Es ist erstaunlich, wie oft in unserem Umfeld Zustände genau von den Personen beklagt werden, die zumindest mit verantwortlich sind für die Situation. Was ist das für eine Anspruchshaltung, aus der heraus sich ein Unternehmen, das seit Jahren nicht mehr ausbildet, über den Fachkräftemangel beklagt? Was denkt sich ein:e Unternehmer:in dabei, wenn er/sie über die mangelnde Selbstständigkeit seiner/ihrer Mitarbeiter schimpft, aber gleichzeitig das Budget für die Schulung der Führungskräfte streicht? Warum wird – wenn Unternehmen sparen müssen – häufig als erstes an Weiterbildungsmaßnahmen gespart?
Ein wichtiger Grund ist sicher der, dass der Erfolg solcher Maßnahmen nicht eindeutig (in Euro) zu messen ist. Auch wenn jedem intuitiv klar ist, dass sich (gute) Schulungsmaßnahmen eher positiv als negativ auswirken, fehlt es doch an einer validen Abschätzung, was es dem Unternehmen wirklich "bringt", seine Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Oft werden Seminare von Arbeitgeberseite als Incentives angesehen, die sich zwar nicht direkt im Unternehmenserfolg niederschlagen, die aber zumindest über den Umweg der Motivation zu einer Effizienzsteigerung führen sollen. Die Mitarbeiter fühlen sich dagegen häufig "auf Schulung geschickt", weil sie nicht an dem Auswahlprozess der Maßnahmen beteiligt werden. Das Ergebnis ist, dass die Schulung dann tatsächlich keinen Erfolg hat und der Arbeitgeber sich bestätigt fühlt.
Und die Lösung? Meines Erachtens geht es bei diesem Thema darum, was sich ein Unternehmen im Bildungsbereich leisten will, was einem Unternehmen die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter wert ist – zunächst unabhängig von konkreten Erfolgskontrollen. Genauso muss auch ein Land über seinen Bildungsetat entscheiden, finde ich. Glauben die Verantwortlichen, dass es an Bildung mangelt, werden sie sinnvollerweise das Budget erhöhen, einfach in der Annahme, dass sich die Wirkung schon zeigen wird, wenn auch immer zeitverzögert. In diesem großen Maßstab lässt sich noch schwerer messen, ob eine Bildungsmaßnahme Erfolg hatte. Dazu müsste man valide Messkriterien haben, die z. B. beweisen, um wie viel Prozent ein Land sich im Bildungsbereich verbessert hat. Eine PISA-Studie allein reicht da nicht aus bzw. tatsächlich ist (Allgemein-)Bildung noch schwerer zu messen als konkrete Fähigkeiten und Kenntnisse, die man für ein bestimmtes Berufsbild benötigt.
Also, was ich sagen will, ist: Jedes Unternehmen sollte versuchen, die Kompetenz seiner Mitarbeiter an den jeweiligen Arbeitsplätzen einzuschätzen und ggf. vorhandenen Schulungsbedarf ermitteln. Das geht nicht normativ, sondern nur im Gespräch mit Vorgesetzten, den Mitarbeitern selber und den Schulungs-Institutionen. Eine Erhöhung der Anzahl der Schulungen ist somit nicht zwingend ein Kriterium oder zumindest nicht das einzige Kriterium zur Messung der Nachhaltigkeit in diesem Bereich. Vielmehr geht es um den Dialog, damit gezielt Diskrepanzen zwischen Anforderungen einer Stelle und den Fähigkeiten des Mitarbeiters auf dieser Stelle festgestellt und behoben werden können. Manchmal sitzt einfach nur die richtige Mitarbeiterin am falschen Platz.