die Standards der Kommission. Das BMJ behält sich lediglich vor, diese Regelwerke in eigenen Rechtsverordnungen "näher zu bezeichnen".
Zur inhaltlichen Vereinheitlichung und Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, hat die Europäische Kommission schon 2023 eine Reihe von Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) erlassen. Die erlassenen Standards enthalten nicht nur allgemeine Vorgaben über Gestaltung (ESRS 1) und Mindestinhalt (ESRS 2) der Nachhaltigkeitsberichte, sondern auch themenbezogene Vorgaben zu
- Umweltthemen/Environment (ESRS E),
- sozialen Themen/Social (ESRS S) und
- Governance (ESRS G).
Insbesondere bei den sozialen Standards finden sich sozial- und arbeitsrechtliche Elemente: In ESRS S1 werden die Angaben über die eigene Belegschaft und in ESRS S2 die Angaben über die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette vereinheitlicht.
Neben der CSRD wird bei der Berichterstattung in Zukunft auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zu berücksichtigen sein, die am 15.3.2024 verabschiedet worden ist. Die CSDDD soll eine nachhaltige Wirtschaftspraxis entlang der gesamten Lieferkette gewährleisten. Dies umfasst eine allgemeine Sorgfaltspflicht zur Ermittlung, Vermeidung und Behebung...