Stuttgart hat inzwischen seinen zweiten Voluntary Local Review unter dem Titel "Lebenswertes Stuttgart – Die globale Agenda 2030 auf lokaler Ebene" Ende 2021 vorgestellt. Der Fokus dabei liegt auf der "Bestandsaufnahme" anhand der mit Bertelsmann und dem Deutschen Institut für Urbanistik entwickelten nationalen SDG-Indikatoren für Stuttgart. Ziele dieser Bestandsaufnahmen sind:
- "die UN-Nachhaltigkeitsziele in der Landeshauptstadt quantitativ und qualitativ darzustellen und durch eine Vielfalt von Praxisbeispielen verständlich und greifbar zu machen."
- "Entwicklungen im Zeitverlauf zu analysieren und Zusammenhänge wie Zielkonflikte zwischen Nachhaltigkeitszielen zu identifizieren und"
- "auf Grundlage eines regelmäßigen Monitorings Maßnahmen und politische Empfehlungen sowie inhaltliche Priorisierungen weiterzuentwickeln."
Danach werden umfassend auf 177 Seiten alle (!) Indikatoren des Bertelsmann Monitorings aufgelistet und für jeden eine Definition dargestellt. Der Aufbau des Berichts besteht aus
- einer “kurzen Formulierung des jeweiligen SDG-einem Überblick über die nach dem bundesweiten Projekt "SDG-Indikatoren für Kommunen" relevanten Teilziele und Themen
- eine Abbildung und Beschreibung der Entwicklung des jeweiligen Indikators
- der Einordnung nebst Definition und der Berechnungsgrundlage, zum Teil mit methodischen Hinweisen
- einer Darstellung zu den Zusammenhängen mit anderen SDGs und Hinweisen auf weitere Indikatoren, die relevant für das jeweilige SDG sind und der Darstellung ausgewählter Praxisbeispiele der Landeshauptstadt Stuttgart”.
Das liest sich dann so:
“SDG Indikator 1.1. Empfänger*innen sozialer Mindestsicherungsleistungen (ein klassischer Indikator, wie er in jeder deutschen Kommune verwendet wird). Beschreibung im Stuttgarter VLR: Mit den Empfänger*innen von sozialen Mindestsicherungsleistungen werden der SGBII/SGB XII Bezug und die Regelleistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfasst. Der Indikator beschreibt, wie hoch die Hilfsbedürftigkeit innerhalb der Kommune ist. Im Vordergrund stehen dabei die finanzielle, aber auch mögliche psychische Belastungen der Betroffenen. Das Ziel der Nachhaltigkeit sollte hierbei durch die Deckung des Bedarfs in Leistungen für Hilfsbedürftige erfolgen, damit diese ihr Leben selbst finanzieren können. [...] Der Indikator bildet den Anteil derjenigen Menschen ab, die tatsächliche Leistungen beziehen. Ein Problem entsteht durch die Dunkelziffer von Personen, die eigentlich leistungsberechtigt wären, aber keine Leistungen beantragen. [...] Der Indikator wird berechnet als Anteil der Personen, die Leistungen nach SGB II und SGB XII oder Regelleistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, an der Zahl der Einwohner*innen.”
Dies ist für Statistiker interessant, allerdings ein klarer Fall für den Anhang. Interessanter ist da schon – und darauf kommt es an – die Interpretation des Verlaufs von 2010 bis 2018: "Der Anteil der Empfänger*innen von sozialen Mindestsicherungsleistungen bewegt sich im Beobachtungszeitraum zwischen 7,9 % und 9 %. In den letzten Jahren von 2011 bis 2016 steigt er kontinuierlich an und bleibt auch im Jahr 2017 auf dem Höchststand von 9 %. Der extreme Anstieg seit 2014 kann durch die Zuwanderung von Geflüchteten in den Jahren 2015/2016 erklärt werden, wodurch auch die Anzahl derer gestiegen ist, die Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen."
Nach der Auflistung und Erklärung der Indikatoren für SDG 1 werden Praxisbeispiele, wie die aufsuchende, muttersprachliche Befragung älterer Menschen in Stuttgart-Wangen oder die Stadtteilhäuser als generationenübergreifende Treffpunkte mit Quartiersbezug vorgestellt.
Diese Beispiele zeigen, wie Stuttgart die UN-Nachhaltigkeitsziele 1–17 erreichen will. Allerdings ohne Fotos und lebhafte Grafiken, die eine Anschlussfähigkeit in Richtung Politik und natürlich Bevölkerung erleichtern würden.
Hier ist der Voluntary Local Review aus Bonn meines Erachtens maßstabgebend. In informativen, leicht zu verstehenden Grafiken stellt er den Sachstand und die Entwicklung der Stadt Bonn in Bezug auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele dar und stellt mit Fotos die jeweiligen Maßnahmen schnell erkennbar und ästhetisch sehr anspruchsvoll dar. Wiederum sehr informativ am Stuttgarter Bericht ist die Beschreibung des Zusammenhangs mit anderen SDGs. Der Zusammenhang von Armut und dem Bruttoinlandsprodukt (SDG 8 – Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) oder SDG 4 (Hochwertige Bildung) mit dem Indikator "Schulabgänge ohne Bildungsabschluss" oder SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden) mit dem Indikator "Vermittlung von Sozialwohnungen". Eine Gesamtdarstellung inhaltlicher Art mit Empfehlungen gibt es leider nicht und insgesamt kommen die Praxisbeispiele und dass was man machen will, um die Ziele zu erreichen, zu kurz. Er ist damit ein klassischer Statistikbericht, der viel Begleitung innerhalb einer Verwaltung braucht, damit die Erkenntnisse wirksam werden. Stuttgart hat inzwischen für den nächs...