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NEW und der erste CSRD-Bericht

Aller Anfang ist schwer: Alle, die ihren ersten CSRD-Bericht vorbereiten, können das nur bestätigen. So wie Fabian Eickstädt, der beim niederrheinischen Versorger NEW für Nachhaltigkeit verantwortlich ist. Wir begleiten Eickstädt und NEW auf diesem Weg. Heute: Wie erstellen wir den ersten Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD?

Der CSRD-Bericht war schon zu guten Teilen fertig. Die etwas ruhigere Sommerzeit nutzte, Fabian Eickstädt, Nachhaltigkeitsmanager bei der NEW-Gruppe, um alle Passagen des Nachhaltigkeitsberichts auszuarbeiten, die sich mit qualitativen Aussagen beschäftigen, wie etwa die Strategie: „Ich bin froh, dass ich das bereits geschrieben habe. Nun kann ich mich nämlich auf all die Detailfragen konzentrieren, die viel Zeit und Nerven kosten.“ 

Der Punkt, wo diese Detailfragen am meisten auftauchen, ist das Reportingtool. Die NEW hat das Tool ihrer Wahl in den vergangenen Wochen für die unternehmensspezifischen Anforderungen konfiguriert. „Das war nicht wirklich einfach. Die Anpassung an die Beteiligungsstruktur der NEW und ihre neun Geschäftsfelder machte diese Aufgabe für das Team beim Controlling relativ komplex“, erzählt Eickstädt. 

Eine der spannenden Fragen, die zuerst zu klären waren: Ab welcher niedrigsten Ebene werden die Daten erfasst? „Der Gesetzgeber denkt in Legal-Einheiten, aber wir steuern die Gruppe nach strategischen Geschäftsfeldern. Es ist schwierig, beide Ebenen im Reportingtool abzubilden“, sagt Eickstädt. Doch das ist wichtig, damit das Tool die Anforderungen der Berichterstattung erfüllt, in Zukunft aber auch der Unternehmenssteuerung dient. 

Detailfragen, Handarbeit, Interpretation

Zudem ergeben sich bei der Vorbereitung des Reportingtools viele Detailfragen. Zum Beispiel im Bereich Fortbildung: Bei der NEW werden digitale Schulungsstunden der Mitarbeitenden im System erfasst. Die Berichterstattung nach CSRD erfordert aber auch eine Aufteilung nach weiblich und männlich. „Solch eine Diversitätskennziffer bedeutet für uns einen manuellen Aufwand“, sagt Eickstädt. 

Was ist zum Beispiel mit einer Sonderschulung für Manager:innen, die NEW konzernweit durchführt, aber nicht digital erfasst? „Ich neige dazu, dass wir in einem ersten Schritt gegebenenfalls nur die digitalen Stunden erfassen, da wir sie zweifelsfrei elektronisch dokumentieren können. Grundsätzlich versuchen wir, den manuellen Aufwand so gering wie möglich zu halten und bestehende Prozesse bestmöglich und pragmatisch zu nutzen“, sagt Eickstädt. Er nennt das: intern CSRD 1.0.

Bei offenen Fragen erkundigt er sich bei anderen Nachhaltigkeitsmanager:innen, Wirtschaftsprüfer:innen sowie in Handbüchern oder Kommentaren. Allerdings merkt er an: „Ich habe das Gefühl, dass bei zahlreichen wesentlichen Fragen auch viele Experten noch schwimmen. Je tiefer du in die Texte einsteigst, desto mehr Interpretationsspielräume entdeckst du.“ Texte bieten immer Raum für Auslegung, das weiß der gelernte Jurist. Und für viele Themen gebe es noch keine feststehenden Vorgehensweisen: „Hoffentlich passiert es nicht, dass bei einem Wechsel des Abschlussprüfers der neue Prüfer die Dinge ganz anders auslegt.“ 

Ein KPI-Handbuch und eine offene Frage

Mitte Oktober beginnt die Datenerfassung über das Reportingtool. Um hier Klarheit und Einheitlichkeit zu schaffen, arbeitet Eickstädt mit seinem Team an einem KPI-Handbuch. Dieses soll genau definieren, welche Daten erfasst werden und wie. „Das ist wichtig, damit die Datenerfassung im gesamten Konzern über die Jahre hinweg konsistent bleibt“, sagt er und erklärt es mit einem Beispiel. 

