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Erleidet der Beschäftigte einer Zimmerei dadurch Verletzungen, dass er sich während seiner Arbeit in einem Pool des Arbeitgebers erfrischt und dabei verunglückt, so kann dies nach einem Urteil des SG München ausnahmsweise einen Arbeitsunfall darstellen. Dies gelte nach Ansicht des Gerichts zumindest dann, wenn das Bad im Pool mit allen anwesenden Kolleginnen und Kollegen sowie dem Chef stattfinde und der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dient.
Der Fall: Arbeitnehmer verunglückt im Pool
Der Beschäftigte eines Zimmereibetriebes hatte sich beim Baden im Pool des Arbeitgebers aus ungeklärter Ursache schwere Verletzungen, auch an der Halswirbelsäule, zugezogen. Dem vorausgegangen waren anstrengende Arbeiten auf dem Betriebsgelände bei hochsommerlichen Temperaturen. Da unmittelbar vor dem Betriebsurlaub noch weitere Arbeiten zu erledigen waren, wies der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden an, sich durch ein Bad im Pool zu erfrischen, um danach wieder gestärkt an die Arbeit zu gehen. Die Berufsgenossenschaft hat die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall verweigert, da es sich beim Baden um eine private Verrichtung gehandelt habe. Dagegen erhob der Verunglückte seine Klage zum Sozialgericht.
SG München: Das Baden stand hier – ausnahmsweise – unter Versicherungsschutz
Das SG München hat der Klage stattgegeben (SG München, Urteil vom 2.5.2023, S 9 U 276/21). Zwar seien private Verrichtungen, wie Essen, Trinken, Rauchen und eben das Baden grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Das Erfrischungsbad in einem Pool zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Arbeitskraft steht nach Ansicht des SG jedoch in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn es bei noch fortzusetzender versicherter Arbeit der Wiederherstellung oder Erhaltung der Arbeitskraft zu dienen bestimmt ist, insbesondere wenn es wegen zuvor in Hitze verrichteter Arbeit notwendig und vom Arbeitgeber angewiesen wurde.
Der Kläger hätte sich außerdem dem Bad kaum entziehen können, so das SG weiter. Es hätten sich alle Kollegen, der Arbeitgeber und ein Subunternehmer im Pool befunden. Der Kläger hat mit dem Aufsuchen des Pools einer Erwartungshaltung seines Arbeitgebers und seiner Kollegen entsprochen. Im Anschluss sollte nach den übereinstimmenden Angaben "erholt" bzw. "erfrischt", mit gesteigerter bzw. regenerierter Arbeitskraft weitergearbeitet werden. Dem hätte sich der Kläger nicht entziehen können.
Es hätte auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Arbeitnehmer sich bewusst einer erhöhten Gefahr ausgesetzt hätte (z.B. durch einen Sprung in den Pool), weil die näheren Umstände des Unfalls nicht aufklärbar gewesen seien.
Wichtig für die Praxis
Der Unfall und seine Bewertung durch das Sozialgericht waren hier grundsätzlich grenzwertig. Im Regelfall sind solche Badeunfälle nämlich unversichert, da – so die Rechtsprechung – „eigenwirtschaftlich“ und damit privat. Der extreme Sommer im letzten Jahr lässt dieses Unfallgeschehen, das bereits im Jahr 2020 stattfand, in einem anderen Licht erscheinen. Da auch weiterhin mit sehr hohen Sommertemperaturen zu rechnen ist, wird die Möglichkeit körperlicher Abkühlungen durch ein Bad zukünftig eine mögliche Option zur Bewahrung der Leistungsfähigkeit sein. Dann aber ist daran zu denken, dass
- diese Bäder auf Anordnung oder mit Billigung des Arbeitgebers stattfinden,
- der Zweck ausdrücklich die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zur Fortsetzung der Tätigkeit sein muss,
- dass alle Beteiligten die Möglichkeit zum Baden haben und
- dass Grundregeln zur Gefährdungsvermeidung eingehalten werden.