Interview mit David Block von circulee

Auf gebrauchte, generalüberholte IT zu setzen, kann eine von vielen Nachhaltigkeitsmaßnahmen sein. Ob sich Unternehmen für Refurbished-IT entscheiden, ist aber auch eine ökonomische Entscheidung. Wir haben mit David Block, CFO von circulee, darüber gesprochen, wann sich das betriebswirtschaftlich rechnet.

Herr Block, was sind in der Praxis für Ihre Kunden die wichtigsten Gründe, auf wiederaufbereitete IT zu setzen? 

Es lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Zum einen haben wir Firmen, die schlicht das Richtige tun möchten und deshalb auf gebrauchte IT setzen. In der Regel handelt es sich dabei um verantwortungsbewusste Familienunternehmen, deren Inhaber:innen der nachfolgenden Generation eine intakte Welt hinterlassen wollen und ihre Firmenpolitik entsprechend nachhaltig ausrichten. Zum anderen gibt es eine sehr große Gruppe an Unternehmen, die diese Frage zunächst rein ökonomisch betrachten. Ihnen geht es darum, mehr Nutzen pro investiertem Euro zu erhalten. Interessant daran ist, dass gebrauchte IT für nahezu alle Unternehmen kein neues Thema ist. Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt, wird der Laptop gereinigt und dem Nachfolger übergeben. Damit wird gebrauchte IT weitergegeben. Dieses Konzept, das im Kleinen praktiziert wird, wird bei der Anschaffung gebrauchter IT lediglich erweitert. Und zwar um den Aspekt, dass der Vorbesitzer ein Mitarbeiter eines anderen Unternehmens war. Aber am Prinzip ändert sich nichts.

Wertverlauf und Nutzungsdauer von IT-Geräten

Rechnet es sich, auf gebrauchte IT zu setzen? 

Ja, es rechnet sich. Das wird deutlich, wenn man Anschaffungskosten und die durchschnittliche Nutzungsdauer betrachtet. Bei Computern und Laptops sind das zwischen 6 und 8 Jahren.

Wie sieht der charakteristische Verlauf der Marktwertkurve eines solchen Business-Gerätes aus?

Der größte Wertverfall eines Neugerätes entsteht, sobald die Verpackung geöffnet ist. Insgesamt ist der Wertverlust in den ersten drei Jahren am größten. Ab diesem Zeitpunkt ist der Wertverlauf relativ stabil, was daran liegt, dass der Restwert nach dem dritten Jahr bereits sehr niedrig ist.

Können Sie dazu ein Beispiel geben?

Nehmen wir ein Laptop der neuesten Generation Lenovo T14G6. Das kostet neu – Stand September 2024 – rund 1.555 Euro netto. Wir verkaufen einen 4 Jahre alten T14G1 in vergleichbarer Konfiguration für 381 Euro netto. Wenn man eine konservative Nutzungsdauer von 7 Jahren ansetzt, dann zahle ich für den neuen Laptop 221 Euro pro Nutzungsjahr und für den gebrauchten Laptop nur 127 Euro pro Nutzungsjahr. Das ergibt eine Senkung der Kosten um 42 Prozent mit einer Ersparnis von knapp 100 Euro pro Nutzungsjahr.

… aber ist das Risiko nicht groß, dass das gebrauchte Gerät zu Defekten neigt, was wiederum die Kosten erhöhen kann?

Nein, im Gegenteil. Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere Computer und Laptops in den ersten Jahren am häufigsten ausfallen. Herstellungsfehler machen sich direkt am Anfang bemerkbar, in den ersten ein bis zwei Jahren ist bei Neugeräten das Defekt-Risiko am größten. Eine Ausnahme ist der Akku. Er verändert sich chemisch und muss je nach Nutzungsintensität irgendwann ausgetauscht werden. Deshalb achten wir hier ganz besonders drauf, dass alle Geräte unsere Lagerhalle mit einer Akkukapazität von mindestens 80 Prozent verlassen.

Wann ist betriebswirtschaftlich der sinnvollste Zeitpunkt ein Gerät auszutauschen? 

Aus meiner Sicht macht es aus ökonomischen Aspekten an genau zwei Stellen Sinn, sich von einem Gerät zu verabschieden. Das eine ist der Defekt: Sobald ein Gerät wegen eines technischen Defektes ausfällt, ist es ökonomisch ein Totalschaden – unabhängig davon, ob es ein Recht auf Reparatur gibt oder nicht. Der Restwert wird zerstört. Ebenso ist es ein ökonomischer Totalschaden, wenn die USB-Ports nicht mehr funktionieren. In diesem Fall hätte das Gerät nur noch im B2C-Markt einen geringen Restwert. Im B2B-Business wäre damit aber das ‚nützliche‘ Lebensende eines Laptops erreicht. An diesen Stellen macht es Sinn, Geräte zu tauschen und über Neu- oder Gebrauchtkauf nachzudenken. Ein Sonderfall ist, wenn ein Unternehmen darauf angewiesen ist, sehr gleichartige Laptops in der Flotte zu haben. Das ist oft der Fall, wenn spezielle Setups benötigt werden, die auf eine bestimmte Hardware angewiesen sind. Hier macht es irgendwann ökonomisch keinen Sinn mehr, Einzelgeräte nachzukaufen, weil sie nur begrenzte Zeit verfügbar sind. Gleichzeitig muss man in diesem Fall darauf achten, dass kein Wildwuchs im Gerätepark entsteht. In solchen Fällen ist es betriebswirtschaftlich ratsam, gleich größere Stückzahlen auf einmal auszutauschen.

