Autohaus-Controlling: Erste-Hilfe-Kennzahlen
Controlling schaut in vielen Autohäusern wie ein Formel-Eins-Lenkrad aus. Es hat unendlich viele Knöpfe und dennoch erkennt man leider nicht auf den ersten Blick, wo man hinschauen soll. Lassen Sie es uns einfach einmal wieder handhabbarer machen. Dazu schauen wir uns verschiedene Knöpfe am Beispiel einer Balanced Scorecard von Kaplan und Norton (1992) an:
- Finanzen,
- Kunden,
- Prozesse und
- Weiterentwicklung.
Diese vier Bereiche werden mit jeweils drei ausgewählten Kennzahlen betrachtet.
Bei den Finanzen werden wir folgende Kennzahlen betrachten:
- Liquidität: Wann ist mein „Tank“ leer?
Liquidität im Geschäft ist wie eine Tankfüllung bei einem Auto. Die Summe der Bankkonten, Kreditlinien, etc. werden addiert und durch die durchschnittlichen Monatskosten geteilt. Das Ergebnis ist dann die finanzielle Reichweite in Monaten. Je nach Ergebnis ‚geht‘ bei bis zu 3 Monaten ‚noch mehr‘. Bei 3 Monaten ist es schon sehr gut, doch wären 6 Monate nicht noch besser? Doch nun stellt sich auch die Frage, ob man mit dem Geld nicht lieber weiter investieren sollte. Diese Fragen sind von Autohaus zu Autohaus jedoch verschieden zu beantworten. - Rentabilität: Fahre oder parke ich?
Rentabilität im Geschäft ist die Frage, ob ich ein Auto fahre oder ob ich es lieber parke, verkaufe oder mein Geld anders anlege, anstelle in meinem Autohaus. - Kapitalstruktur: Geschwindigkeit von 0 auf 100?
Die Kapitalstruktur betrachtet das Eigen- und Fremdkapital. Wenn man mehr Fremdkapital nutzt, so hat man einen höheren Hebel, kann somit ‚leveragen‘ und noch schneller wachsen. Allerdings steigt auch das Risiko gerade bei steigenden Zinsen.
Bei den Kunden werden wir folgende Kennzahlen beleuchtet:
- Net-Promotor-Score (NPS): Wie viele Super-Kunden fahren mit?
Mithilfe eines Net-Promotor-Scores (NPS) erfahren Sie, wie Sie weiterempfohlen werden. Mit der Frage „Wie empfehlen Sie auf einer Skala von 0-10 unser Autohaus Ihrem Besten Geschäftsfreund weiter?“ identifizieren Sie die Promotoren, die eine „10“ oder „9“ geben, die Neutralen bzw. Passiven, die Sie mit einer „8“ oder „7“ bewerten und die Kritiker, die eine „6“, „5“, „4“, „3“, „2“, „1“ oder „0“ vergeben. Die Neutralen bzw. Passiven finden beim NPS keine Berücksichtigung. Um den NPS zu berechnen, wird die Summe der Kritiker in Prozent von der Summe der Promotoren in Prozent abgezogen. Lt. der Targetbox (2022) liegt ein NPS-Score in einem deutschen Autohaus zwischen 33 % und 63 % mit einem Durchschnittswert bei 48 %. Wir sehen, Autohäuser sind aus Kundensicht hoch emotionsgeladene Orte. - Stammkundenrate: Wie viele Super-Kunden fahren weiter mit?
Hier können die Folgeaufträge gemessen werden. Beispielsweise wenn bei einem Leasingkunden der Vertrag in einem Jahr ausläuft, so kann gemessen werden, welche Aktion heute bereits getätigt wird, um Stammkunden zu binden. - Teilerate: Wie viele Super-Kunden fahren weiter mit und kaufen „alles“?
Die Deckungsbeitrags-Bringer wie Services, Teile und Sonstiges werden von einigen Kunden überproportional gekauft. Hier ist es wichtig, die Kunden in das Autohaus einzuladen, damit die sogenannten Bringer auch vermarktet werden. Alternativ kann über digitale Angebot ebenfalls nachgedacht werden.
Bei den Prozessen werden wir folgende Kennzahlen betrachten:
- Vetriebstrichter: Wie sieht der Ölstand im Verkaufsprozess aus?
Mit wie vielen aktiven Interessenten spreche ich gerade? Wie viele offene Angebote habe ich verschickt? Wie viele Abschlüsse habe ich je Mitarbeitenden erzielt? Eine besondere Idee kam aus meinen Experteninterviews heraus, dass beispielsweise bei einem Nachlass von 1,5 % jeder besser erzielte Abschluss unter diesem Prozentsatz zwischen dem Autohaus und dem Vertriebler geteilt wird. Wird ein PKW mit einem Wert von € 50.000 nur mit einem Nachlass von 1 % verkauft, so werden die 0,5 %, also € 2.500 zwischen dem Autohaus und dem Vertriebler aufgeteilt, so dass jeder € 1.250 verdient. Diese Methode hilft, dass nicht nur der Preis der Hebel ist. Auch bei Kostenreduktionen funktioniert die Win-Win-Methode. - Werkstatttrichter: Wie sieht der Ölstand im Werkstattprozess aus?
