Prognose: Zinsen für Immobilienkredite nach EZB-Entscheidung

Experten gehen davon aus, dass das Zinsniveau für zehnjährige Immobiliendarlehen in den kommenden Monaten in einem Korridor zwischen 3,5 und vier Prozent liegen wird. Schwankungen seien möglich, auf eine neue Niedrigzinsphase sollten Käufer eher nicht spekulieren.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erstmals seit 2019 wieder die Leitzinsen gesenkt, auf 4,25 Prozent, nach einem intensiven Straffungszyklus. Aktuell gehen die Märkte bis Ende 2024 von maximal zwei weiteren Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte aus, wie Oliver Kohnen, Geschäftsführer der Baufi24 Baufinanzierung GmbH, mitteilte.

Anleger haben seit Jahresbeginn damit begonnen, diese Wahrscheinlichkeiten am Bond-Markt einzupreisen: Die Bauzinsen erreichten kurzfristig ein Niveau von weniger als drei Prozent. Mittlerweile zogen die Hypothekenzinsen aber analog wieder leicht an. Die besten Konditionen liegen laut aktuell bei 3,10 Prozent. "Für Immobilienanwärter zeigt sich damit einmal mehr, dass sich Zinsspekulation nicht lohnt", so der Experte. Die Hoffnung auf die Rückkehr eines Bauzinsniveaus zwischen ein und zwei Prozent sei illusorisch. Interessenten sollten mit Kaufvorhaben nicht länger warten – auch die Talsohle bei den Immobilienpreisen scheine durchschritten.

Interhyp: Zinsen pendeln sich bei 3,5 bis vier Prozent ein

Die Kreditinstitute aus dem Interhyp-Zinspanel von Juni 2024 gehen davon aus, dass sich die Bauzinsen für zehnjährige Hypothekendarlehen in den kommenden vier Wochen auf stabilem Niveau zwischen 3,5 Prozent und vier bewegen werden.

"Unserer Meinung nach wird die Leitzinssenkung der EZB keine spürbaren Auswirkungen auf die langfristigen Kreditzinsen haben, weil die Finanzmärkte bereits bis zu drei Zinssenkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte in diesem Jahr eingepreist haben", sagte Mirjam Mohr, Vertriebsvorständin bei Interhyp Gruppe. Die Interhyp-Angebotszinsen liegen derzeit bei 3,7 Prozent (Stand: 6.6.2024). Die monatlich befragen Experten gehen mehrheitlich davon aus, dass das Zinsniveau in den kommenden Monaten auf gleichbleibendem Niveau in einem Korridor zwischen 3,5 und vier Prozent für zehnjährige Darlehen liegen wird. "Schwankungen sind dabei jederzeit möglich", so Mohr.

Laut Mohr sind die Bauzinsen in Erwartung der EZB-Zinssenkungen schon Ende 2023 spürbar gesunken, was die Nachfrage angekurbelt und den Druck auf die Preise erhöht habe. Die Daten des Interhyp-Immobilienindex zeigen, dass die Preise seit Januar 2024 deutschlandweit um 1,5 Prozent gestiegen sind. Eine Rückkehr in die Niedrigzinsphase erwartet auch die Interhyp-Expertin nicht. Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, Kaufvorhaben anzugehen, da die Immobilienpreise (noch) moderat seien und verhandelt werden könnten.

Im November 2023 waren die Zinsen auf über 4,2 Prozent geklettert und erreichten damit ein Zehn-Jahres-Hoch. Zum Jahresstart 2024 lagen die bestmöglichen Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen bei unter drei Prozent.

Check24: Bauzinsen steigen nach EZB-Entscheidung weiter

Die Bauzinsen befinden sich auch laut Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung bei Check24 schon seit Beginn des Jahres im Aufwärtstrend: Mitte Januar lag der Bestzins für eine zehnjährige Sollzinsbindung demnach bei 2,93 Prozent, aktuell liegt er bei 3,11 Prozent. "Die Zinssenkung der EZB war von den Banken Anfang des Jahres bereits eingepreist", sagte Foitzik.

Der durchschnittliche Sollzins pro Jahr liegt nach Angaben von Check24 vom 19. Juni derzeit bei 3,51 Prozent und damit 0,37 Prozentpunkte höher als im Januar. Bei einer Baufinanzierung in Höhe von 400.000 Euro und einem anfänglichen Tilgungssatz von drei Prozent entstehen damit nach Ablauf einer Sollzinsbindung von zehn Jahren 117.308 Euro an Zinskosten. Bei einem Durchschnittszins von 3,14 Prozent im Januar waren es 105.202 Euro an Zinskosten – 12.106 Euro weniger.

