Wie neu, nur besser: Refurbished IT im Unternehmen
Ob Laptops, Monitore oder Smartphones: Immer mehr Firmen verzichten auf den Neukauf und beschaffen stattdessen professionell aufbereitete Gebraucht-Geräte: Laut Digitalverband Bitkom haben bereits 15 Prozent der Unternehmen in Deutschland wiederaufbereitete IT im Einsatz. Weitere 15 Prozent ziehen den Einsatz von Refurbished-IT in Erwägung. Dass aufbereitete Geräte im Business-Einsatz zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist vor allem auf den wachsenden Druck zurückzuführen, nachhaltigere Geschäftsprozesse zu implementieren.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ESG-Anforderungen drängen Unternehmen dazu, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Die IT-Infrastruktur spielt hier eine entscheidende Rolle. Aufbereitete Geräte schonen Ressourcen und reduzieren Elektroschrott.
Gebrauchte Geräte: Steigende Nachfrage bei Unternehmen und NGOs
Den steigenden Bedarf an aufbereiteten Geräten spürt man bei AfB ganz unmittelbar. Das Unternehmen ist auf zertifizierte Datenvernichtung und Aufarbeitung gebrauchter Business-Hardware spezialisiert. Gleichzeitig schafft AfB auch Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. „Unternehmen erkennen die Vorteile aufbereiteter Geräte und integrieren diese vermehrt in ihre IT-Strategien, um sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Ziele zu erreichen“, erläutert AfB-Geschäftsführer Daniel Büchle. Besonders gefragt seien Lösungen, bei denen Verschleißteile wie Akkus einfach ausgetauscht werden können.
Insbesondere im zivilgesellschaftlichen Bereich können neben der Nachhaltigkeit auch die Kosten ausschlaggebend sein: Bei geringem Budget, wie es oft bei NGOs der Fall ist, sind wiederaufbereitete Geräte laut Büchle eine attraktive Option. In der Bitkom-Umfrage stimmen 75 Prozent aller Unternehmen der Aussage zu, dass die Nutzung von Refurbished-IT einen wichtigen Beitrag leistet, um Ressourcen und Rohstoffe zu sparen. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) halten die Nutzung von Refurbished-IT für ein wichtiges Zukunftsthema. Wie umfassend sich dieser Gedanke in die Praxis umsetzen lässt, wird auch von der Unternehmensgröße beeinflusst.
Die Unternehmensgröße spielt eine Rolle bei Refurbished IT
„Refurbished-IT spielt im Business-Segment besonders für kleinere Betriebe und den Mittelstand eine große Rolle“, sagt Marco Kuhn, CEO beim IT-Remarketing-Unternehmen bb-net. Größere Unternehmen seien hingegen oft auf homogene Großmengen angewiesen, die aufgrund unvorhersehbarer Rückläufe gebrauchter Geräte schwer zu planen sind. „Für größere Unternehmen, die homogene Großmengen von über 500 Stück eines Modells benötigen, ist es oft sinnvoller, neue Geräte anzuschaffen, da die Verfügbarkeit solcher Mengen an refurbished Geräten selten ist“, erläutert Kuhn. Dennoch können dem Experten zufolge kombinierte Lieferungen eine praktikable Lösung sein. Beispielsweise könnten neue Notebooks durch wiederaufbereitete Notebooks und Docking-Stations ergänzt werden, um die Kosten zu senken und gleichzeitig die Nachhaltigkeit zu fördern.
Auch der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) beobachtet den Trend, dass IT-Unternehmen mit Nachhaltigkeitsfokus wiederaufbereitete Hardware einsetzen. „Die Hardware, insbesondere Laptops und Smartphones, wird dabei entweder wiederaufbereitet beschafft oder durchläuft innerhalb der Firma mehrere Lebenszyklen“, sagt Leon von Zepelin, Mitglied der Fachgruppe Nachhaltigkeit und Digitalisierung des BITMi. Beispielsweise können Computer und Smartphones, die vormals von der Softwareentwicklung genutzt wurden, an andere Abteilungen abgegeben werden.
