Klimaneutralität: Städte im Schulterschluss mit Unternehmen

Rund 70 Prozent der Treibhausgasemissionen werden in Städten erzeugt. Ein großer Teil dieser Emissionen wiederum entsteht durch die Industrie. Ohne sie können die Städte nicht klimaneutral werden. Wie kann das Zusammenspiel zwischen Stadt und Industrie gelingen? Wir haben nachgefragt.

Umweltschutz hat in Freiburg Tradition. Die 220.000 Einwohner große Stadt ist einer der Ursprungsorte der Umweltbewegung der 70er Jahre. Die sonnenreichste Stadt Deutschlands hat zudem früh verstanden, dass Umweltschutz auch ein Wirtschaftsfaktor ist. „Wir wollen an der Spitze der Umweltbewegung bleiben“, sagt Freiburgs Umweltamtsleiter Klaus von Zahn. 2035 will Freiburg klimaneutral sein und 100 Prozent erneuerbare Energien verwenden. Klimaneutralität heißt für Freiburg: jährliche Emissionen von maximal einer Tonne CO₂ pro Kopf. Derzeit liegt der Wert bei 6,4 Tonnen, 1992 betrug er 11 Tonnen.

Solch eine starke Reduzierung kann ohne Industrie nicht gelingen. 2014 beschloss die Stadt, das Industriegebiet Nord zum „ Green Industry Park Freiburg“ (GIP) zu entwickeln. Es ist das älteste und größte der Stadt und erzeugte zehn Prozent der lokalen Emissionen. Das Umweltamt ging auf die Unternehmen des Parks zu. Ohne Vorgaben – sondern mit einer Frage: „Wie können wir unterstützen, damit Sie Ihre Umweltschutzziele besser erreichen?“

Netzwerk für grüne Industrie

Eines der ersten Angebote war eine kostenlose Initialberatung für Unternehmen zu Klima- und Ressourcenschutz. „Das war ein sehr niedrigschwelliger Einstieg“, erinnert sich von Zahn. „Wenn Potenziale deutlich wurden, haben die meisten Unternehmen schnell einen professionellen Energieberater hinzugenommen.“ Die enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Energieberatern und Start-ups führte dazu, dass hohe Summen für Energieeffizienztechnik über Förderprogramme des Landes in dieses Gewerbegebiet kamen. Von Zahn: „Hat ein Unternehmen eine neue Technologie ausprobiert, gab es bis zu 90 Prozent Förderung.“ Solch niedrigschwellige Angebote waren es, die aus dem anfänglich zurückhaltenden Interesse aktive Zusammenarbeit und ein starkes Netzwerk entstehen ließen. Der regionale Energieversorger badenova, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme und die IHK sind ebenfalls Partner des GIP.

Es ist vor allem das Netzwerk, welches das GIP stark macht. Von Zahn nennt ein Beispiel: Das Chemie-Unternehmen Cerdia produzierte pro Jahr 80 Gigawattstunden Abwärme, die ungenutzt in die Umwelt gingen. 20 Jahre lang war es nicht gelungen, hierfür Abnehmer zu finden. Bedenken, dass dies nicht von Dauer sei, waren zu hoch. Durch die gemeinsame Arbeit an dem Green Industry Projekt gelang es, das Stadion des SC Freiburg und die Messe als Abnehmer zu gewinnen. „Das hat nur funktioniert, weil man sich vertraute“, erklärt von Zahn.

In dem Gewerbegebiet sind rund 300 Unternehmen angesiedelt. Kontinuierlich arbeitet die Stadt mit rund 40 Firmen zusammen, die für rund 80 Prozent der Arbeitsplätze und der Emissionen stehen. „Kleinere Firmen haben oft nicht die Ressourcen dafür. Wir haben immer respektiert, dass Geld verdienen für die Firmen an erster Stelle steht“, sagt von Zahn.

Messe Freiburg Green Industry Park

Mobilität: Infrastruktur für nachhaltigen Berufsverkehr

Auch beim Thema Mobilität erwies sich die Zusammenarbeit als Katalysator. Sehr viele Mitarbeitende kamen mit dem Auto zur Arbeit. Die Radwege waren zu schlecht, die Anbindung an den ÖPNV mangelhaft. Die Stadt modernisierte das Radwegenetz im Gewerbegebiet, aus dem Klimaschutzfonds der Stadt wurden zwei Buslinien finanziert. Diese wurden so gut angenommen, dass die Freiburger Verkehrsbetriebe die Buslinien übernommen hat.

Einmal im Jahr gibt es im GIP ein „GIPfeltreffen“. Seit Jahren sind diese Treffen sehr gut und hochrangig besucht – für von Zahn bester Beweis, dass das Netzwerk tatsächlich einen Mehrwert bietet. Und die Zusammenarbeit soll weiter gestärkt werden. Der Nachhaltigkeitsrat der Stadt hat beschlossen, eine AG Klimaneutralität zu gründen. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen wird auch hier ein zentrales Thema sein.