Bei der NEW gibt es drei unterschiedliche Bereiche, für die IT-Zertifizierungen derzeit relevant sind: die Netzinfrastruktur, die Trinkwasserproduktion und die IT für die Verwaltung. „Unsere Experten müssen jetzt eine gemeinsame Definition für relevante Cybersicherheits-Kennziffern über alle drei Bereiche hinweg finden, obwohl die Anforderungen teilweise sehr unterschiedlich sind.“ Und genau deshalb brauche das Unternehmen ein KPI-Handbuch. Anders sei eine Einheitlichkeit nämlich nicht zu gewährleisten. 

Gleichzeitig arbeitet Eickstädt mit Kolleg:innen daran, die Dekarbonisierungspfade zu definieren, um dies von der Science Based Targets Initiative (SBTi) zertifizieren zu lassen. Das Ziel lautet, dass die NEW bis 2030 Klimaneutralität in Scope 1 und 2 erreicht. Hierfür sollen der Fuhrpark mit über 500 Fahrzeugen und der ÖPNV mit 270 Bussen elektrifiziert werden. Außerdem sollen die Liegenschaften durch den Einsatz erneuerbarer Energie dekarbonisiert werden. 

Auch hier gibt es wieder Unklarheiten. So verfügt die NEW über geringe Anteile an einem Unternehmen, das noch ein Kohlekraftwerk in seinem Portfolio hat. Ebenso hält die NEW in einem geringen Umfang eine Beteiligung an der Flughafengesellschaft Mönchengladbach, einem kleinen, regionalen Flughafen. Beide Unternehmen werden von NEW nicht operativ geführt. Bisher sind die CO2-Emissionen der Unternehmen daher auch nicht in der Treibhausgasbilanz berücksichtigt worden. 

Müssen die Daten dieser Unternehmen gemäß der ESRS nun aufgenommen werden? Auch das ist eine Frage, über die Eickstädt mit den Expert:innen noch diskutiert. 

Gremien, Regelprozesse und was ist mit ...?

Deutlich weniger Fragen gibt es beim Sustainability Diligence Prozess, den Eickstädt und seine Kolleg:innen in den vergangenen Monaten ausgearbeitet haben. Hier seien die Gremien klar: Es wird weiterhin den 2021 gegründeten Koordinationskreis Nachhaltigkeit geben, dem mehr als 20 Kolleg:innen aus allen Bereichen des Unternehmens angehören. 

Neu hinzu kommen im kommenden Jahr das Sustainability Board als höchstes internes Nachhaltigkeitsgremium sowie ein externer Nachhaltigkeitsbeirat mit Vertreter:innen der Interessengruppen wie Kund:innen oder Banken. Festgelegt sind auch die Regelprozesse für die Wesentlichkeitsanalyse, die alle drei Jahre durchgeführt werden soll, sowie für die Vorbereitung des jährlichen CSRD-Berichts. 

Auch für ein weiteres wichtiges Thema sind die Weichen gestellt: Biodiversität. „Uns ist das Thema sehr wichtig, da wir beispielsweise durch unsere Wasserschutzgebiete auch einen positiven Beitrag zur Artenvielfalt leisten wollen“, erklärt Eickstädt. 

Andererseits habe er mit einem kleinen Team derzeit nicht die Möglichkeit, beträchtliche Ressourcen in dieses Thema zu stecken. Eickstädt ist zuversichtlich, jetzt einen Dienstleister gefunden zu haben, mit dem sich das Thema strukturiert aufbauen lässt. Die NEW denkt zum Beispiel darüber nach, die in den Schutzgebieten lebenden Tiere künftig mit Sensorik zu erfassen. 

Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD: Der Blick auf‘s Ganze

„Ich bin sehr froh, dass wir unseren ersten CSRD-Bericht ein Jahr früher veröffentlichen, als es das Gesetz von uns fordert“, sagt Eickstädt. „Es gibt noch so viele offene Detailfragen, für die wir Zeit brauchen.“ Und er betont: „Wichtig ist bei all dem, immer auch den Blick auf nachhaltiges Wirtschaften und die großen, strategischen Ziele zu bewahren. Denn sonst kann einen der CSRD-Bericht schon dazu verleiten, sich völlig in den Details zu verlieren.“ 

Die Pionierarbeit mache dem Nachhaltigkeitsmanager dennoch Spaß. „Es ist durchaus eine intellektuell spannende Herausforderung, all die offenen Fragen zu klären, praktikable Antworten zu finden und alles dann zum großen Ganzen zusammenzuführen.“ 

Mehr dazu gibt es in einigen Wochen an dieser Stelle.