Von Zepelin ist gleichzeitig Nachhaltigkeitsmanager bei SHIFT – einem Hersteller modularer und damit reparaturfreundlicher Geräte. In dieser Funktion drängt Zepelin auch innerhalb seiner Firma auf eine nachhaltige IT-Nutzung. „Wo immer möglich, setzen wir auf Refurbish IT, um den Nutzungszyklus bereits produzierter Geräte so weit wie möglich zu verlängern“, so der Nachhaltigkeits-Experte. Immer dann, wenn alle Anforderungen an ein wiederaufbereitetes Gerät erfüllt sind, ist es aus seiner Sicht sinnvoll, auf solche Geräte zu setzen. Dafür ist es zwingend nötig, die Anforderungen der jeweiligen Arbeitsbereiche zu definieren. „Wichtig ist auch zu prüfen, wie lange die Geräte noch mit Sicherheitsupdates versorgt werden. Hier liegt ein potenzieller Nachteil, der aber durch eine entsprechende Überprüfung beseitigt werden kann“, so Zepelin.
Einsatz von Refurbished IT: Darauf sollten Unternehmen achten
Soll aufbereitete IT im Unternehmen angeschafft und eingesetzt werden, sind noch weitere Punkte zu beachten: Insbesondere müssen alle Daten des Vorbesitzers DSGVO-konform und unwiderruflich gelöscht sein. Außerdem müssen die wiederaufbereiteten Geräte mit aktuellen Sicherheitsupdates und Patches ausgestattet sein, um sie sicher in die neue Unternehmens-IT einzubinden. Das zählt zu den Pflicht-Aufgaben von Refurbishern, die ihren Aufbereitungsprozess zudem dokumentieren und auch umfangreiche Akku- und Leistungstests durchführen müssen.
Außerdem sollten die wiederaufbereiteten Geräte strengen Qualitätsprüfungen unterzogen werden, um ihre Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Idealerweise wird auch eine Garantie oder Gewährleistung auf die IT gewährt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, spricht einer Anschaffung wiederaufbereiteter Geräte in der Regel nichts entgegen. Hierbei sind jedoch nicht nur der Einkauf, die IT-Abteilung und die Geschäftsführung gefragt: Sustainability Manager:innen können solche Entscheidungen positiv beeinflussen.
Nachhaltigkeitsmanager:innen können Einfluss auf Beschaffung nehmen
Insbesondere, wenn Unternehmen im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) berichtspflichtig sind und das Thema Kreislaufwirtschaft als wesentlich bewertet haben, ist Refurbished IT ein Thema, auf das Sustainability Manager:innen dieser Unternehmen achten sollten. „Refurbished Hardware kann eine Maßnahme sein, um in den kommenden Jahren die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt zu senken, bei gleichbleibenden Qualitätsstandards und geringeren Anschaffungskosten“, sagt Maja Völkel, CSR-Managerin der Materna-Gruppe.
Darüber hinaus ist für die Nachhaltigkeitsexpertin auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beziehungsweise künftig die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ein Faktor, der Unternehmen zunehmend dazu bewegen wird, Nachhaltigkeitsaspekte in der Wertschöpfungskette zu betrachten – und dazu zählt auch die IT-Hardware im gesamten Lebenszyklus.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen haben Nachhaltigkeitsmanager:innen gute Handlungsmöglichkeiten, um die Geschäftsführung beziehungsweise den Einkauf zielführend zu beraten. „Sustainability Manager:innen können aktiv leitende Kolleg:innen im Einkauf und der Logistik ansprechen und die Möglichkeiten für den Kauf von Refurbished Hardware erörtern. Eine Recherche vorab, welche Optionen auf dem Markt vorhanden sind und zum Unternehmen passen könnten, ist an dieser Stelle hilfreich“, sagt Völkel. Der direkte Austausch mit dem Einkauf ist aus ihrer Sicht auch deshalb wichtig, weil Sustainability Manager:innen so lernen, wie die Logistikprozesse im Unternehmen funktionieren, was in einem anderen Kontext erneut nützlich sein kann. „Um die Handlungsmöglichkeiten der Sustainability Manager:innen möglichst effizient ausschöpfen zu können, ist außerdem der Support vom Top Management essenziell“, betont Völkel.
