Makler: "New Normal" bei Gewerbeimmobilien ab August?
Die Anfang 2022 eingeleitete Zinswende habe die Rahmenbedingungen für Immobilienanlagen ab dem Frühjahr vollkommen verändert, kommentiert Savills-Deutschland Marcus Lemli. Der von Savills errechnete Umsatz von 50,6 Milliarden Euro lag zwar insgesamt nur 17 Prozent unter dem von 2021 – aber mehr als 40 Prozent entfielen auf das erste Quartal.
Auf das höchste gewerbliche Investitionsvolumen von 54,1 Milliarden Euro für 2022 mit Büros, Logistik, Hotels, Handel, Gesundheitsimmobilien und Grundstücken kommt BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) – der zehnjährige Durchschnitt sei wegen des Rekordergebnisses des ersten Quartals nur um knapp zwei Prozent verfehlt worden. Colliers geht von 53 Milliarden Euro Umsatzvolumen für das Gesamtjahr aus – und Cushman & Wakefield (C&W) von 51,7 Milliarden Euro. Demnach waren Portfoliotransaktionen, zu denen Unternehmensbeteiligungen und Übernahmen gehören, mit 32 Prozent am Ergebnis beteiligt.
Zinswende abgeschlossen, Preiskorrektur läuft
Die Zurückhaltung vieler Investoren eröffnet laut Savills Chancen für Anleger, die von der Zinswende weniger stark betroffen sind. Dazu zählen Privatinvestoren (inklusive Family Offices) und Staatsfonds – ihr Nettoankaufsvolumen lag 2022 mit jeweils 800 Millionen Euro über dem jeweiligen Fünf-Jahres-Mittel. Auch für risikoaffine Investoren wird das Marktumfeld attraktiver. "Die meisten institutionellen Core-Investoren gehen im aktuellen Umfeld keine Kompromisse mehr ein und kaufen nur noch Objekte, die frei von Makeln sind", so Lemli.
Die Gründe für die verhaltenen Aktivitäten der Investoren führt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, auf Ankündigungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurück, dass die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch sei und weitere Zinserhöhungen folgen könnten. "Ein weiterer Zinsschritt um 50 Basispunkte im Januar wäre sicherlich keine Überraschung", so Scheunemann.
ESG im Fokus, Vermarktung wird abgewartet
Je länger das inflationäre Umfeld anhalte, desto mehr dürften Versicherer, Pensionskassen und private Anleger auf Anlagen setzen, die bestmöglichen Schutz vor der Teuerung bieten, ergänzt Jan Eckert, Head of Capital Markets JLL DACH: "Diese Orientierungsphase dürfte noch einige Wochen anhalten, doch sobald die Rekalibrierung der Preisniveaus beendet ist, sollte wieder mehr Kapital in die Assetklasse Immobilie fließen."
Colliers beobachtet ein weiterhin hohes Kaufinteresse. Verkaufsprozesse seien verschoben worden, aber nicht aufgehoben. Beratungsbedarf besteht derzeit vor allem bezüglich der Preisfindung sowie des Vermarktungszeitpunktes. "Zudem sehen sich Investoren mit steigenden Anforderungen an die Zukunftsfähigkeit der Immobilie in Bezug auf ESG-Konformität, technologischen Wandel und New Work konfrontiert", so Colliers-CEO Matthias Leube. Das sei in der Einpreisung noch schwer zu greifen.
Büros am umsatzstärksten, Industrie holt auf
Der Abschwung am Investmentmarkt hat nach Angaben von Savills fast alle Assetklassen erfasst. Trotz deutlich weniger Umsatz (ein Minus von rund 25 Prozent) performten Büroimmobilien 2022 am besten mit einem Umsatz von 19,9 Milliarden Euro, gefolgt von Industrie- und Logistikimmobilien (9,3 Milliarden Euro) und Handelsimmobilien (8,3 Milliarden Euro). Den größten Umsatzrückgang verzeichneten Entwicklungsgrundstücke (minus 43 Prozent) – laut Savills ein Zeichen dafür, dass Projektentwickler derzeit besonders stark betroffen sind.