Neukauf vs. Gebrauchtkauf: Das sollten Unternehmen wissen

Aber lohnt sich insbesondere bei großen Stückzahlen nicht ein Neukauf? Hersteller räumen dafür oft hohe Rabatte ein ...

Selbst, wenn der Hersteller-Rabatt bei großen Stückzahlen 20 bis 30 Prozent betragen sollte – wenn man den Nutzungspreis pro Jahr betrachtet, ist die Anschaffung gebrauchter Geräte meist trotzdem deutlich günstiger. Uns spielen Rabatte auf Neugeräte übrigens sogar in die Hände, denn auf diese Weise können wir nach 3 Jahren Nutzungsdauer besonders günstig große Chargen einkaufen ¬– was dann wiederum auch unseren Kunden zugutekommt.

Also ist man als Unternehmen gut beraten, Geräte gebraucht einzukaufen, wenn diese 3 bis 4 Jahre alt sind?

Ja, bei Computern und Laptops sind 3 bis 4 Jahre ein optimales Alter für den Gebrauchtkauf. Wir gehen hier von einer gesamten Nutzungsdauer von sechs bis acht Jahren aus.

Und wann lohnt sich nach wie vor der Kauf eines Neugerätes?

Es gibt einige besondere Anwendungsfälle, in denen der Neukauf durchaus sinnvoll ist. Software-Entwickler, Video-Cutter oder Grafikdesigner profitieren beispielsweise vom Leistungszuwachs neuer Geräteklassen. Sie können mit neuen Geräten schneller und besser arbeiten. In solchen Fällen ist es sinnvoll, immer auf die neueste Generation zu setzen.

Hersteller sind naturgemäß daran interessiert, möglichst viele Neugeräte zu verkaufen und entwickeln ihre Betriebssysteme kontinuierlich weiter. Welche Rolle spielen solche Systemwechsel für den Gerätetausch?

Wenn der Support für ein Betriebssystem ausläuft, bietet es sich immer an, die eigene Gerätelandschaft einer kritischen Bestandsprüfung zu unterziehen. Hier sollte man prüfen, ob ein Upgrade möglich ist und ob es Sinn ergibt, bei dieser Gelegenheit Geräte auszutauschen. In der Regel sind davon stets viele Geräte gleichzeitig betroffen. Bestes Beispiel ist das nahende Support-Aus für Windows 10-Geräte. Der Support wurde zwar noch einmal verlängert, wird aber irgendwann nur noch kostenpflichtig möglich sein und dann komplett entfallen. Doch nicht jedes Gerät kann auf Windows 11 upgegradet werden, da das neue Betriebssystem höhere Anforderungen an die Hardware stellt, beispielsweise nur bestimmte Prozessor-Generationen unterstützt. Hat man solche Geräte im Unternehmen, ist das eine gute Gelegenheit, die komplette IT-Landschaft auf Windows-11 taugliche Geräte umzustellen. Man vermeidet Wildwuchs und ist für die nächsten Jahre zukunftssicher aufgestellt. Dabei sollte man darauf achten, jene Geräte anzuschaffen, die für die gewünschte Laufzeit den höchsten Nutzen pro investiertem Euro bringen – und das sind in der Regel Windows-11-taugliche Gebrauchtgeräte.

Bei welcher Hardware ist die Kosten-Nutzen-Relation besonders günstig?

Monitore und Docking-Stationen sind zum Beispiel sehr langlebig, entsprechend groß sind Einsparungen und Nutzen beim Gebrauchtkauf. Die Anforderungen an die Hardware ändern sich im Laufe der Zeit hingegen nur minimal. Sie eignen sich daher sehr gut, um den jeweiligen Business-Case ‚Neu vs. Gebraucht‘ einmal durchzurechnen und auch Einzelgeräte auszutauschen.

Gebrauchte IT im Nachhaltigkeitsbericht

Welche Auswirkungen wird die CSRD-Berichtspflicht für den Einsatz von Refurbished-IT haben?

Vieles rund um die Berichtspflichten ist leider noch etwas nebulös. Das macht es Nachhaltigkeits- und Finanzverantwortlichen nicht leicht, sie korrekt umzusetzen. Das sehen wir auch daran, dass wir sehr unterschiedliche Anfragen aus diversen CSR-Departments erhalten. Wir haben zig verschiedene Anfragen, die sich gravierend unterscheiden. Es gibt sehr verschiedenen Auslegungen, was genau die Berichtspflicht erfordert. Unter qualitativen Aspekten ist die Sache klar: Gebrauchte IT zu nutzen, ist besser, als Geräte neu zu kaufen. 

Lässt sich das auch quantitativ berechnen?

Das ist schwierig. Wir haben die CO2-Einsparung von einem renommierten externen Partner berechnen lassen und stellen individuelle Berechnungen nach diesem Muster unseren Kunden auch zur Verfügung. Ob Unternehmen sie für ihren CSRD-Bericht nutzen können oder dürfen, muss allerdings deren Wirtschaftsprüfer entscheiden. Es gibt für solche Berechnungen leider noch keinen anerkannten Standard. Für Nachhaltigkeitsmanager kann gebrauchte IT ein großer Hebel sein, den CO2-Footprint zu verringern und lässt sich als Maßnahme einfach umsetzen. Für CFOs ist die nahende Berichtspflicht eine gute Gelegenheit, die IT-Kosten dauerhaft zu senken. Die wachsende Nachfrage spüren wir bereits jetzt deutlich.


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