"Kaufinteressierte sollten sich von gestiegenen Zinsen nicht abschrecken lassen", so Foitzik weiter. "Wer ein geeignetes Objekt gefunden hat, sollte lieber jetzt finanzieren. Die Immobilienpreise haben in den vergangenen Monaten leicht angezogen und werden voraussichtlich weiter steigen."

BF.Marktradar: EZB-Entscheidung betrifft nur kurzfistige Zinsen

"Wenn die EZB immer abwartet, bis eine Veränderung der Inflationsentwicklung mit Sicherheit eingetreten ist, kommt jede Zinsänderung konsequenterweise zu spät", heißt es im BF.Marktradar für Juni 2024. Für die Immobilienbranche sei wichtig: Die Zinsentscheidungen der EZB betreffen nur die kurzfristigen Zinsen. Diese sind zwar mittlerweile wieder ein wichtiger Kostenfaktor bei Projektentwicklungen, aber für die Preisbildung selbst sind die langfristigen Zinsen wichtiger.

Hier plant die EZB im laufenden Jahr, die Maßnahmen langsam zurückzufahren, das heißt, den Bilanzbestand an langfristigen Krediten und Wertpapieren abzubauen. Dies könnte den Experten zufolge sogar eine Erhöhung der langfristigen Zinsen bewirken. "Allerdings hat die EZB in der jüngeren Vergangenheit hier sehr vorsichtig agiert. Vieles spricht dafür, dass es bei einer eher langsamen Straffung bleibt", heißt es weiter. Änderungen der langfristigen Zinsen sind vor allem dann zu erwarten, wenn sich die langfristigen Inflationserwartungen nochmals wesentlich ändern.

Den Experten Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS (Universität Regensburg). und Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, zufolge sind im Mai sind die kurzfristigen Zinsen leicht gesunken, während die langfristigen Zinsen leicht gestiegen sind. Anfang Mai lag der Zehn-Jahres-Zinsswap bei 2,84 Prozent und stieg im Laufe des Monats auf 2,9 Prozent. Der Drei-Monats-Euribor betrug am Monatsanfang noch 3,853 Prozent und fiel im Laufe des Mais auf 3,785 Prozent. Auch der Sechs-Monats-Euribor fiel: von 3,828 Prozent auf 3,745 Prozent.

Dr. Klein: Noch keine Zinswende – jetzt Kaufen

Das moderate Zinsniveau hat nach Angaben von Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, seit Anfang 2024 insbesondere im Kaufsegment zu einer erhöhten Nachfrage bei Baufinanzierungen geführt. Dennoch – und auch weil sich Neubau und Anschlussfinanzierungen weiterhin auf niedrigem Niveau bewegen – will er bislang nicht von einer Trendwende sprechen. Dafür seien die Wachstumsraten noch zu gering und der Zeitraum sei zu kurz.

Die erwartete EZB-Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte setze aktuell keinen Zinssenkungsmechanismus in Kraft. Die Baufinanzierungszinsen tangiere all dies wenig – sie bewegen sich weiterhin auf konstantem Niveau. Der repräsentative Bestzins von Dr. Klein für eine zehnjährige Baufinanzierung beträgt aktuell 3,17 Prozent (Stand: 4.6.2024).

Im Mai hat der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) den Immobilienpreisindex veröffentlicht – der ist gegenüber dem ersten Quartal 2023 in den ersten drei Monaten 2024 um 5,3 Prozent gefallen. Die Talsohle bei der Immobilienpreisentwicklung ist damit laut Neumann erreicht: "Die Daten zeigen, dass die Abwärtsbewegung deutschlandweit zum Stillstand kommt und in eine Seitwärtsbewegung übergeht." Es spreche alles dafür, sich jetzt den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen, sobald die passende Immobilie gefunden ist. Die Tendenz bei den Baufinanzierungszinsen sieht der Dr. Klein-Experte kurzfristig bei seitwärts ohne Ausschläge und mittelfristig seitwärts mit einer sehr geringen Schwankungsbreite.


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Schlagworte zum Thema:  Zinsen, Baukosten, Wohnungsbau