Der europäische Immobilienmarkt wird auch 2024 geprägt sein von Zinsniveau, Inflation und Konjunktursorgen. Laut einer Studie des Urban Land Instituts (ULI) und PwC befürchten viele Profis, wegen der Unsicherheiten "in ein offenes Messer zu laufen". Auch das Kapital wird knapp.
Die Unternehmensberatung PwC und das Urban Land Institute (ULI) haben auch in diesem Jahr mehr als 1.000 Führungskräfte der Immobilienbranche nach den Trends am Markt befragt: Drei Viertel (75 %) sagten, dass die aktuellen Bewertungen "nicht alle Herausforderungen und Chancen im Immobilienbereich widerspiegeln", weil weiterhin ein deutlicher Abstand zwischen den Preiserwartungen von Käufern und Verkäufern besteht.
Viele der für die Studie befragten Branchenexperten befürchten, "in ein offenes Messer zu laufen", da der Markt in Europa von großer Unsicherheit geprägt ist. Das ist der Grund für das deutlich reduzierte Investitionsvolumen. Das schleppende Wirtschaftswachstum und die Sorge vor einer drohenden Rezession trüben die Aussichten ein.
Schwächere Vermietungsmärkte
"Mit einem Drittel der Befragten, die optimistisch sind, dass die Rentabilität im Jahr 2024 steigen wird, zeigt die Studie eine Verbesserung des Geschäftsvertrauens im Vergleich zum Vorjahr", sagt Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz. Das ist ein Anstieg um 8 % gegenüber dem Report aus dem Vorjahr – wenn auch von einer niedrigen Basis aus und weit unter dem langfristigen Durchschnitt.
Die diesjährige Studie zeigt die komplexen Herausforderungen, mit denen der Immobiliensektor konfrontiert ist. Es wird gemeinhin erwartet, dass die Branche auch mit schwächeren Vermietungsmärkten konfrontiert wird. Um die Marktaktivität wieder anzukurbeln, müssten den Experten zufolge u. a. die Finanzierungsbedingungen wieder besser werden und die Zinssätze zurückgehen – eine anstehende Refinanzierungswelle dürfte demzufolge außerdem einen zusätzlichen Bedarf an Eigen- und Fremdkapital erzeugen, um Schieflagen zu vermeiden.
Gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren
Dr. Harald Heim, German Head of Real Estate Deals & Construction PwC sowie PwC EMEA Real Estate Deals Leader, geht davon aus, dass die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital in den kommenden Jahren deutlich eingeschränkt sein wird: "Zeitgleich wird erhebliches Kapital für Refinanzierungen und die Transformation von Immobilien benötigt." Der Effekt der Kapitalknappheit werde insbesondere bei der institutionellen Immobilienallokation verstärkt, da konkurrierende Assetklassen deutlich an Attraktivität gewonnen hätten, so Heim.
Thomas Veith, Head of Real Estate PwC Deutschland und Global Leader Real Estate, ergänzt: "Die Ergebnisse der Studie zeigen zwar, dass die Branche noch abwartet, aber die Erfahrung aus vergangenen Marktzyklen lehrt, dass diese Phasen sehr gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren bieten." Dabei dürfen die Investoren am meisten profitieren, die ESG und Digitalisierung mitdenken und die marktgängigsten Immobilien schaffen. "Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es dafür einen einheitlichen Zeitplan für die verschiedenen europäischen Märkte gibt", meint Veith.
Deutsche Städte haben für Investoren an Attraktivität verloren
Bei so viel Unsicherheit sind Immobilieninvestoren vorsichtiger denn je, wie und wo sie ihr Kapital in Europa anlegen. Der Fokus liegt auf Städten, die Liquidität bieten. Abgestimmt haben die Immobilienprofis für London auf Platz 1 und Paris auf Platz 2. Auf diese beiden Städte entfielen in den ersten 9 Monaten 2023 rund 15 % des gesamten Transaktionsvolumens in Europa. Hohe Liquidität in Verbindung mit Wirtschaftsleistung sehen die Investoren auch in Madrid (Rang 3), Mailand (6) und Lissabon (8).
Berlin landet im aktuellen Ranking auf Platz 4 (Vorjahr: 3), München auf 7 (Vorjahr: 5), Frankfurt am Main auf 9 (Vorjahr: 7) und Hamburg auf Rang 11 (Vorjahr: 8) – sie sind alle abgerutscht, stehen aber immer noch relativ weit oben. Die insgesamt düsteren wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland für das Jahr 2024 beeinflussen laut Studie die Stimmung für diese Metropolen, die bisher als sichere Häfen für Kapital galten. Nach Angaben von Oxford Economics stehen die deutschen Städte vor stagnierenden wirtschaftlichen Wachstumsaussichten mit einem durchschnittlichen realen BIP-Wachstum von nur 0,1 % im Jahr 2023. Das Investitionsvolumen in Deutschland ist in den ersten 9 Monaten des Jahres um 55 % gegenüber dem Vorjahr gesunken; die Immobilienpreise haben sich den Experten zufolge langsamer angepasst als in den meisten anderen europäischen Ländern.