An der Spitze liegen auch nach Angaben von BNPPRE Büroimmobilien, die demnach 22,25 Milliarden Euro (41 Prozent) zum Gesamtergebnis 2022 beitragen. Auf Platz zwei folgen Logistikobjekte mit knapp 10,14 Milliarden Euro (19 Prozent des Resultats). Einzelhandelsimmobilien haben den Umsatzanteil gegenüber 2021 um sieben Prozent auf 17 Prozent gesteigert (9,4 Milliarden Euro). Hotels steuern 3,5 Prozent (1,9 Milliarden Euro) zum Transaktionsvolumen bei. Weniger umgesetzt wurde mit Healthcare-Immobilien, auf die mit knapp 3,3 Milliarden Euro ein Umsatzanteil von sechs Prozent entfällt. "Gerade dieses Marktsegment ist weiterhin von einem ausgeprägten Produktmangel gekennzeichnet", erklärt Marcus Zorn, CEO von BNPPRE Deutschland.
Verkaufsdruck steigt, Angebot nimmt zu
Auch bei anderen Eigentümern dürfte der steile Zinsanstieg früher oder später zu einem steigenden Verkaufsdruck oder zumindest -anreiz führen. Auch die Abwertung von Aktien und Anleihen oder drohende Liquiditätsengpässe könnten Verkäufe auslösen. Vor diesem Hintergrund erwartet Savills perspektivisch wieder mehr Angebot, rechnet aber mit einem nennenswerten Anstieg bei den Deals "nicht vor dem Frühjahr" – für das Gesamtjahr 2023 geht das Maklerunternehmen von einem Umsatz von weniger als 50 Milliarden Euro aus.
2023 werde ein zweigeteiltes Investmentjahr sein, erklärt BNPPRE-Experte Zorn: Das erste Halbjahr dürfte noch von steigenden Leitzinsen und Finanzierungskosten geprägt sein, ab dem zweiten Quartal sei ein Ende der Zinserhöhungen absehbar und die Rezession beendet, mit der Folge einer leichten Marktbelebung. "Im zweiten Halbjahr ist dann eine starke Zunahme der Investmentaktivitäten das aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Szenario", sagt Zorn.
C&W: "Die fetten Jahre sind erst einmal vorbei"
C&W geht davon aus, dass für 2023 Investitionen überdacht, neu bewertet und letztendlich verschoben werden. "Vor allem das erste Halbjahr wird noch von Unsicherheit und Zurückhaltung geprägt sein. Bis spätestens zur Jahresmitte sollten dann aber ein solider Zinskorridor und das Vertrauen in eine positive Wirtschaftsentwicklung den Markt wieder beflügeln", stellt Alexander Kropf, Head of Capital Markets bei C&W in Deutschland, klar. "Allerdings wird man sich von den bis Anfang 2022 erzielten Exit-Preisen verabschieden müssen. Die fetten Jahre sind erst einmal vorbei."
Dass sich die Zurückhaltung und Marktbeobachtung der Investoren im ersten Halbjahr 2023 zunächst fortsetzen, dann aber schrittweise abbauen wird, das erwartet Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany: "Die Marktakteure wollen sichergehen, dass sich die Zinsschraube wieder langsamer dreht oder verharrt, ehe sie investieren."
Colliers International Deutschland prognostiziert für dieses Jahr ein Ergebnis von etwa 42 Milliarden Euro. Geschäftsführer Christian Kadel geht davon aus, dass strategische Unternehmensübernahmen und -beteiligungen das Ergebnis positiv beeinflussen könnten. "Im Fokus solcher Übernahmen stehen aktuell vor allem Immobilien-AGs und REITs, deren Marktkapitalisierung derzeit einen Abschlag auf den Marktwert des Portfolios bietet", so Kadel abschließend.
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