Drei Wege zur Sustainable Corporate Governance
Wachsende Komplexität, multiple Krisen, zunehmende Ungewissheit – das sind nur einige der Merkmale, die das aktuelle Geschäftsumfeld für Unternehmen beschreiben. Nicht umsonst wird in der jüngeren Vergangenheit wieder vermehrt das klassische VUCA-Modell (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) genutzt, um die herausfordernden Rahmenbedingungen der Welt zu beschreiben. Weil diese Vorzeichen wesentliche Transformationstreiber für Wirtschaft und Gesellschaft sind, müssen sich auch Best Practices der Unternehmensführung einem klaren Wandel unterziehen.
Im Wesentlichen geht es darum, Strukturen und Prozesse nachhaltiger aufzustellen, gesellschaftliche Verantwortung in der gesamten Organisation zu verankern, gesetzliche Vorgaben einzuhalten, dabei die Effizienz aufrechtzuhalten und bestenfalls zu optimieren. Kurz, eine nachhaltige Unternehmensführung zu etablieren – die Sustainable Corporate Governance. Um Mensch, Umwelt und Produktivität in Einklang zu bringen, sind eine integrative Steuerung, strategische Führung und Überwachung unerlässlich
Nachhaltige Governance: Diese zentralen Ansätze sollten Sie kennen
Während die Werte und Ziele einer nachhaltigen Unternehmensführung auf den ersten Blick intuitiv erscheinen, kann es durchaus komplex werden, diese in die eigene Organisation zu integrieren: Der Weg zu einer tatsächlich als nachhaltig zu bezeichnenden Unternehmensführung ist genauso individuell wie Unternehmen selbst. Kultur, Prozesse, Wandlungsfähigkeit – die Voraussetzungen variieren enorm. In der Praxis haben sich jedoch drei zentrale Ansätze bewährt, um eine nachhaltige Unternehmensführung zu verankern:
- entlang eines Managementsystems
- funktionsbasiert in einer Abteilung
- integriert in den Unternehmenszweck
Ansatz 1: Vorhandene Compliance-Systeme nutzen
Die erste Variante setzt entlang eines Managementsystems auf bestehende Strukturen und Prozesse. Ein Beispiel aus dem produzierenden Gewerbe: Hier können Unternehmen nachhaltige Governance unterstützen, indem sie auf ein Umwelt-Compliance-Managementsystem umstellen. Diese verbinden die klassische Compliance mit den Umweltanforderungen, indem etwa ein Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 und ein Compliance-Managementsystem nach dem IDW PS 980 verbunden werden und mit den Anforderungen aktueller Regulatorik wie der CSRD in Einklang gebracht werden.
Das Ergebnis ist eine umweltbewusste Unternehmensführung, die auf Compliance-Prinzipien und einer ganzheitlichen Corporate-Governance-Strategie fußt. Die Vorgehensweise ähnelt Managementsystemen, deshalb ist es sinnvoll, die verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen des Unternehmens auch innerhalb der Verantwortungsbereiche der jeweiligen Systeme zu koordinieren. So ist die Fachabteilung, die das Managementsystem leitet, hauptsächlich für die Transformation verantwortlich, während der Gesamtvorstand für die Verbreitung der Nachhaltigkeitsziele zuständig ist.
Ansatz 2: Prozesse zentral in einer Fachabteilung bündeln
Ein weiterer Weg ist, eine dedizierte Fachabteilung aufzubauen. Hier werden sämtliche Prozesse gebündelt, anstatt sie auf die jeweiligen Funktionen zu verteilen. So profitieren Vorstandsmitglieder von einer besseren fachlichen Unterstützung – etwa dann, wenn die Abteilung eigene Richtlinien und Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt, um Mitarbeitende zu unterstützen. Damit diese funktionsbasierte Implementierung nachhaltiger Unternehmensführung gelingt, ist es wichtig, dass die Abteilung auf Augenhöhe mit anderen Bereichen wie HR oder Finance agiert. Dementsprechend sollte der Bereich direkt einem Vorstandsmitglied unterstellt sein. Nur so stellen Organisationen sicher, dass die Abteilung wirklich handlungsfähig ist. Zwar ist der Ansatz eher zentralistisch, ein konstruktiver Austausch zwischen den Abteilungen bleibt jedoch wichtig, um Synergien zu nutzen. So kann die Finanzabteilung beispielsweise mit Erfahrungswerten beim Reporting von nichtfinanziellen Kennzahlen helfen.
Ansatz 3: Holistische Integration in den Unternehmenszweck
Der letzte Ansatz, um eine nachhaltige Unternehmensführung einzuführen, folgt dem Prinzip der Ganzheitlichkeit. Die Governance wird dabei direkt in den Unternehmenszweck integriert, indem Nachhaltigkeit ein fester Teil der Unternehmensziele wird. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Industrieunternehmen nicht nur auf erneuerbare Energien umstellt, sondern auch die gesamte Service- und Produktpalette nachhaltig ausrichtet. In diesem Modell spielt neben den fachlichen Kompetenzen auch Sustainable Leadership eine wichtige Rolle. Darüber hinaus gilt es in allen Fachabteilungen individuelle Nachhaltigkeitsexpert:innen dazuzuholen, die alle Maßnahmen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen steuern. In der Forschung und Entwicklung würde dann beispielsweise ein Leiter für Sustainable Innovation mitwirken, in der Finanzabteilung ein Head of Green Finance.
In einer umfassenden Umgestaltung spielt die Finanzabteilung ohnehin eine wichtige Rolle, da sie im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung viele Entscheidungen anders angehen muss. Das betrifft besonders das Reporting und den Dialog mit Investoren, da vieles nicht mehr nur auf Profit, sondern auf einen langfristigen, nachhaltigen Erfolg ausgerichtet ist. Ein Beispiel wäre, Einkaufskriterien anzupassen, um nicht nur die finanzielle Rentabilität, sondern auch ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Zudem ist es ratsam, dass die Verantwortlichen für Nachhaltigkeit in den Fachbereichen eng zusammenarbeiten und gemeinsam die vielfältigen Aspekte der Nachhaltigkeitsziele vorantreiben.
Ist ein nachhaltiger Weg gefunden, gilt es zu handeln
Welcher Weg am effektivsten zu einer Sustainable Corporate Governance im Unternehmen führt, hängt stark von den Voraussetzungen der zu transformierenden Organisation ab. Nachhaltige Führung funktionsbasiert zu integrieren ist beispielsweise nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen in Fachabteilungen organisiert ist. Eine Integration entlang eines Managementsystems verspricht wiederum nur Erfolg, wenn dieses bereits ausgebaut ist. Hinzu kommen Faktoren wie der individuelle Reifegrad oder vorhandene Nachhaltigkeitsexpertise.
Auf jeden Fall sollten Führungskräfte einen passenden Weg finden, um dem Druck entgegenwirken, der in den kommenden Jahren immer mehr zu spüren sein wird. Nicht nur die geplanten Regularien stellen die Weichen – auch Kunden Mitarbeitende und Stakeholder sorgen mit ihren unterschiedlichen Erwartungen dafür, dass Unternehmen schon jetzt handeln müssen.
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