Reifegradmodell: Nachhaltigkeit in Unternehmen messen und voranbringen
Sie wissen, wie viel CO2-Emissionen Ihr Unternehmen verursacht, aber nicht, wie es um die Bildung steht? Sie fragen sich, ob Sie zuerst Frauen als Führungskräfte oder gesunde Ernährung für alle fördern sollten? Sie wollen einfach nur herausfinden, wie nachhaltig Ihr Unternehmen bereits ist – und finden keine Antwort? Vor solchen Problemen stand auch ich als Nachhaltigkeitsberater immer wieder. Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema, und viele ihrer Aspekte lassen sich nur schwer in Zahlen fassen und miteinander vergleichen. Deshalb haben wir das Reifegradmodell unternehmerischer Nachhaltigkeit entwickelt:
- Nachhaltigkeit im Unternehmen ganzheitlich erfassen und sichtbar machen
- Klar definierte, aufeinander aufbauende Kriterien für jeden Aspekt von Nachhaltigkeit – inklusive steigender gesetzlicher Anforderungen
- Leitfaden von den Grundlagen bis zum Idealzustand
- Leicht mit Wesentlichkeitsanalyse, Nachhaltigkeitsstrategie und -bericht zu verknüpfen
Wer wissen will, wo das eigene Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit steht und wie es sich effektiv weiterentwickeln lässt, sollte sich das Reifegradmodell genauer ansehen.
Was ist das Reifegradmodell Nachhaltigkeit?
Das Reifegradmodell basiert auf den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals oder kurz SDGs. Sie definieren Nachhaltigkeit ganzheitlich unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten. SDG 1 beispielsweise lautet „keine Armut“, SDG 9 „Industrie, Innovation, Infrastruktur“, SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“. Darauf aufbauend, flossen in die Entwicklung des Reifegradmodells neben unserer Erfahrung aus der Beratungspraxis vor allem zahlreiche wissenschaftliche Artikel, Vorträge und Interviews mit Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten ein.
Im Reifegradmodell können Unternehmen in jedem SDG Level von eins bis fünf durchlaufen. Die Level folgen einer stringenten Logik, die Orientierung gibt und durch die das Unternehmen Schritt für Schritt aufsteigen kann:
- Level 1: Grundlagen für Veränderung schaffen, z. B. erste Regeln und Standards etablieren, Mitarbeitende aufklären, Kompetenzen entwickeln
- Level 2: Interne Richtlinien (weiter-) entwickeln, Messbarkeit herstellen, Prozesse optimieren
- Level 3: Transparenz schaffen und Berichterstattung etablieren, CO2-Fußabdruck im Geschäftsbetrieb reduzieren, Produkte weiterentwickeln
- Level 4: Verantwortung in der Lieferkette ganzheitlich wahrnehmen und leben
- Level 5: Wissen weitergeben und systemische Veränderungen anstoßen, im Umfeld des Unternehmens und darüber hinaus
Jedes Level enthält nicht nur messbare Kriterien, sondern auch die jeweils relevanten gesetzlichen Anforderungen. Erfüllt ein Unternehmen in einem SDG alle Kriterien eines Levels, hat es den entsprechenden Reifegrad erreicht. Werden zu einem SDG noch überhaupt keine Kriterien erfüllt, hat eine Organisation hierzu noch kein Level erreicht und steht ganz am Anfang.
Die Reifegrade pro SDG lassen sich in einer einzigen Grafik zusammenführen. So wird auf einen Blick sichtbar, wie nachhaltig das Unternehmen in welchen Aspekten bereits ist – und wo es noch Luft nach oben gibt.
Action! Das Modell in der Praxis
Bedeutet das: Jedes Unternehmen muss in allen siebzehn SDGs sämtliche Level durchlaufen, um wirklich nachhaltig zu werden? Ja und Nein. Ich bin überzeugt, dass jedes Unternehmen auf jedes SDG einwirken kann. Aber wer sich zu viel auf einmal vornimmt, erreicht am Ende oftmals viel zu wenig. Wir müssen Prioritäten setzen. Deshalb ist der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit eine Wesentlichkeitsanalyse. Dabei werden relevante Stakeholder innerhalb und im Umfeld des Unternehmens interviewt und ihre Antworten ausgewertet, um herauszufinden, welche SDGs für das spezifische Unternehmen am wichtigsten sind.
Ab diesem Punkt kann das Reifegradmodell seine Stärken voll ausspielen. Das haben wir bereits in der Praxis getestet: Mit ihm lässt sich leicht ermitteln, wo das Unternehmen in den wesentlichen SDGs aktuell steht. Da die Kriterien für das nächsthöhere Level klar definiert sind, können Unternehmen anschließend rasch eine erste Roadmap entwerfen: Handlungsfelder bestimmen, Maßnahmen ergreifen, Erfolge feiern. Außerdem ergeben sich aus der Standortbestimmung mit dem Reifegradmodell ambitionierte Ziele für eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie – bis hin zum eigenen Beitrag zur Erfüllung der SDGs im Jahr 2030.
Lösungen für eine nachhaltige Zukunft
Wer die nachhaltige Transformation der Wirtschaft vorantreiben wollte, stand bislang vor einem grundlegenden Problem: Es gab kaum einen Weg, die Nachhaltigkeit eines Unternehmens ganzheitlich zu erfassen, zu messen und zu vergleichen. Die Gemeinwohl-Matrix etwa oder der SDG Action Manager des UN Global Compact sind wertvolle Tools, die Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit begleiten können. Sie unterscheiden sich aber in Ansatz und Ausrichtung von dem, was wir für die Praxis suchten. Das Reifegradmodell bietet daher eine neue Lösung für alle, die wissen wollen, wie nachhaltig ihr Unternehmen bereits ist und wie es sich weiterentwickeln kann – systematisch, klar und handlungsorientiert. Denn Nachhaltigkeit sollte kein Zufall sein, sondern mit einer guten Strategie einem roten Faden folgen.
Wie fast alles in der Welt ist das Reifegradmodell nicht perfekt. Momentan arbeiten wir unter anderem daran, auch die Inner Development Goals zu integrieren, bereiten eine DIN-Normierung vor und prüfen, wie sich eine Web-Anwendung realisieren lässt. Wir haben also noch viel vor. Für noch mehr Impact und eine nachhaltige Zukunft.
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