Hier werden die Fragen beantwortet, wie gebucht meine Werkstatt in Stunden ist, wie viele Mitarbeiter in Stunden zur Verfügung stehen und wie die Personaleinsatzplanung optimiert erfolgt. Klassische Kennzahlen sind hier z. B. die Leistungsrate. Diese kann z. B. in guten Fällen bei 130 % liegen, denn dann wurden 60 Min. an Kunden verkauft, allerdings nur 40 Min. benötigt. Dies funktioniert jedoch nur, wenn der Teiledienst prozessoptimiert die relevanten Teile zubringt, so dass es wie bei einem Formel-Ein-Boxenstopp vor sich geht. - Onlinetrichter: Wie sieht der Ölstand bei Extrateilen aus?
Da diese Produkte und Services mit den höchsten Deckungsbeitrag erzielen, ist hier die Frage, wie Kunden und Interessenten noch gezielter angesprochen werden. Dies kann über Showrooms erfolgen, aber auch automatisiert über Bots, Online-Terminbuchungen und über Social Media wie TikTok. Hier ist relevant, wie Kunden und Interessenten Sie finden. Was sind die Such-Worte, Such-Sätze und Such-Fragen, nach denen Sie gefunden werden. Answerthepublic.com kann diese Antworten u. a. geben.
Bei der Weiterentwicklung werden wir folgende Kennzahlen betrachten:
- Krankenquote: Wann sind meine „Autos“ in der Werkstatt?
Die Anzahl Krankentage je Mitarbeitenden bzw. Anwesenheitstage je Mitarbeitenden werden hier gemessen. - Verbesserungsvorschläge: Sauber-Samstag?
Die Anzahl Verbesserungsvorschläge je Mitarbeitenden können hier getrackt werden. Ein Ideenwettbewerb zu Kosteneinsparungen mit Provisionsbeteiligung kann die Kreativität auch richtig entfachen. - Weiterbildung: Formel-Eins-Rennen?
Zum einen kann die Anzahl der Weiterbildungstage je Mitarbeitenden je Jahr gemessen werden. Zum anderen kann geprüft werden, wie dies z. B. bei Daylies in die Arbeit integriert wird. Dabei wird bei Daylies morgens in max. 10 Minuten besprochen:
- Woran arbeite ich gerade?
- Wo brauche ich Hilfe?
- Wie ist mein Umsetzungsstand vom letzten Training?
Die Kennzahlen-Übersicht zeigt Ihnen erste Ideen auf, wie Sie aus trockenen Kennzahlen mit Hilfe eines Storytellings Kennzahl emotional aufladen können. Da viele Menschen in Autos zu Musik mitträllern und singen, so könnte auch gerade bei einem Autohaus noch überlegt werden, welche drei Kennzahlen die Top-Kennzahlen sind. Wenn dies z. B. die Liquidität wäre, so könnte diese Kennzahl mit einem James-Bond-Filmsong „Tomorrow Never Dies“ emotional aufgeladen werden. Die Umsätze könnten mit „Diamonds are Forever“ verbunden werden und der Deckungsbeitrag I könnte in einem Autohaus mit „Moonraker“ aufgeladen werden. Auf diese Weise sprechen Sie dann nicht mehr über die Liquiditätskennzahl, sondern über den „Tomorrow Never Dies“ Key Performance Indikator. Vielleicht schmunzeln Sie darüber. Probieren Sie es einfach einmal aus!?
To Go’s:
- Balanced Scorecard beinhaltet Finanzen, Kunden, Prozesse und Entwicklung,
- Story Telling am Beispiel eines Autohaus zeigt eine besondere Wirkung und
- ... Controlling rockt Ihre Woche!
Der Artikel erschien erstmals in Controller Magazin 6/2023.
Literaturverzeichnis:
Answerthepublic.com (2023): Crowd-Fragen-Antwort-Tool, um Worte, Fragen zu finden, um noch besser gefunden zu werden, einmal täglich gratis zum Probieren,
https://answerthepublic.com, zuletzt abgerufen am 01.11.2022.
Kaplan, R. S. und Norton, D. P. (1992): The Balanced Scorecard – Measures that Drive Performance, Harvard Business Review, 70, Nr. 1, (January-February), S. 71-79.
Targetbox.com (2023): Net-Promotor-Score (NPS) Benchmark für Autohäuser,
https://targetbox.de/npsbenchmarks/autohaus, zuletzt abgerufen am 21.05.2023.
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