Nach Einschätzung von Ines Knecht, Vorstands-Vorsitzende des CSR-Verbandes – dem D-A-CH Verband der CSR Manager:innen – steht die Gesellschaft vor zwei großen Veränderungen: die Digitalisierung und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Beides ist eng miteinander verbunden. „Digitalisierung bietet große Chancen für nachhaltige Entwicklung, birgt aber auch Risiken durch erhöhten Ressourcenverbrauch. Aufgrund dessen ist es besonders wichtig, sich als CSR-Manager:in mit dem Thema Refurbished IT zu beschäftigen“, sagt Knecht.
Höhere Refurbishment-Quote und neue Herstellerkonzepte gefragt
Viele Unternehmen befinden sich mittlerweile auf einem guten Weg, um den Gedanken der Kreislaufwirtschaft auch im Bereich ihrer IT in die Realität umzusetzen. Doch es gibt noch zahlreiche Hürden, die es zu überwinden gilt. Einerseits ist eine allgemein höhere Refurbishment- beziehungsweise Recycling-Quote von Elektrogeräten erforderlich, um ein höheres Angebot von Refurbished Hardware am Markt zu schaffen und mehr Großkäufe solcher Geräte zu ermöglichen. „Andererseits können für Unternehmen Hürden auch in Langzeitverträgen und -beziehungen mit Leasing-Partnern bestehen, die einen Wechsel auf Refurbished Hardware schwieriger machen“, sagt Völkel. Hier sei es beispielsweise hilfreich, wenn Leasing-Anbieter:innen auch wiederaufbereitete Geräte für die Unternehmen im Portfolio haben, die nicht auf Leasing verzichten wollen oder können.
Nicht zuletzt haben auch IT-Refurbisher mit Hindernissen zu kämpfen. „Nicht alle gebrauchten Geräte eignen sich für eine Aufbereitung und die Verfügbarkeit ist oft begrenzt. Darüber hinaus sind verklebte Akkumulatoren und komplexe Geräteaufbauten hinderlich für die Verlängerung des Produktlebenszyklus“, erläutert Refurbish-Experte Kuhn. Durch das Recht auf Reparatur soll sich dies perspektivisch ändern, Reparaturen sollen einfacher und attraktiver werden.
„Eine wesentliche Verbesserung kann erreicht werden, indem der erste und der zweite Produktlebenszyklus nicht mehr getrennt voneinander stattfinden. Stattdessen sollten umfassende Konzepte mit den Herstellern ausgearbeitet werden, so dass bereits beim Ausrollen der neuen Hardware klar ist, was anschließend mit den Geräten passiert“, fordert der Experte. Das neue Recht auf Reparatur – das vorrangig Verbraucher:innen zugutekommt – dürfte den Trend in Richtung Wiederaufbereitung von Hardware insgesamt beschleunigen, da es das Angebot an Gebrauchtgeräten vergrößert und auch preislich attraktiver macht.
Refurbished IT ist für Unternehmen eine gute – und zunehmend praktikablere – Möglichkeit, nachhaltiger zu agieren. Refurbish-Dienstleister:innen arbeiten hart daran, das Angebot zu vergrößern und den Bedürfnissen von Firmen entgegenzukommen, während sich die Rahmenbedingungen in Richtung Nachhaltigkeit verbessern und immer mehr Unternehmen zum Umdenken veranlassen. Nachhaltigkeitsmanager:innen müssen die aktuellen Entwicklungen im Bereich der IT-Nutzung und Wiederverwendung im Blick behalten und sich intern mit den involvierten Abteilungen austauschen, um auch im IT-Segment das Thema Nachhaltigkeit dauerhaft und wirkungsvoll zu verankern.
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