Freiburg und Düsseldorf: Viele Unterschiede, gemeinsame Ziele

Zwischen Freiburg und Düsseldorf gibt es viele Unterschiede: Die 630.000 Einwohner zählende Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen hat kein Öko-Image, aber viel Verkehr und reiche Einkaufsstraßen, wo direkt vor den Geschäften teure Autos parken. Doch auch Düsseldorf will 2035 klimaneutral sein. Dabei geht die Stadt noch von der traditionelleren Definition mit zwei Tonnen pro Kopf aus. 1987 lagen die Emissionen bei 14,4 Tonnen pro Kopf, derzeit sind es 6,7 Tonnen – gar nicht mehr so weit weg von Freiburg. Der Anteil der Industrie an den Emissionen lag 2020 bei 41 Prozent, 1987 waren es 57 Prozent. „Die Reduktion liegt teilweise aber auch daran, dass eine große Papierindustrie abgewandert ist und eine Glashütte stillgelegt wurde“, erklärt Stefan Wenzel, Abteilungsleiter Kommunales Klimamanagement im Amt für Umwelt und Verbraucherschutz.

So groß die Unterschiede zwischen Düsseldorf und Freiburg auch sein mögen – der Ansatz beim Klimaschutz ist sehr ähnlich: „Klimaschutz kann nur im Schulterschluss mit allen Akteuren gelingen“, sagt Katja Riese, Abteilungsleiterin Unternehmensservice, Start-up Unit und Zukunftsthemen im Amt für Wirtschaftsförderung. 2021 haben IHK, Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft und die Stadt Düsseldorf den Düsseldorfer Klimapakt gegründet. Die Unternehmen sind eingeladen, „Klimapartner“ zu werden. „Wir wollen damit ein starkes Netzwerk für Düsseldorfer Unternehmen anbieten, das sie beim Klimaschutz unterstützt“, erklärt Riese. Ziel sei der Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Suche nach Lösungen. Auf die Tagesordnung kommen die Themen, von denen die Unternehmen sagen, dass sie hier Informationsbedarf haben.

Offen ist das Netzwerk für jedes Unternehmen – wenn es bereit ist, sich in die Karten schauen zu lassen. „Wir wollten uns nicht dem Vorwurf des Greenwashings aussetzen“, erzählt Wenzel. Deshalb muss jede Firma, die Teil des Netzwerks wird, eine Ausgangsbilanz erstellen und einen Reduktionspfad definieren. Unterstützt wird sie hierbei von einem externen Dienstleister. „Spätestens alle fünf Jahre wird kontrolliert, ob der Pfad eingehalten wird, um Verbindlichkeit zu gewährleisten“, sagt Wenzel. Die Kosten der Ausgangsbilanz trägt die Stadt. „Für kleinere Unternehmen ist das ein Anreiz, weil sie es dann das erste Mal machen“, erklärt Wenzel.

Regionale Klimanetzwerke: „Es lohnt sich!“

„Mittlerweile haben wir 74 Klimapartner. Wir haben eine aktive Wirtschaft, die gerne mitmacht“, sagt Riese. Darunter sind große Namen wie Henkel, Teekanne, Mercedes, BASF – aber auch viele Unternehmen des Mittelstandes. Und die Netzwerktreffen sind gut besucht. „In der Regel kommen rund 90 Prozent der Unternehmen“, erzählt Riese. Seit kurzem sind auch Start-ups dabei, die marktfähige Lösungen präsentieren, ein Win-win für die Unternehmen und die Start-ups.

Eng mit dem Klimapakt verbunden ist auch das Projekt „Ökoprofit“, eine aus Österreich stammende Idee, der sich in Deutschland bereits 110 Kommunen angeschlossen haben. Hier werden kleinere Unternehmen beim Energiemanagement und Ressourcenschutz unterstützt. Bereits acht Staffeln mit jeweils zehn bis 15 Teilnehmern wurden in der Landeshauptstadt umgesetzt, erzählt Wenzel. 

Düsseldorfs Beispiel findet Nachahmer. Essen, Krefeld und der Kreis Mettmann haben den Klimapakt für sich übernommen, Köln und Bonn wollen es ebenfalls aufgreifen, erzählt Wenzel. Und IHK und Kreishandwerkerschaft animieren, den Klimapakt als Modellprojekt für weitere Regionen zur Verfügung zu stellen.

Und was mache ich, wenn meine Region so etwas noch nicht anbietet? „Gehen Sie auf die Stadt oder den Kreis zu und regen Sie das an“, sagt Wenzel. „Es lohnt sich!“

Schlagworte zum Thema:  Klimaschutz